Windenergie, Bio, Selbstversorger und eine flaue Geschichte
Bettina Oberlis «Le Vent Tourne» hat schöne Szenen, starke Schauspieler – und zu viele erklärende und verweisende Bilder.

Das Wichtigste in Kürze
- Ab heute läuft «Le Vent tourne», der neue Film von Bettina Oberli, im Kino.
- Die Französisch-Schweizerische Kooperation erzählt von einem Selbstversorger-Pärchen.
- Eine Turbine bringt nicht nur Öko-Strom, sondern auch frischen Wind in das Leben der Frau.
- Oberli's Film bekam in Locarno den Variety Piazza Grande Award.
Der Bauernhof – für den alten Schweizer Film ist er Fels in der Brandung, Sehnsuchtsort und erstrebenswertes Idyll. Man denke nur an «Ueli dr Pächter» (1955).
Der jüngere Schweizer Film geht mit Hof und Bauerntum härter ins Gericht. Dann zum Beispiel, wenn er im «Verdingbub» (2011) schwarze Zeiten ins Lichtspiel bringt.
Auch die Schweizer Regisseurin Bettina Oberli bemüht den Bauernhof. «Le Vent tourne» heisst ihr fünfter Langfilm. Heute kommt er ins Kino.
Ein Hof voller Ideologie
Ihren Hof baut Regisseurin Oberli auf eine Jurahöhe in die Nähe des Creux du Van. Dann füllt sie ihn mit ideologischem Aussteigertum, System-Kritik, Alternativ-Energie, einer leisen Emanzipation und viel Pathos.

Pauline (Mélanie Thierry) und Alex (Pierre Deladonchamps) sind jung, schön und moralisch rein. Sie leben als Fast-Selbstversorger auf eben jenem Hof auf der grünen Juraanhöhe. Um ganz unabhängig zu werden von Markt und Kapitalismus, lassen die beiden in ihrem Garten eine Windturbine aufbauen.
Sex und Zweifel
Installiert wird das gigantische Rad von Samuel (Nuno Lopes). Der bringt allerdings nicht nur ökologischen, sondern vor allem frischen Wind ins Haus. Erst überfährt er eines von Pauline und Alex’ Säuli. Dann Paulines Glauben daran, das Richtige zu tun.
Während Pauline einige flammende Blicke später in Samuels Armen liegt, steigert Alex sich in einen krankmachenden Öko-Fanatismus herein, der ihn schliesslich Liebe, Haus und Kühe kosten könnte.
Aufdringliche Symbolik
Oberli’s neuster Streich kommt mit herrlichen Filmaufnahmen daher. Eindringlich sind sie, und sprechen tausend Sätze ohne ein einziges Wort zu sagen. Genau das allerdings ist einer der Schwachpunkte von «Le Vent tourne».

Der Film eröffnet mit einem Gewitter. Ein Kalb wird geboren und stirbt: Die Ideologie von Pauline und Alex – eine donnernde Totgeburt. Die Blicke und Berührungen zwischen Samuel und Pauline werden so überzeichnet, dass Ahnung davon, was zwischen den beiden passieren könnte, gar nicht aufkommen kann. Sie wird sofort zur Gewissheit.
Und bald steht Pauline an ihrem Lieblingspunkt, dem Creux du Van. Vernebelt ist der Abgrund, gefährlich auch. Erst, als Pauline erkennt, dass sie ihre alten Ziele und Ideen nicht mit in die Zukunft nehmen will, lichtet sich auch der Nebel am Abgrund.
In einer windigen Nacht dann zerstört die zweifelnde Pauline das Windrad. Mit dem Ökostrom versiegt auch ihr letzter Wille, den Traum vom Aussteigertum zu leben.
Keine konsequente Kritik
Statt den Traum vom sauberen Leben platzen zu lassen, gibt Oberli ihm zum Schluss eine zweite Chance. Nicht für Alex und Pauine, aber zumindest für einen von beiden. Während die andere sich selber suchen geht – unabhängig von den ethischen Träumen eines Mannes.
Um dem Öko-Zug weiter Fahrt zu verleihen, nehmen Pauline und Alex auch noch einen Teenager, Galina (Anastasia Schewzowa), aus dem verstrahlten Tschernobyl zur Pflege. Deren Werte werden in dem einen Sommer auf dem Hof – natürlich – viel besser.
★★☆☆☆
Ab dem 31. Januar im Kino.