Staudenmann: «Wenn der Puck aufs Eis fällt, ist es magisch»

Andy Maschek
Andy Maschek

Als Stürmer bestritt Julien Staudenmann 489 NLB-Spiele und jagte zweimal den Aufstieg. Als Schiedsrichter schaffte er rasch den Sprung in die höchste Liga.

Julien Staudenmann
Julien Staudenmanns erster Schiri-Einsatz war bei seinem langjährigen Klub Lausanne. - Martin Meienberger / freshfocus

13 Jahre ist es her, da musste der Bern-Jurassier seine Karriere beenden. Ein Kreuzbandriss war die Ursache, dass La Chaux-de-Fonds seine letzte Station im Profihockey war, nachdem er für Ajoie und jahrelang für Lausanne in der NLB gespielt hatte.

«Ich hätte weitermachen können, wollte aber mit meiner Familie nicht für ein oder zwei Jahre umziehen und trat zurück», erklärt Julien Staudenmann.

Er habe als Schiedsrichter begonnen, sei später erneut am Knie operiert worden, was zu einer weiteren langen Zwangspause geführt habe, doch heute gehe es ihm gut, sagt er, um lachend anzufügen: «Wir werden nicht jünger, es schmerzt jeden Morgen irgendwo ein wenig, aber das bedeutet, dass wir leben – ich will nicht jammern. Ich habe von unserem Athletikcoach ein spezifisches Programm bekommen, um die Muskulatur zu verbessern, habe ein paar Kilos verloren und fühle mich fit.»

Spengler Cup
Als Schiedsrichter zum Spengler Cup, ist eines der persönlichen Ziele von Julien Staudenmann. - keystone

Julien Staudenmann ist bester Laune. Er geniesst es, übers Hockey zu sprechen. Er sagt: «Ich habe das Hockey in meiner DNA. Dieser Sport hat mir so viel gebracht, ich durfte so viel erleben und lernen, es war für mich die beste Lebensschule.»

Aus diesem Grund war für ihn früh klar, dass er nach seiner Spielerkarriere «seinem» Sport etwas zurückgeben möchte. Als Ex-Spieler habe man nicht unbegrenzte Möglichkeiten und so habe er sich entschieden, als Schiedsrichter anzufangen.

Was er nicht bereut: «Es ist immer noch meine Leidenschaft, und ich freue mich immer noch so wie als Sechsjähriger, wenn ich aufs Eis gehen darf.»

Rasanter Aufstieg

Dass er als Schiedsrichter in den Spitzensport zurückkehrte, ist vor allem auch dem Zufall geschuldet. Er war gemeinsam mit seinem Cousin und früheren Verteidiger Alain Reist, der es auf über 547 NLA-Spiele brachte, beim Nachtessen, als der damalige Schiedsrichter Stéphane Rochette an den Tisch kam und erklärte, dass der Verband Profi-Spieler als neue Schiedsrichter suche und dass für diese Spieler ein Express-Programm ausgearbeitet worden sei.

Es war ein Steilpass, den Staudenmann annahm. «Ich startete ganz unten bei den Junioren, pfiff im September 2013 mein erstes Spiel, dann ging es rasant weiter und drei Jahre später kam ich erstmals in der National League zum Einsatz», so Staudenmann, den ein besonderes Erlebnis mit einem anderen Debüt verbindet, seinem ersten Schiri-Einsatz bei seinem langjährigen Klub Lausanne.

Lausanne HC
Lausanne HC - keystone

«Es war im alten Stadion in Malley, ich war nervös, machte das Anspiel und sass Sekunden später auf dem Hintern. Ich weiss nicht, was passierte, vielleicht hatte es einen Riss im Eis, alle lachten, ich auch – aber das Spiel verlief gut.»

Lausanne war in seiner Karriere sowieso ein spezieller Ort. 2009 und 2010 gewann er mit dem Klub den Meistertitel in der NLB und schnupperte am Aufstieg. Doch in beiden Jahren scheiterten die Waadtländer in der Ligaqualifikation am EHC Biel.

Bleibende Erinnerungen hat vor allem die Schlägerei zwischen Lausannes Thomas Rüfenacht und Biels Thomas Nüssli im entscheidenden siebten Duell 2009 noch vor dem ersten Bully hinterlassen, als beide unter die Dusche geschickt wurden und Biel am Ende 5:1 gewann.

Thomas Rüfenacht und Thomas Nüssli 2009 SLAPSHOT
Bleibende Erinnerungen hat die Schlägerei zwischen Lausannes Thomas Rüfenacht und Biels Thomas Nüssli 2009 noch vor dem ersten Bully hinterlassen. - KEYSTONE/Laurent Gilliéron

Einer der Provokateure beim Warm-up sei auch Julien Staudenmann gewesen, hiess später. «Das kann schon sein, wir versuchten natürlich, den Gegner aus dem Konzept zu bringen. Es war aber nie geplant, dass sie sich vor dem ersten Bully prügeln, es passierte halt, c’est la vie», sagt er schmunzelnd und erklärt, dass er froh sei, sich heute als Headschiedsrichter nicht ins Getümmel wagen zu müssen.

Als Referee ist Julien Staudenmann sehr aktiv, vor allem auch verbal, er spricht während des Spiels viel. Der Grund? «Unser Sport und unsere Liga sind extrem attraktiv anzuschauen, ob im Stadion oder auf dem Sofa. Die Fans wollen Action sehen, es geht ums Spektakel.»

Um Unterbrüche möglichst zu verhindern, rede er viel mit den Spielern, weise sie auch während des Spiels auf Dinge hin, warne sie bei Bedarf.

«Es geht mir darum, den Spielfluss zu halten. Die Kommunikation ist einer der wichtigsten Punkte und muss gezielt und zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden, und ich hatte es als Spieler auch gerne, wenn der Referee mit mir gesprochen hat. Aber klar, teilweise ist auch da weniger mehr.»

Wasser Weltwassertag VALSER
Rund 60 Spiele leitet der 44-Jährige pro Jahr und das neben einer 100-Prozent-Stelle bei der Valser Service AG. - VALSER

Kommunikation war auch zu Beginn seiner Head-Zeit wichtig. Damals teilte er gelegentlich seine Sicht auf Twitter mit – allerdings nie bei laufenden Verfahren – und begründete es in einem Interview folgendermassen: «Ich bin für alles, was die Funktion des Schiedsrichters menschlicher macht. Wenn man mich fragt, warum ich diese oder jene Entscheidung getroffen habe, antworte ich. Und wenn ich mich irre, muss man das akzeptieren.»

Heute sagt er: «Die Kommunikation muss klar und menschlich sein, das war auch schon als Spieler so, und das ist auch mein Charakter.»

Das Kribbeln im Bauch

Julien Staudenmann geniesst seine Aufgabe, er sagt: «Es ist der schönste Sport und ich habe das Privileg, den besten Zuschauerplatz zu haben.» Vor den Spielen spürt er Schmetterlinge im Bauch, ein Kribbeln. «Man kann alles vorbereiten, um bereit zu sein, doch wenn der Puck beim ersten Bully aufs Eis fällt, ist es magisch.

Wenn man kein spezielles Gefühl mehr hat, ist es ein Zeichen, dass das Feuer fehlt und dann müsste man eigentlich aufhören», erklärt er. Der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere war für ihn der Einsatz beim entscheidenden Spiel im Playoff-Final der Sky Swiss League 2024 zwischen La Chaux-de-Fonds und den GCK Lions.

Chaux-de-Fonds
La Chaux-de-Fonds jubelt nach dem Sieg in der Swiss League. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott) - keystone

Auf die Frage nach seinen weiteren Zielen antwortet er: «Als kleiner Junge sagte ich, dass ich Eishockeyprofi, Nationalspieler, Weltmeister und NHL-Spieler werden will. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich diese Ziele gegen unten korrigiert.

Als Schiedsrichter sagte ich am Anfang, dass ich gerne an Olympischen Spielen und der WM pfeifen möchte, nun sehe ich einen Playoff-Final in der National League als Ziel – und vor allem eine Teilnahme am Spengler Cup. Da möchte ich unbedingt mal dabei sein, das liegt aber nicht allein in meiner Hand.»

Mit seiner positiven Art würde Julien Staudenmann perfekt zu diesem Hockeyfest passen, auch wenn es für ihn eine nicht zu unterschätzende Zusatzbelastung wäre. Rund 60 Spiele leitet der 44-Jährige pro Jahr, gleichzeitig arbeitet er zu 100 Prozent für die Valser Service AG, «die beste Mineralquelle der Schweiz«, wie er anfügt, ist Verkaufsleiter für die Westschweiz und betreut 18 Chauffeure, welche die Getränke ausliefern.

Julien Staudenmann SLAPSHOT
Julien Staudenmann ist Schiedsrichter seit 2013. Rund 60 Spiele leitet der 44-Jährige pro Jahr. - KEYSTONE / Peter Schneider

«Ich habe eine Familie, eine Frau, drei Kinder, das ist organisatorisch wie in einem Unternehmen. Ich bin der CEO, meine Frau ist die Verwaltungsratspräsidentin und eine Stufe höher habe ich noch drei Aktionäre, das ist mein Leben», erklärt er.

Die Bewältigung seines Pensums sei auch eine Frage der Organisation und der Disziplin. «Ich schaue, was ich esse und trinke, wieviel ich schlafe, gehe ins Fitness. Mein Leben ist sehr gut strukturiert und das muss so sein, sonst würde das nicht gehen.

Ich freue mich jeweils, wenn die Saison beginnt, bin aber auch zufrieden, wenn sie fertig ist und ich mal etwas anderes machen kann. Valser Wasser, das Schiedsrichterwesen und die Familie – ja, das ist schon fast und furious.»

Julien Staudenmann

Geboren: 13. April 1981. Klubs als Spieler: HC La Chaux-de-Fonds (NLB), HC Vallée de Joux (2. Liga), Lausanne HC (NLB), HC Ajoie (NLB), HC Martigny (1. Liga).

Erfolge als Spieler: NLB-Schweizer Meister 2009 und 2010 mit Lausanne HC, NLB-Vize-Meister 2011 und 2012 mit Lausanne. HC Schiedsrichter seit: 2013.

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