Wann ist es die grosse Liebe oder krankhafte Abhängigkeit?

Eine gesunde Beziehung basiert auf Liebe, nicht auf Abhängigkeit. Aber wie unterscheiden wir zwischen beiden? Liebe und Abhängigkeit werden oft verwechselt.

Wenn wir lange genug in einer Beziehung sind, neigen wir dazu, voneinander abhängig zu werden. Oder aber auch, wenn wir als Single verzweifelt auf der Suche nach einem Partner sind und den nächstbesten wählen.

Oftmals ziehen Menschen in der emotionalen Notlage, Partner an, die ebenfalls in sich selbst nicht komplett sind. Dies führt ganz oft zu emotional abhängigen Beziehungen.

Wenn wir diese Abhängigkeit für romantische Liebe halten, wird es brenzlich.

Die Psychotherapeutin und Autorin für persönliche Entwicklung Israa Nasir erklärt, dass eine Co-Abhängigkeit die Beziehung über alles andere im Leben stelle – auch über sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse.

Das sei nicht gesund, denn es führe zu schädlichen Gewohnheiten wie Opferbereitschaft, unrealistischen Erwartungen, Verbitterung, Kontrolle und Enttäuschung.

Gesunde Liebe fördert hingegen die Interdependenz. Nasir fügt hinzu, dass gesunde Liebe die Unabhängigkeit beider Partner braucht. Dies bedeute, ein Gleichgewicht zwischen Ihrer eigenen Identität und Emotionen und denen Ihres Partners zu finden.

Beide Partner müssen hierzu die Unabhängigkeit des anderen akzeptieren und respektieren. Wer beginnt zu manipulieren, eifersüchtig zu sein und zu kontrollieren, gerät in den Teufelskreis der Abhängigkeit, und die Liebe ist schnell dahin.

Trotz bester Absichten machen viele Paare Fehler, die zu Frustration, verletzten Gefühlen und sogar zum Ende der Beziehung führen können. Israa teilt einige Beispiele und zieht klare Unterschiede zwischen Liebe und Abhängigkeit.

Emotionen: Liebe ermöglicht unterschiedliche Emotionen bei den Partnern, während Abhängigkeit verworrene Emotionen fördert, die zwischen den Partnern nicht klar sind, was zu Verwirrung führt.

Typische Anzeichen von Abhängigkeit sind übermässige Sorge um den Partner, Eifersucht, ein ständiges Bedürfnis nach Zustimmung und Anerkennung sowie das Unterdrücken eigener Bedürfnisse zugunsten des Partners.

Balance: Das Finden des Gleichgewichts zwischen eigenen Aktivitäten und dem Ansprechen unserer emotionalen Bedürfnisse bei unserem Partner ist ein gesunder Umgang in Beziehungen.

Abhängigkeit hingegen fördert eine ungesunde Abhängigkeit vom Partner für alle Arten von emotionalen Bedürfnissen. Menschen, die co-abhängig sind, neigen dazu, ihre eigenen Interessen und Hobbys aufzugeben, um den Partner glücklich zu machen, und fühlen sich unwohl oder unvollständig, wenn sie allein sind.

Identität: Gesunde Liebe fördert das Behalten der eigenen Identität trotz einer Beziehung.

Abhängigkeit hingegen glaubt an eine Identität, die beide Partner einschliesst. Abhängige Personen haben oft Schwierigkeiten damit, ihre eigenen Meinungen zu äussern oder Entscheidungen zu treffen, ohne die Zustimmung des Partners einzuholen.

Vertrauen: In der Liebe haben Partner die Autorität, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

In der Abhängigkeit beeinflussen Kontrolle, Angst und Scham Entscheidungen. Typische Anzeichen von Abhängigkeit sind Misstrauen gegenüber dem Partner, das Bedürfnis, ständig zu kontrollieren und zu überwachen, sowie die Angst vor Ablehnung oder Verlassenwerden.

Grenzen: Gesunde Beziehungen heissen Grenzen willkommen, die von den Beteiligten festgelegt werden, während Abhängigkeit von Grenzen bedroht wird und diese missbilligt.

Abhängige Personen haben oft Schwierigkeiten damit, Grenzen zu setzen oder zu respektieren. Sie fühlen sich schuldig oder ängstlich, wenn sie «Nein» sagen, und tolerieren oft unangemessenes Verhalten ihres Partners, um Konflikte zu vermeiden.

Es ist wichtig zu erkennen, dass emotionale Abhängigkeit eine ernsthafte Angelegenheit ist, die professionelle Hilfe erfordern kann. Durch bewusstes Erkennen der Symptome und die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen, können Menschen lernen, gesunde Beziehungen aufzubauen und ihre eigenen Bedürfnisse zu respektieren.