Brian und Joey Daccord: «Joey hat meinen Traum übertroffen»

Frank Stettler
Frank Stettler

Brian Daccord kam einst nur auf zwei Spiele als Gottéron-Hüter, lernte hier dafür seine Frau kennen. Sohn Joey ist mittlerweile NHL-Keeper und Weltmeister.

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Joey Daccord im Trikot der USA. - IMAGO / CTK Photo

Saison 1994/95: Nach sechs Jahren in Diensten des HC Ambrì-Piotta und einer zweijährigen Pause als Assistenzcoach am Merrimack College in Massachusetts soll Brian Daccord das Tor von Gottéron hüten.

Daraus wird jedoch so gut wie nichts. «Im letzten Testspiel in Zug zog ich mir eine Verletzung zu und fiel Monate lang aus. Als ich versuchte zurückzukommen, spürte ich, dass es noch nicht gut ist.

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Joey Daccord mit Tante Ulrike Krummen, Mutter Daniela und Vater Brian (v.l.) auf Heimatbesuch in St. Antoni. - Fabian Aebischer

Ich sagte mir aber, dass ich spielen muss. Nach einem einzigen Spiel in Freiburg war fertig, ich musste mich operieren lassen», erinnert sich der heute 60-jährige Daccord. Missen möchte er die Zeit bei Gottéron dennoch nicht.

Aus gutem Grund. «Das Beste war, dass ich hier meine Frau kennengelernt habe: Daniela aus St. Antoni.» Dass es überhaupt dazu kam, habe er seinem damaligen Teamkollegen Chad Silver zu verdanken, sagt der gebürtige Kanadier.

«Chad, der ja unglücklicherweise inzwischen verstorben ist, kannte Daniela. Nach einem Essen hat er sie mir vorgestellt, auf der Schützenmatte.»

In der Heimat verwurzelt

Im Sommer waren die Daccords mit ihren beiden inzwischen erwachsenen Söhnen auf Heimatbesuch – und damit auch ein frisch gebackener Eishockey-Weltmeister: Joey Daccord.

Wie sein Vater ebenfalls ein Torhüter, gehörte der 28-jährige NHL-Keeper von den Seattle Kraken zum Team USA, das im WM-Final in Stockholm die Schweiz mit 1:0 in der Overtime geschlagen hat.

Als Joey und sein Bruder Alex noch jünger waren, sei seine Frau im Sommer immer mit den Kindern nach St. Antoni gekommen, erklärt Brian Daccord, der seinerseits in Übersee blieb, wo er Goalie-Camps organisiert.

«So haben meine Söhne Senslerdeutsch gelernt und eine sehr starke Verbindung zur Schweiz entwickelt.»

Weil das Schuljahr in den USA früher zu Ende gehe als in der Schweiz, habe sie ihre Kinder jeweils für zwei, drei Wochen in St. Antoni eingeschult, ergänzt Mutter Daniela. «Sie haben es geliebt.»

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Auch die Weltmeisterschaft hat Joey Daccord bereits gewonnen. - IMAGO / justpictures.ch

Die tiefe Verbundenheit mit seiner Freiburger Heimat – neben dem amerikanischen und dem kanadischen Pass besitzt er auch Schweizer Papiere – ist aus den Worten Joey Daccords zu spüren.

«Ich wertschätze meine Herkunft sehr. Sie ist ein wesentlicher Teil meines Lebens. Ich bin sehr glücklich, hier zu sein und dank der Familie die richtige Schweiz, nicht die touristische, zu erfahren.»

Er geniesse es sehr, Zeit mit seiner Familie zu verbringen. «Mit meinen kleinen Cousins Fabio, Livio und Cédric waren wir etwa auf dem Thunersee Wakeboarden, das hat Spass gemacht.»

Er schätze den entspannten Lebensstil hier, der so ganz anders sei als jener in den USA, wo alles schnell, schnell gehen müsse.

Die Metropole Seattle sei zwar trotz der Hochhäuser eine der naturbezogenen Städte der Staaten, aber selbstredend ganz anders als St. Antoni, schmunzelt Joey Daccord. «Seattle kannst du nicht binnen fünf Minuten durchqueren.»

Vater, Mentor, Coach

Sein Vater habe ihm viel über seine Zeit in Freiburg erzählt. «Natürlich am meisten, wie er hier meine Mutter traf, aber auch, wie grossartig die Fans sind.

Und im Keller meines Elternhauses hängt noch ein eingerahmtes Gottéron-Trikot», sagt Joey Daccord, der wie sein jüngerer Bruder auch in die Fussstapfen seines Vaters trat und den Karriereweg eines Eishockey-Torhüters einschlug.

Während Alex nicht über die College-Stufe hinauskam und heute in der Finanzwelt glücklich zu Hause sei, wie Mutter Daniela erklärt, schaffte es Joey bis in die NHL.

«Mein Vater, zugleich mein Mentor und Goaliecoach, trug so viel dazu bei. Es war das beste Szenario, um in die NHL zu kommen.»

Der Weg bis in die beste Liga der Welt war aber kein einfacher. 2015 erst in der 7. Runde von den Ottawa Senators gedraftet, gab er 2019 sein NHL-Debüt.

Nach nur einem Spiel ging es wieder zurück in die AHL und gar ECHL, dann schlug die Covid-Pandemie zu.

«Das hat meine Entwicklung abgebremst.» 2021 folgte der Trade zu Seattle, wo er sich die letzten beiden Saisons mit 50 respektive 57 Partien durchsetzen konnte.

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Das Tor der Seattle Kraken ist das Zuhause von Joey Daccord. - IMAGO / Imagn Images

«Es hat Zeit benötigt, um Fuss zu fassen. Ich möchte all die Hochs und Tiefs nicht missen, sie haben mich stärker gemacht.»

Dass sein Sohn so hart für den Erfolg gearbeitet habe, mache ihn am meisten stolz, hält Brian Daccord fest.

«Bei einigen Sportlern geht es schneller, andere haben länger. Umwege gehen zu müssen, hat sich für Joey am Ende ausbezahlt.» Es sei immer bereichernd gewesen, den eigen Sohn zu coachen.

«Ich habe ein Unternehmen, das im Jahr an sechs Orten 1000 Torhüter trainiert. Joey hatte die Möglichkeit, nicht nur mit mir, sondern mit allen Coaches zu arbeiten. Und er hatte die Chance, schon als Junior mit NHL-Goalies und -Allstars trainieren zu können.»

Die Kombination zwischen einem ständigen Austausch auf den Autofahrten zu den Trainings und die Einflüsse von vielen Coaches habe dazu geführt, dass Joey der Torhüter sei, der er heute ist.

«Gott sei Dank nicht», antwortet Brian Daccord lachend auf die Frage, ob ihn sein Sohn daran erinnere, wie er einst selbst zwischen den Pfosten stand.

Faszinierend sei gewesen, wie sich Joey auf die letzte Saison vorbereitet habe. «Er sagte mir, er wolle von ganz vorne beginnen, mit den Basics.

Also machten wir den ganzen Sommer über nur eindimensionale, sehr spezifische und einfache Übungen.»

Er habe immer gedacht, dass es lustig wäre, wenn ein gestandener Keeper in die Halle käme und ihnen zugeschaut hätte.

«Es war, was ein 10- oder 12-Jähriger tut. Aber es war das, was er wollte. Das Fundament sollte gut sein.

Es heisst nicht, dass die Übungen immer schwieriger werden müssen. Es geht nicht um Fancy Drills, sondern darum, die Dinge einfach zu halten.»

Die Schweiz im Hinterkopf

All das hat Joey Daccord einen Fünfjahresvertrag bei den Seattle Kraken ermöglicht, der ihm bis 2030 die stolze Summe von 25 Millionen Dollar einbringen wird.

Und wenn sich dereinst der Kreis schliessen und er wie sein Vater für Gottéron spielen würde? «Ich will natürlich so lange wie möglich in der NHL spielen. Das war immer mein Traum und dafür bin ich dankbar. Aber wenn es einmal zu Ende geht, würde ich es lieben, wenn schon nicht für die Schweiz, dann dafür in der Schweiz zu spielen.»

Swiss Ice Hockey habe schon früh Kontakt mit ihm aufgenommen, weil er aber weder in der Schweiz gelebt noch dort gespielt hatte, legte der internationale Eishockey-Verband sein Veto ein und Joey Daccord lief an der WM für die USA auf.

«Ich werde die Schweiz immer unterstützen, aber im Final war ich zu 100 Prozent Amerikaner», grinst er.

Dass der «halbe» Freiburger im Endspiel gegen Christoph Bertschy, Andrea Glauser und Sandro Schmid – nachdem er in der Vorrunde beim 3:0-Sieg der Schweizer gegen die USA noch das Tor gehütet hatte – seinen Platz Bostons Jeremy Swayman überlassen musste, sei aus der Sicht des Sportlers, der immer auf dem Eis stehen wolle, zwar schade gewesen, «aber es war trotzdem eine unglaubliche Erfahrung».

Schweizer Eishockey-Nati
Die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft musste sich im Finale der Weltmeisterschaft Team USA geschlagen geben. - IMAGO

Schon während Covid hatte Joey Daccord Kontakte zu Schweizer Teams. «Damals war ich aber erst ein Jahr Profi und wollte nicht schon kommen, obwohl ich ein konkretes Angebot hatte.

Es war aber nicht von Gottéron.» Wenn es nach seiner NHL-Karriere tatsächlich so weit kommen sollte, dass er noch ein, zwei Jahre in der Schweiz anhänge, dann seiner zweiten Heimat so nahe wie möglich.

«Und es gibt ja ein Team in Freiburg, das würde am meisten Sinn stiften», sagt Joey Daccord augenzwinkernd. Er fühle sich so stark mit seiner Familie verbunden, dass er es lieben würde, in der Schweiz zu spielen, sagt auch Vater Brian Daccord.

«Es ist so schwierig, in die NHL zu kommen, dass ich es immer im Hinterkopf hatte und ich dachte, dass es grossartig wäre, wenn Joey wie ich damals in der Schweiz spielen könnte.

Das war immer ein Traum von mir. Er war aber so sehr entschlossen, hat die NHL geschafft und meinen Traum übertroffen.»

Gottéron muss warten

NHL-Keeper und Weltmeister Joey Daccord dank seiner Mutter aus St. Antoni wie einst Vater Brian im Dress von Gottéron?

Es wäre beinahe schon eine Geschichte wie aus einem Kitschroman. Wird sie Realität? Nicht ausgeschlossen. Klar ist, dass sie noch nicht heute oder morgen geschrieben wird.

«Zunächst will ich mit Seattle zurück in die Playoffs kommen und dann den Stanley Cup gewinnen», sagt Joey Daccord. «Der erste Schritt ist, sich in der NHL zu etablieren. Der zweite, alles zu gewinnen.»

Über Joey Daccord

Am 19. August 1996 in North Andover, Massachusetts geboren, wurde Joey Daccord 2015 von den Ottawa Senators gedraftet.

Nach drei Jahren an der Arizona State University gab er in der Saison 2018/19 sein NHL-Debüt. 2021 folgte der Wechsel zu den Seattle Kraken.

Meist in der AHL eingesetzt, folgte in der Saison 2023/24 mit 50 NHL-Partien der Durchbruch. Mit den USA wurde er im Mai Weltmeister. Daccord bestritt dabei drei Spiele.

Über Brian Daccord

Am 18. August 1964 in Montréal geboren, wechselte Brian Daccord 1986 vom Merrimack College in North Andover, Massachusetts, zu AmbrÌ-Piotta.

In der Saison 1994/95 steht der Torhüter in Diensten von Gottéron, kommt aber verletzungsbedingt nur auf zwei Spiele.

Nach seiner Spielerkarriere baut Daccord eine Firma auf, die Goalie-Camps organisiert. Zugleich fungiert er unter anderem als Goalie-Coach und -Consultant bei den Adlern Mannheim, den Boston Bruins, den Toronto Maple Leafs und den Arizona Coyotes.

Seit drei Jahren wirkt Daccord nun als Goalie-Coach an der Boston University.

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