Was über Jahrhunderte die Funktion der Ammen war, übernimmt heute die moderne Milchbank. Hier werden frühgeborene Babys mit gespendeter Frauenmilch versorgt.
Milchbank für frühgeborene Babys im Kantonsspital Graubünden. - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Auf der Kinderintensivstation des Kantonsspitals Graubündens wird eine Milchbank geführt.
  • Diese versorgt frühgeborene Babys mit Milch von Spenderinnen.
  • Die Muttermilch schützt Kinder in den ersten Lebenstagen vor Infektionen.

Das Kantonsspital Graubünden lagert in Tiefkühlfächern Frauenmilch von Spenderinnen. Eine Milch, die Leben retten kann. «Wenn ein Baby vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt, sprechen wir von einer Frühgeburt. Kommt das Kind vor der 32. Schwangerschaftswoche zur Welt, bekommt es aus medizinischen Gründen Muttermilch», erklärt Claudia Winterstein, Leiterin der Milchbank im Kantonsspital Graubünden. Muttermilch sei in dieser Zeit ganz wichtig, damit Frühgeburten, auch Frühchen genannt, zu kräftigen gesunden Babys heranwachsen können.

Manchmal können Mütter in dieser Zeit die Milch gar nicht, oder nur in zu kleiner Menge produzieren. Früher wurde das Kind dann an die Brust einer Amne gelegt, heute kommt die Milchbank auf der Kinderintensivstation zum Zug.

So funktioniert die Milchbank im Kantonsspital Graubünden.

Tätowierungen, Piercings, Zigaretten und Alkohol sind Ausschlusskriterien

Frauen, die überschüssige Milch produzieren und diese gerne spenden möchten, durchlaufen ein Aufnahmeverfahren, wie es auch bei einer Blutspende gemacht wird. «Der Gesundheitszustand der Spenderin wird von einem Arzt überprüft und ihr Blut sowie die Muttermilch genau kontrolliert», sagt Claudia Winterstein.

So werde sichergestellt, dass die Spenderin nicht mit HIV, Hepatitis B oder anderen Krankheitserregern infiziert ist, denn «rein theoretisch besteht die Gefahr, dass solche Erreger via Muttermilch übertragen werden können.» Dieses Risiko sei jedoch allein schon durch das Pasteurisieren praktisch gleich null. Frisch gestochene Tätowierungen und Piercings seien ebenfalls Gründe zum Auschluss. Eine Raucherin scheidet ebenso aus wie eine Frau, die regelmässig Alkohol oder Medikamente konsumiert.

Trotz der strengen Kontrolle der Spenderinnen, bleibe bei den Müttern der Frühchen ein gewisse Rest Skepsis übrig: «Ich habe mir schon auch Gedanken darüber gemacht, wie das für mich wäre, wenn mein Sohn Milch von einer anderen Frau erhalten würde», erzählt Tabita Hallauer. Die junge Frau ist Mutter von Samuel, der in der 31. Schwangerschaftswoche zur Welt kam. Für sie sei schnell klar gewesen, dass sie ihre überschüssige Milch den anderen Kindern spenden will. «Und was wenn ich dann zu wenig Milch für mein eigenes Kind habe?» – Dieser Gedanke sei ganz kurz da gewesen, gibt Tabita Hallauer offen zu.

Nicht nur für die Kinder, die die Milch erhalten, ist die Spende ein Geschenk. - Nau

Das Ammenwesen gibt es seit Menschengedenken

Früher in der Antike und im Mittelalter waren es die Ammen, die ihre Milch fremden Neugeborenen zur Verfügung stellten. Frauen aus niederen sozialen Schichten konnten so Geld verdienen. Im Jahr 1911 wurde dann in Boston (USA) die erste Frauenmilchbank gegründet.

1980 propagierten WHO und UNICEF solche Institutionen mit Nachdruck, just in dieser Zeit aber kam es zu einem drastischen Einbruch: Erstens gab es zunehmend spezielle Nahrungen für Frühgeborene, zweitens fürchtete man, das HI-Virus könnte auch auf diesem Weg weiterverbreitet werden. In der Folge wurden zahlreiche Milchbanken geschlossen. Neben Chur, gibt es das Angebot in der Schweiz noch in Aarau, Bern, Luzern und St.Gallen. In einem wichtigen Zentrum wie Zürich fehlt eine Milchbank. In der Westschweiz ist sie überhaupt nicht vertreten.

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