Coolcation: Warum der Norden das neue Süden ist
Schweden statt Spanien, Irland statt Italien: Immer mehr Menschen reisen im Sommer in kühlere Gegenden. Coolcations boomen.

Millionen von Urlaubern fiebern jährlich den überfüllten Stränden des Mittelmeers entgegen. Doch eine wachsende Zahl von Reisenden entdeckt eine völlig neue Art des Sommerurlaubs.
Was ist eine Coolcation?
Eine Coolcation ist mehr als nur ein Urlaub – es ist eine bewusste Entscheidung gegen die Hitze. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern «cool» (kühl) und «vacation» (Urlaub) zusammen.

Statt der traditionellen Flucht in die Sonne suchen Coolcation-Reisende bewusst Erfrischung und Abkühlung in nördlicheren Gefilden. Diese neue Reiseform steht für immersive Erlebnisse in weniger kommerzialisierten Regionen, wo die Natur im Mittelpunkt steht und das Leben einen langsameren Rhythmus hat.
Ob Wanderungen unter der Mitternachtssonne in Finnisch-Lappland oder Kajaktouren durch norwegische Fjorde: Eine Coolcation bietet die Chance, sich mit sich selbst und der Umgebung zu verbinden.
Der Klimawandel als Reise-Motivans
Der Klimawandel verändert nicht nur unser Klima, sondern auch unser Reiseverhalten fundamental. Laut einer Erhebung des Buchungsportals «Booking.com» gaben 38 Prozent der befragten Reisenden an, dass sich der Klimawandel künftig darauf auswirken wird, wie sie ihren Urlaub organisieren.
Rekordtemperaturen von über 40 Grad in klassischen Mittelmeerzielen machen den Aufenthalt nicht nur unkomfortabel, sondern können sogar gesundheitsgefährdend werden. Die Folgen sind bereits messbar: Italien, Griechenland und Spanien leiden unter anhaltender Trockenheit, extremer Hitze und zunehmender Waldbrandgefahr.
Gleichzeitig prognostiziert eine EU-Studie, dass kühlere Urlaubsregionen in Europa künftig dauerhaft vom Klimawandel profitieren könnten.
Skandinavien: Das neue Urlaubsparadies
Skandinavien hat sich als Hotspot der Coolcation-Bewegung etabliert. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Norwegen führt mit einem Plus von 28 Prozent bei den Suchanfragen, gefolgt von Schweden mit 25 Prozent und Finnland mit 23 Prozent.

Besonders die norwegischen Lofoten und Schwedens Seenplatte rund um Värmland stehen hoch im Kurs bei Urlaubern. Die nördlichste schwedische Provinz Norrbotten erwartet sogar ein Wachstum von bis zu 50 Prozent bei den Besucherzahlen.
In Lappland nahe dem Polarkreis wurde allein in der Regionalhauptstadt Rovaniemi ein Anstieg von 29 Prozent an Buchungen verzeichnet. Diese Entwicklung ist kein Zufall: Schliesslich bleibt das Thermometer in Skandinavien angenehm bei 15 bis 25 Grad.
Die Psychologie der Coolcation
Doch was treibt Menschen dazu, ihre gewohnten Reisemuster zu durchbrechen? Die aktuelle Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen zeigt interessante Motivationsunterschiede auf.
Nord-Reisende legen überdurchschnittlich viel Wert auf «Natur erleben», «gesundes Klima» und «frei sein». Auch «Kultur und Bildung» sowie «neue Eindrücke gewinnen» stehen bei ihnen höher im Kurs als bei Mittelmeer-Urlaubern.
Frische Luft statt Schwüle, wilde Schönheit statt überbauter Strände, achtsame Erkundung statt gedankenlosen Sonnenbadens: Coolcationing wird zur neuen Form des Luxus – nicht in Bezug auf den Preis, sondern auf Frieden, persönlichen Freiraum und Wohlbefinden.
Herausforderungen und Grenzen des Trends
Die grossen Reiseveranstalter bestätigen zwar den Trend, relativieren aber dessen Ausmass. Im Vergleich zum klassischen Badeurlaub in Südeuropa seien die Umsätze im Norden noch sehr gering, berichtet die «Tagesschau».

Gleichzeitig warnen Naturschutzorganisationen vor möglichen Nachteilen für die Umwelt und weisen auf die bescheidene Infrastruktur in entlegenen Gebieten hin. Der schwedische Alpenverein hat bereits die Zahl der buchbaren Betten reduziert, um besonders populäre Wanderwege zu entlasten.
Die Zukunft des kühlen Reisens
Die nordischen Länder haben bereits begonnen, ihre Tourismus-Werbung auf den Coolcation-Trend auszurichten und vermarkten ihre Polarregionen gezielt als Urlaubsziel.
Dabei profitieren Reisende nicht nur von den angenehmen Temperaturen, sondern auch von weniger überlaufenen Destinationen und authentischeren Erlebnissen.
Die Coolcation repräsentiert einen fundamentalen Wandel in der Art, wie wir über Urlaub denken: weg vom passiven Konsum hin zum aktiven Erleben, weg von der Hitze hin zur Erfrischung, weg vom Massentourismus hin zu individuellen Abenteuern.