Im deutschen Chemnitz dürfte es heute zu grossen Aufmärschen von Rechtsextremen und Gegendemonstranten kommen.
Chemnitzer Polizisten stehen in der Innenstadt bei einer Kundgebung der rechten Szene vor dem Karl-Marx-Denkmal, um ein Aufeinanderprallen von rechten und linken Gruppen zu verhindern.
Chemnitzer Polizisten stehen in der Innenstadt bei einer Kundgebung der rechten Szene vor dem Karl-Marx-Denkmal, um ein Aufeinanderprallen von rechten und linken Gruppen zu verhindern. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Chemnitz sind heute erneut Demonstrationen von Rechtsextremen angekündigt.
  • Zuvor soll eine Protestaktion unter dem Motto «Herz statt Hetze» stattfinden.
  • Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot vor Ort.

In Chemnitz wappnet sich die Polizei für mögliche neue Auseinandersetzungen. An diesem Samstag werden Tausende Menschen zu Demonstrationen erwartet. Die Polizei geht von einer Teilnehmerzahl im unteren fünfstelligen Bereich aus. Ein breites Bündnis aus rund 70 Vereinen, Organisationen und Parteien hat ab dem Vormittag zu Demonstrationen unter dem Motto «Herz statt Hetze» aufgerufen.

Mehrere prominente Politiker wie die Parteichefin der Grünen, Annalena Baerbock, haben sich angesagt. Am Nachmittag sind Kundgebungen der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Chemnitz sowie der AfD und des ausländerfeindlichen Bündnisses Pegida geplant. Dazu wird auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke erwartet.

Nach einer tödlichen Messerattacke auf einen 35-jährigen Deutschen war es in Chemnitz bereits an mehreren Tagen zu Ausschreitungen mit Verletzten gekommen.

Ausschreitungen auch in anderen Städten?

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) warnte angesichts der jüngsten Ereignisse und Aufrufe zur Selbstjustiz vor einer sich verschärfenden Missachtung des Rechtsstaates in Deutschland. «Für die Errungenschaften unseres Rechtsstaates, gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte, dafür müssen wir alle einstehen», sagte sie. Mit Blick auf die Ereignisse in Chemnitz mahnte sie die sächsischen Behörden, dass es Konsequenzen für alle Täter geben müsse.

Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) hält Ausschreitungen wie in Chemnitz auch in anderen Städten für möglich. «Ich warne davor, dass man glaubt, das könnte nur in Chemnitz passieren», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Zu den Ausschreitungen seien Rechtsextreme aus ganz Deutschland angereist. Die Rechten seien extrem gut vernetzt. Solche Proteste seien in jeder Stadt denkbar, in der es ähnlich brutale Vorfälle gebe.

Über einen Iraker, der an der Tötung beteiligt gewesen sein soll, gibt es neue Informationen. Eine Untersuchung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg habe ergeben, dass zwei der von dem Mann vorgelegten Personaldokumente «Totalfälschungen» seien, berichtete der «Spiegel».

Ausschreitungen von Rechtsextremen in der Stadt Chemnitz (D).
Ausschreitungen von Rechtsextremen in der Stadt Chemnitz (D). - Keystone

Wegen der Sicherung der Demonstrationen in Chemnitz sorgte die sächsische Polizei für die Verlegung des Zweitliga-Spiel zwischen Dynamo Dresden und dem Hamburger SV. Um die Herausforderungen stemmen zu können, bat sie um eine Verlegung der Begegnung am Samstag in Dresden. Beide Clubs sagten daraufhin das Spiel ab.

23-jähriger Iraker ist in Haft

Als Tatverdächtige sitzen der Iraker und ein 23 Jahre alter Syrer in Untersuchungshaft. Laut Verwaltungsgericht Chemnitz hätte der Iraker im Mai 2016 nach Bulgarien abgeschoben werden können. Dies sei aber nicht vollzogen worden, weshalb die Überstellungsfrist von sechs Monaten abgelaufen war.

Die tödliche Messerattacke war Anlass für rechtsgerichtete Demonstrationen am Sonntag und Montag. Aus ihnen heraus war es zu ausländerfeindlichen Attacken gekommen. Wegen der Vorkommnisse riet das Schweizer Aussenministerium zur Vorsicht in der Umgebung von Demonstrationen.

Vor dem Hintergrund von Chemnitz wird der Ruf lauter, die AfD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Bundesinnenminister Horst Seehofer reagierte allerdings zurückhaltend: «Derzeit liegen die Voraussetzungen für eine Beobachtung der Partei als Ganzes für mich nicht vor», sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

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