Erschöpft und ausgebrannt? Auch immer mehr Jugendliche sind von Burnout betroffen. Dr. Andreas Hagemann klärt im Interview über die Symptome auf.
Auch immer mehr Schüler leiden unter der Volkskrankheit Burnout.
Auch immer mehr Schüler leiden unter der Volkskrankheit Burnout. - Markus Mainka/Shutterstock.com

Das Wichtigste in Kürze

  • Burnout gibt es nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch bei Schülern.
  • Bei Burnout handelt es sich um einen tiefgreifenden Erschöpfungszustand.
  • Es wird durch chronischen Stress über längere Zeit ausgelöst.
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Burnout – eine in der Arbeitswelt inzwischen weitverbreitete Krankheit, von der jedoch auch immer mehr Jugendliche betroffen zu sein scheinen.

Dr. Andreas Hagemann, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Privatklinik Merbeck sowie der Röher Parkklinik, erklärt im Interview: «Fachärzte gehen davon aus, dass heute fast jeder Fünfte in seiner Jugend eine depressive Phase erleidet.»

Im Gespräch verrät der Experte, warum die Volkskrankheit inzwischen in fast allen Generationen vorkommt und wie Betroffene diese besiegen können.

Was genau ist Burnout?

Dr. Andreas Hagemann: Wie der Name schon andeutet, handelt es sich bei einem Burnout (englisch: «Ausgebranntsein») um einen tiefgreifenden psychischen und körperlichen Erschöpfungszustand.

Entgegen der Meinung vieler Menschen sind Burnout und Depression längst nicht dasselbe. Sie benötigen deshalb auch unterschiedliche Therapiemassnahmen und einen anderen Behandlungs-Fokus.

Aufgrund der ähnlichen Symptomatik sind beide Erkrankungen aber schwer voneinander zu trennen.

Wie wird die Krankheit ausgelöst?

Hagemann: Ausgelöst wird der tiefgreifende psychische und körperliche Erschöpfungszustand meist durch hohe berufliche Anforderungen, also chronischen Stress über längere Zeit.

Vielfach geraten Menschen auch durch lange Arbeitslosigkeit, die intensive Pflege kranker Angehöriger oder ähnliche Probleme so heftig unter Druck, dass es zu einer seelischen Störung kommt. 

In diesen Fällen genügen über kurz oder lang übliche Erholungszeiten nicht mehr zum Regenerieren. Die Folge ist ein chronischer Erschöpfungszustand.

Wie sehen die Symptome aus?

Hagemann: Typische Burnout-Symptome sind Antriebs-, Freud- und Mutlosigkeit, Schwermut, Müdigkeit, Energieverlust sowie innere und emotionale Leere. Sie ähneln damit einer Depression.

Junge sitzt draussen
Bei Jugendlichen kann autistischer Burnout oft fälschlicherweise als Verhaltensproblem interpretiert werden. - Unsplash

Permanente Gereiztheit ist hingegen eher ein typisches Folge-Symptom eines Burnouts. Hinzu kommen in manchen Fällen körperliche Beschwerden wie etwa Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen oder Darmprobleme.

Grundsätzlich unterscheiden sich die Beschwerden von Fall zu Fall. Zudem weisen Zynismus und Depersonalisation (so bezeichnet der Arzt einen Zustand der Selbstentfremdung) auf eine Erschöpfungs-Depression hin.

Welche Gruppe von Menschen leidet am häufigsten unter Burnout?

Hagemann: Vielfach betroffen sind «selbstlose», leistungsorientierte und verantwortungsbewusste Menschen sowie Perfektionisten.

Es etwas gelassener angehen, nicht immer alles 150-prozentig machen wollen und mehr auf die eigenen Bedürfnisse hören – so lautet deshalb auch die grundlegende Vorsorge-Massnahme.

Arbeitsplatz mit Handy
Die kontinuierliche Belastung am Arbeitsplatz kann zu Burnout führen. - Pixabay

Galten früher Manager oder Menschen aus Sozialberufen (wie etwa Lehrer) als besonders gefährdet, so zählt das Burnout inzwischen zu den «Volksleiden».

So sind beispielsweise auch immer mehr Schüler betroffen – und das immer früher: Fachärzte gehen davon aus, dass heute fast jeder Fünfte in seiner Jugend eine depressive Phase erleidet.

Einer der Gründe: Die Erwartungen der Eltern und die Ansprüche der Schule sind in den letzten Jahren zunehmend gestiegen.

Frau am computer
Frauen erkranken eher an einer Erschöpfungsdepression als Männer. - Unsplash

Während 5,2 Prozent aller Frauen einmal in ihrem Leben eine «Erschöpfungsdepression» durchleben, sind es bei den Männern laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nur 3,3 Prozent.

Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass Frauen weitaus häufiger ihre Überforderungssituation thematisieren und früher professionelle Hilfe suchen.

Hinzu kommt, dass viele Frauen durch die Mehrfachbelastung Kind, Haushalt und Beruf Tag für Tag vor eine Vielzahl komplexer Aufgaben und Herausforderungen gestellt werden.

Welche gesundheitlichen Folgen kann Burnout haben?

Hagemann: Aufgrund der belastenden Symptomatik geraten oftmals selbst geschätzte Hobbys oder Treffen mit Familie und Freunden mehr und mehr ins Hintertreffen.

Dafür wird häufiger zum Alkohol oder zur Zigarette gegriffen. Ein Gefühl von Misstrauen, Sinnlosigkeit und Verzweiflung macht sich zunehmend breit.

Zuletzt ist es den Betroffenen aufgrund des tiefgehenden emotionalen, psychischen und körperlichen Erschöpfungszustandes vielfach kaum noch möglich, täglichen Verpflichtungen nachzukommen.

verzweifelte FRau
Burnouts kündet sich durch verschiedene Symptome an. - Pixabay

Wird ein Burnout nicht behandelt, so kann es bei ausgeprägten Symptomen unter anderem in eine Depression übergehen.

Zudem sind körperliche Folgen wie Atembeschwerden, Muskelverspannungen, Rücken- und Kopfschmerzen oder Herz-Rhythmus-Störungen möglich.

Wie wird Burnout behandelt?

Hagemann: Eine Standard-Therapie gibt es nicht. Vielmehr bestimmen die konkreten Beschwerden, Bedürfnisse sowie Lebensverhältnisse des Betroffenen das Behandlungskonzept.

Die Psychotherapie, insbesondere die Verhaltenstherapie, hat sich generell als sehr hilfreich erwiesen. Dabei werden insbesondere auch eigene Verhaltensmuster und Ansprüche reflektiert.

Therapieziel ist es, dem Patienten eigene Belastungsgrenzen bewusst zu machen und gemeinsam mit ihm einen Weg zu finden, um Stress besser bewältigen und negative gesundheitliche Folgen verhindern zu können.

Mann auf Sofa
Die Juso fordert, dass stationäre und ambulante Therapieplätze in der Psychiatrie massiv ausgebaut werden. (Symbolbild) - Unsplash

Dabei gilt: Egal ob Burnout oder Depression – je früher die Therapie beginnt, desto effizienter und schneller ist erfahrungsgemäss der Behandlungserfolg. Dieser ist beachtlich: Über 90 Prozent aller Betroffenen gelingt die Rückkehr in ihren Beruf.

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