Die Zahlen der in Versuchen eingesetzten Tiere sind steigend, ebenso der Anteil schwer belastender Versuche. Der Tierschutz will dies beenden.
Ratte Tierschutz Tierversuche
Der Tierschutz fordert einen Ausstiegsplan für belastende Tierversuche. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Anzahl der in Versuchen eingesetzten Tiere sind in der Schweiz zunehmend.
  • Der Bund möchte die Anzahl der Tierversuche senken – bis anhin erfolglos.
  • Tierschutzorganisationen fordern einen konkreten Ausstiegsplan.

585’991 Tiere wurden im Jahr 2022 in Tierversuchen eingesetzt – zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Diese Zahlen hat das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) im September veröffentlicht.

Das BLV unterscheidet bei Tierversuchen vier verschiedene Stufen:

«Schweregrad 0» bedeutet keine Belastung, zum Beispiel Beobachtungsstudien oder Futtermittelstudien. Bei «Schweregrad 1» werden Eingriffe und Handlungen unter Anästhesie durchgeführt. Es kommt für das Tier zu Schmerzen, Schäden oder eine leichte Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens.

Bei «Schweregrad 2» wird von einer mittleren Belastung für die Tiere ausgegangen. Auch hier kommt es zu Schäden, Schmerzen oder Ängsten als Folge des Versuchs.

«Schweregrad 3» ist für die Tiere am belastendsten. Hierzu zählen zum Beispiel Verpflanzungen von aggressiven Tumoren in Tiere, um deren Entwicklung zu erforschen.Diese Versuche bedeuten für die Tiere schwere Schmerzen, langfristige schwere Schäden und grosse Angst.

Zunahme von Schweregrad 3

Die Statistik zeigt, dass die Zahl der Tiere in schwerstbelastenden Versuchen im Vergleich zum Vorjahr sogar um fünf Prozent anstieg.

Doch auch Versuche mit dem «Schweregrad null» können für die Tiere tödlich ausgehen. Wenn sie nämlich im Rahmen des Versuchs (nach geltendem Tierschutzrecht) getötet werden, gilt dies nicht als Belastung.

Zudem wurden 2022 mehr als doppelt so viele Tiere für Forschungszwecke gezüchtet oder importiert, als in Versuchen eingesetzt wurden: rund 1,25 Millionen. Sie werden laut Bericht entweder für die Zucht weiterverwendet oder getötet.

Zahlen seit Jahren ähnlich

Seit Jahren bewegen sich die Zahlen der in Versuchen eingesetzten Tiere im Bereich um 500’000 bis 600’000 Tiere. Dies, obwohl der Bund die Zahlen eigentlich senken möchte.

Kaninchen
Auch Kaninchen werden in Tierversuchen eingesetzt, aber eher in der Kosmetikindustrie als in der Forschung. - Pexels

Dafür unterhält der Bund ein Kompetenzzentrum für die sogenannten 3R («Replace, Reduce, Refine»). Auch finanziert er das Nationale Forschungsprogramm 79 «Advancing 3R». Auf diese Bemühungen verweist das BLV in seiner Medienmitteilung.

Tierschutz kritisiert Strategie

Im Tierschutz sieht man diese Ansätze jedoch kritisch. «Dass die Zahlen nicht zurückgehen, zeigt, dass die aktuelle Tierversuchspolitik fehlgeleitet ist.» Dies meint Nicolas Eichenberger, Vorstandsmitglied beim Verein Animal Rights Switzerland.

«Es fehlt jegliche Strategie, wie man die Zahlen senken kann. Dafür bräuchte es klare Zielvorgaben und Massnahmenpakete, ähnlich wie bei den Treibhausgasemissionen.»

Tierschutz fordert Ausstiegsplan

Die Forderung von Tierschutz- und Forschungsorganisationen: Ein Ausstiegsplan aus belastenden Tierversuchen. Die Petition «Forschungsplatz Schweiz sichern – ohne Tierleid» wurde diesen Sommer bereits über 15’000 Mal unterzeichnet.

Haben Sie schon von der Petition «Forschungsplatz Schweiz sichern – ohne Tierleid» gehört?

«Eine zielgerichtete Forschungspolitik ist dringend nötig, um neuen tierversuchsfreien Methoden zum Durchbruch zu verhelfen.» Dies sagt Stefan Kunz, Mitarbeiter der Stiftung Animalfree Research. «Dies käme sowohl den Tieren und der menschlichen Gesundheit als auch dem Innovations- und Forschungsstandort Schweiz zugute.»

Im Ausland steht Ausstieg auf der Agenda

Im Kern der Petition steht die Forderung, dass der Bund sich verbindlich auf einen Ausstieg aus belastenden Tierversuchen festlegt. Die Erarbeitung des entsprechenden Plans kann über eine Arbeitsgruppe erfolgen. Diese kann die einzelnen Schritte mit Hochschulen, Industrie, Tierschutz und Politik koordinieren.

Ratte Tierschutz
Die Zahl der Tiere in schwerstbelastenden Versuchen stieg im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent an. Der Tierschutz fordert nun einen Ausstiegsplan. - Keystone

Andere Länder gehen bereits ähnliche Wege. So planen die Amerikanische Umweltbehörde EPA und die Europäische Union den Ausstieg aus gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuchen. Etwa zur Messung der Giftigkeit neuer Chemikalien.

Tierschutz vom Recht unterstützt

Die Forderung nach einer klaren Strategie für die Abkehr vom Tierversuch wird auch von juristischer Seite gestützt:

«Nach Schweizer Recht sind Tiere keine Sachen, sondern schützenswerte Lebewesen mit eigener Würde. Aufgrund der in der Verfassung festgelegten Staatsziele ist der Bund verpflichtet, auf einen möglichst schnellen Ausstieg aus belastenden Tierversuchen hinzuwirken.» Dies erklärt Andreas Rüttimann, rechtswissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung für das Tier im Recht (TIR).

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