Philipp Kurashev: «Vieles war nicht in meiner Kontrolle»

Peter Eggenberger
Peter Eggenberger

Nach einer enttäuschenden Saison wechselt Stürmer Philipp Kurashev zu den San Jose Sharks. Im grossen SLAPSHOT-Interview nimmt er Stellung.

Philipp Kurashev  SLAPSHOT
Der Schweizer Stürmer Philipp Kurashev wechselt nach vier Jahren bei den Chicago Blackhawks zu den San Jose Sharks. - IMAGO / Daniel Bartel

Stürmer Philipp Kurashev wechselt nach vier Jahren bei den Chicago Blackhawks zu den San Jose Sharks.

Nach einer überragenden Saison 2023/24 mit 54 Skorerpunkten verlief die vergangene Spielzeit für ihn mit 14 Skorerpunkten enttäuschend.

SLAPSHOT: Philipp Kurashev, im August haben zwei Ihrer Nationalmannschaftskollegen je einen Charity-Event organisiert: Kevin Fiala ein Spiel der NHL-Allstars gegen die ZSC Lions in der Swiss Life Arena, Timo Meier ein Golfturnier in Gonten.

An beiden Anlässen haben Sie teilgenommen. Wann machen Sie es den beiden nach?

Philipp Kurashev: Das waren zwei tolle Tage. Ich helfe gern mit, für einen guten Zweck zu sammeln. Die beiden Events waren mustergültig geplant. Das gibt einen grossen Aufwand.

Ich hatte bisher die Zeit nicht, schliesse es jedoch nicht aus. Derzeit muss ich mich auf meine neue Herausforderung bei den Sharks konzentrieren.

SLAPSHOT: Im Spiel gegen die ZSC Lions standen Sie mit allen Schweizer NHL-Grössen mit Ausnahme von Roman Josi auf dem Eis. Haben Sie das schon einmal erlebt?

Kurashev: Nein. An einer WM fehlen stets einige dieser Spieler, weil sie noch in den NHL-Playoffs stehen. Es war schön, mit unseren Familien einen solchen Tag verbringen zu dürfen.

Philipp Kurashev NHL
In der Saison 2023/24 lief es für Philipp Kurashev (r.) bei den Chicago Blackhawks besonders gut. Er kam auf 54 Skorerpunkte. - keystone

Es war ein Highlight dieses Sommers. Es bereitete viel Spass. Ich begegnete einigen Schweizer NHL-Spielern zum ersten Mal. Die Chemie stimmte mit allen, auch neben dem Eis.

Es gibt dadurch einen vertieften Zusammenhalt. Jeder pusht jeden und kämpft für die anderen.

SLAPSHOT: Während der Olympischen Winterspiele im nächsten Jahr pausiert die NHL. Dort ist eine Wiederholung möglich.

Kurashev: Die Olympischen Spiele sind ein Lebensziel. Schon als kleiner Bub träumte ich davon. Ich werde alles daran setzen, dabei sein zu können.

SLAPSHOT: Die Konkurrenz wird gross sein. Die zehn vom Allstar-Team gegen die Lions plus Josi sind schon eine halbe Mannschaft.

Kurashev: Wichtig werden gute Leistungen in der Meisterschaft sein. Unser Nationalcoach Patrick Fischer selektioniert nicht einen NHL-Spieler, nur weil er in einer NHL-Franchise unter Vertrag steht.

Im Gegensatz zu einer WM ist an den Olympischen Spielen nur eine sehr kurze gemeinsame Vorbereitung möglich. Umso bedeutsamer ist, dass die Aufgebotenen in der Liga ihre gute Form bewiesen haben.

SLAPSHOT: Was waren die Schwerpunkte Ihres Sommertrainings in der Schweiz?

Kurashev: Viel Krafttraining und Feinschliff auf dem Eis. Es ging um Explosivität, Speed, Ausdauer. Auf die Ausdauer habe ich besonders geachtet, da ich in der vergangenen Saison bei den Blackhawks nicht so oft gespielt habe.

Ich habe einen eigenen, privat bezahlten Skills Coach in den USA, der jedoch nicht mit in die Schweiz gekommen ist. Einen Teil davon übernahmen Christian Rüegg und mein Vater.

Timo Meyer NHL Devils
Zusammen mit Timo Meier von den New Jersey Devils und weiteren Spielern absolvierte Philipp Kurashev sein Sommertraining in der Schweiz. - keystone

Ich war in einer Gruppe mit Timo Meier, Rodwin Dionicio und Dominik Egli. Wir trainierten vorwiegend in Kreuzlingen und Romanshorn.

SLAPSHOT: Mussten Sie gegenüber den Sharks Rechenschaft über ihr Sommertraining ablegen?

Kurashev: Nein, das lag in meiner Verantwortung. Aus eigenem Interesse war ich da nie nachlässig.

SLAPSHOT: Per 1. Juli wurden Sie Free Agent, weil die Blackhawks Sie nicht behalten wollten. Schon am Folgetag war der Vertrag mit den Sharks in trockenen Tüchern.

Das ging so rasch, dass Sie nicht zittern mussten, ob Sie in der NHL würden bleiben können.

Kurashev: Ja, der 1. Juli war hektisch (schmunzelt). Es ging ja nicht nur um mein Leben auf dem Eis, sondern auch um meinen Umzug in eine neue Stadt. Eine Rückkehr in die Schweiz war nie in meinem Kopf.

Ich war stets zuversichtlich, dass ich ein NHL-Engagement kriegen würde. Es haben einige NHL-Teams ihr Interesse bekundet. Ich bin froh, dass bei den Sharks ein Neustart möglich ist. Meine letzte Saison bei den Blackhawks war extrem schwierig und belastet.

SLAPSHOT: Haben Sie sich mit Timo Meier ausgetauscht, der sieben Jahre bei den Sharks gespielt hat?

Kurashev: Ja, aber erst nach dem Transfer. Er kennt immer noch viele Leute und hat mir wertvolle Tipps gegeben.

SLAPSHOT: Was hat den Ausschlag für die Sharks gegeben?

Kurashev: Es sind etliche gute junge Spieler im Kader. Es sind aber auch einige erfahrene Spieler verpflichtet worden. Ich habe die Chance, viel Eiszeit zu bekommen. Dies war in der letzten Saison bei den Blackhawks nicht der Fall.

Die San Jose Sharks feiern den Sieg gegen die Seattle Kraken.
Die San Jose Sharks sind das neue Team von Philipp Kurashev. (Archivbild) - Godofredo A. Vásquez/AP/dpa

Ich habe mich nach dem Wechsel mit dem Headcoach der Sharks, Ryan Warsofsky, unterhalten und seinen Support gespürt. Das hat mich in meinem Entscheid bestätigt.

SLAPSHOT: Die Sharks-Legende Joe Thornton ist neu Player Development Coach & Hockey Operations Advisor. War das ein weiterer Grund für den Entscheid zugunsten der Sharks?

Kurashev: Es ist cool, dass er das macht. Ich habe ihn in der Vergangenheit einige Male in Davos getroffen. Einer wie er hilft jedem Spieler und jeder Organisation, besser zu werden.

SLAPSHOT: Sie wechseln von einem Team, das seit Jahren nicht mehr in die Playoffs gekommen ist, zu einem anderen in der jüngsten Vergangenheit erfolglosen Team. Kommen Sie vom Regen in die Traufe?

Kurashev: Ich denke es nicht. Ich war mir der Ausgangslage bewusst. Es sind viele neue Spieler bei den Sharks. Es wird eine andere Mannschaft auf dem Eis zu sehen sein. Hier ist etwas am Entstehen.

SLAPSHOT: Solche schlechten Klassierungen ermöglichen einem Team frühe Picks im Draft.

Kurashev: Man hat bei den Blackhawks gesehen, wie ihr Nummer-1-Draft Connor Bedard 2023/24 eingeschlagen hat. Ich habe genau studiert, wer im Kader der Sharks für die Saison 2025/26 steht.

Macklin Celebrini
Macklin Celebrini bei den NHL Awards 2024. - keystone

Die Sharks haben dieses Jahr den Nummer-zwei-Pick Michael Misa gedraftet, vergangenes Jahr den Nummer-eins-Pick Macklin Celebrini, der wie Bedard als 18-Jähriger bereits eine grosse Verstärkung war.

Vor einem Transfer muss man die Organisation so gut wie möglich einschätzen können. Dafür hat man auch einen Agenten (schmunzelt).

SLAPSHOT: Fällt es schwer, nach einer verpatzten Saison wie der letzten das richtige Mindset zu finden?

Kurashev: Nein, es ist für mich motivierend, am neuen Ort zu zeigen, was ich kann. Vieles, was in Chicago letzte Saison passiert ist, war nicht in meiner Kontrolle. Es ist deshalb nicht so schwierig, das hinter mir zu lassen.

SLAPSHOT: Sie wollen wieder mehr Konstanz in Ihre Leistungen bringen. Wie schaffen Sie das?

Kurashev: Schwierige Frage. Jedes Training, jedes Spiel mit 100 Prozent Fokus absolvieren. Mental gewappnet sein für Situationen, in denen dies nicht gelingt.

Nicht himmelhoch jauchzend im Erfolg sein, nicht zu Tode betrübt bei Rückschlägen. Keine Medien konsumieren. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal etwas über mich gelesen habe.

SLAPSHOT: Spätestens beim Autorisieren dieses Interviews ist es so weit.

Kurashev: Ja, zwangsläufig (schmunzelt).

SLAPSHOT: Mit dem amerikanischen Superstar Connor Bedard verbindet Sie seit Ihrer Zeit bei den Blackhawks eine besondere Freundschaft. Hat er sich nach dem Transfer bei Ihnen gemeldet?

Kurashev: Ja, er hat mir gratuliert. Er ist einer meiner besten Kollegen. Wir sind ständig in Kontakt. Wir haben in den zwei Saisons bei den Blackhawks sehr viel Zeit miteinander verbracht.

SLAPSHOT: Sie haben in der vorletzten Saison vorwiegend mit ihm in der gleichen Linie gespielt und Ihre mit Abstand besten Skorerwerte verzeichnet. Wie haben Sie von ihm profitiert?

Kurashev: Er liest das Spiel hervorragend. Er kann vor allem für die Gegner, manchmal indessen auch für die Mitspieler überraschende Pässe spielen.

NHL
Philipp Kurashev hat in der NHL für die Chicago Blackhawks 317 Spiele absolviert. - keystone

Er schiesst aus schwierigen Winkeln. Ich glaube, das Unerwartete macht einen wesentlichen Teil solcher Ausnahmekönner aus. Wir haben uns gut ergänzt.

Ich habe es genossen, mit ihm zu spielen. Wir haben regelmässig vor und nach den Trainings Extra-Shifts eingebaut und uns so hockeytechnisch gepusht und weiterentwickelt.

SLAPSHOT: Sie haben erlebt, welchen Rummel Bedard ständig über sich ergehen lassen musste. Waren Sie froh, dass Sie dadurch nicht so auf dem Radar der Medien waren?

Kurashev: Es war der Wahnsinn, was er vor den Spielen, nach den Spielen und sonst alles medial und mit Sponsoren zu bewältigen hatte.

Er hatte täglich Interviews und Fotoshootings. Man darf nicht vergessen, dass er zu Beginn erst 18-jährig war! Und dennoch war er im Kopf sehr weit, sehr reif.

SLAPSHOT: Warum lief es in der vergangenen Spielzeit den Blackhawks und Ihnen nicht?

Kurashev: Das hatte viele Gründe, die im Einzelnen schwierig zu eruieren sind. Nach einer gewissen Zeit gerieten wir in eine Negativspirale.

Die gesamte Mannschaft hatte dagegen zu kämpfen, dass der Teamspirit und das Mindset allzu negativ wurden. Das führte zu physischen Folgen wie Verkrampfung, aber auch zu mentalen Herausforderungen.

Die mentalen Aspekte einer solchen Krise sind das Schwierigste. Bei mir kam eine Handgelenkverletzung hinzu, die eine Operation erforderte.

SLAPSHOT: Wenn ein Spieler in einem NHL-Team aktiv ist, das sich nicht für die Playoffs qualifiziert, kann er dafür an der WM teilnehmen.

Kurashev: Das führt dann stets zur Frage, ob WM-Gold wichtiger ist als der Gewinn des Stanley Cup. Ich finde diese Frage nicht fair.

Um den Stanley Cup zu gewinnen, muss ein Team in 82 Spielen der Regular Season und in allen Playoffserien performen. Das ist extrem anspruchsvoll.

Philipp Kurashev SLAPSHOT
WM-Gold mit der Schweizer Nationalmannschaft ist auch eines der Ziele von Philipp Kurashev. - IMAGO / justpictures.ch

Du verbringst als Spieler eine ungleich längere Zeit mit deiner Mannschaft in der NHL als mit der Nationalmannschaft an der WM. Aber klar, wenn du nicht in den NHL-Playoffs engagiert bist, willst du WM-Gold.

Und ebenso Gold an den Olympischen Spielen. Nur ist der Gewinn aller drei Titel in derselben Saison nicht möglich.

SLAPSHOT: Die Schweiz stand nun zweimal im WM-Final und hat zweimal verloren. 2024 mussten Sie als überzähliger Spieler auf die Tribüne, dieses Jahr waren Sie wegen ihrer Handgelenkverletzung nicht im Aufgebot. Welche Emotionen hat das bei Ihnen ausgelöst?

Kurashev: Ich war richtig hässig, aber primär wegen der Niederlagen, nicht weil ich nicht auf dem Eis stand. Das war natürlich auch bitter.

Aber diese Niederlagen tun vor allem deshalb so weh, weil wir extrem nahe an der Goldmedaille waren.

Irgendwann werden wir diesen WM-Fluch besiegen! Inzwischen wissen alle, dass wir die WM gewinnen können. Nächstes Jahr im eigenen Land wäre es am schönsten.

SLAPSHOT: Im Alter von zwölf schrieben Sie einst, Ihr Ziel sei die russische Nationalmannschaft.

Kurashev: Das ist lange her. Es war mein Traum, als ich ein kleiner Junge war. Meine Eltern stammen aus Russland, da war es logisch.

Mit 14 erhielt ich den Schweizer Pass und wurde bald in die U14-Nationalmannschaft aufgeboten. Von da an war es klar, dass ich für die Schweiz spielen würde.

SLAPSHOT: Welchen Anteil an Ihrer Karriere hat Ihre Familie, speziell Ihr Vater Konstantin?

Kurashev: Einen sehr grossen. Dank meinem Vater bin ich zum Eishockey gekommen. Als ich noch nicht gehen konnte, hielt ich schon einen Eishockeystock in den Händen.

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Durch seinen Vater ist Philipp Kurashev zum Eishockey gekommen. - IMS Marketing AG / Reto Fiechter

Ich dachte schon damals den ganzen Tag nur ans Eishockey. Auch mein Onkel Sergei Zvyagin, zweifacher WM-Teilnehmer als Goalie mit Russland, hatte einen bedeutenden Einfluss auf mich.

Meine ganze Familie hat mich stets unterstützt und mich bei meinen Entscheidungen beraten. Sie ist für mich das Wichtigste überhaupt.

Über Philipp Kurashev

Geboren: 12. Oktober 1999. Grösse: 183 cm. Gewicht: 87 kg. Stock: links. NHL-Draft: 2018, Chicago Blackhawks, 120. Pick, 4. Runde. NHL-Vertrag: 2025/26 1,2 Millionen Dollar bei den San Jose Sharks

Stationen: Thun (2011/12), SC Bern (2012-2015), GCK Lions (2015/16), Québec Remparts (2016-2019, QMJHL), Rockford Ice Hogs (2019/20, AHL), Lugano (2020/21, NL). Seit 2021 in der NHL, bis 2025 bei den Chicago Blackhawks.

Seit 2025 bei den San Jose Sharks Statistik:317 NHL-Spiele (48 T, 82 A) International: A-WM 2019, 2021, 2022, 2024 (32 Sp, 3 T, 12 A) Grösster Erfolg: WM-Silber 2024.

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