NHL-Analyse: Diese 12 Schweizer versuchen sich in der NHL
Die Schweiz startet bei den Profis mit zwölf Söldnern in der besten Liga der Welt in die neue Saison. Thomas Roost nimmt eine Analyse der Schweizer Profis vor.
Im Vergleich zu den Vorjahren ist dies eine leicht negative Tendenz, denn vor nicht allzu langer Zeit hatten wir 12 oder 13 mehr oder weniger sichere Fixstarter.
In dieser Kategorie schaffen wir es zur Zeit immerhin noch, die anderen «kleinen» Nationen (Slowakei, Deutschland, Lettland, Dänemark, Norwegen, Österreich et cetera) hinter uns zu lassen.
Bei den europäischen Topnationen werden mehr als 70 Schweden und mehr als 40 Finnen in der neuen Saison mit Stammplatz in der NHL erwartet.
Die aus Schweizer Sicht attraktivste Franchise sind die New Jersey Devils – mit Center Nico Hischier, Flügelstürmer Timo Meier und Shutdown-Defender Jonas Siegenthaler finden sich drei Eidgenossen im Roster der jungen, tendenziell aufstrebenden Franchise aus dem «Garden State».
Die Dallas Stars mit Lian Bichsel, die Winnipeg Jets mit Nino Niederreiter, die LA Kings mit Kevin Fiala, die Vegas Golden Knights mit Akira Schmid und die erwähnten New Jersey Devils gehören alle zum Kreis der Favoriten auf einen Playoff-Platz.
Dies gilt nur bedingt für die St. Louis Blues mit Pius Suter und schon gar nicht für Philipp Kurashevs San Jose Sharks. Nachfolgend eine Übersicht mit den Erwartungen für die einzelnen Schweizer Spieler.
Lian Bichsel (21) Verteidiger, Dallas Stars
Bichsels grösste Stärke ist seine physische Präsenz (200 cm, 105 kg). Seine Grösse und seine Spannweite sind ein Alptraum für seine Gegner. In 38 Spielen produzierte er 155 Bodychecks.
Er nutzt seine grosse Reichweite, um gegnerische Passlinien zu unterbinden und seine Physis in der eigenen Zone, um gegnerischen Powerforwards das Leben schwer zu machen. Dies alles, ohne dabei schwerfällig zu wirken.
Bichsel ist für seine Grösse mobil, skatet gut und ist für das Böse in der Defense der Dallas Stars zuständig. Im Bereich Stickhandling hat er noch Defizite, respektive zeigt er noch unbeständige Leistungen, aber er ist mehr als «nur» ein «Stay at home Defender».
Mit 21 Jahren steht er vor dem definitiven Durchbruch bei den Dallas Stars. Die Trennung von erfahrenen Spielern wie Cody Ceci, Matt Dumba und Brendan Smith öffnet ihm Türen für mehr Eiszeit. Ich erwarte circa 17 Minuten Eiszeit pro Spiel für ihn und eine prominente Rolle als Penalty-Killer.
Leon Muggli (19) Verteidiger, Washington Capitals
Mit «einer Tasse Kaffee» hat Leon Muggli bereits in der letzten Saison bei den Hershey Bears in der AHL geschnuppert. Ich denke, dass dies in der neuen Saison seine grossmehrheitliche Destination sein wird.
Seine letztjährigen Statistiken haben nicht gerade aufhorchen lassen, aber seine Eiszeiten lassen darauf schliessen, dass er «overall» gereift und noch immer auf dem Weg zum soliden Zwei-Weg-Verteidiger ist.
Die ultra-steile Entwicklung in seinem Draftjahr konnte er in der letzten Saison nicht aufrechterhalten, aber dies war auch nicht zu erwarten. Ich glaube, dass er in der kommenden Saison eine unauffällige, solide Leistung bei den Hershey Bears abliefern wird.
Zurück zum «cup of coffee»: Ist dies in dieser Saison bei den Washington Capitals zu erwarten? Ich denke eher nein, es ist zu früh.
Nico Hischier (26) Stürmer, New Jersey Devils
Der Captain von New Jersey liefert weiterhin zuverlässige Ergebnisse und erzielte in der vergangenen Saison mit 35 Toren einen neuen Karriere-Bestwert.
Somit hat Hischier als zuverlässiger Zwei-Weg-Center mehr Tore in einer Saison erzielt, als es Pavel Datsyuk oder Peter Forsberg, zwei Meister ihres Fachs, als Zwei-Weg-Center je getan haben.
Mit 20:23 Minuten Eiszeit pro Spiel hat er auch diesbezüglich einen neuen Karriere-Bestwert aufgestellt. Er belegte den vierten Platz bei der Selke-Wahl und erreichte damit zum zweiten Mal in den letzten drei Saisons einen Platz unter den ersten Fünf.
Nico Hischer bringt die Referenz eines Top-Zwei-Weg-Centers mit und für diese Bewertung helfen auch seine sehr guten Werte bei Faceoffs.
In den letzten drei Spielzeiten hat Hischier mehr als 4800 Faceoffs bestritten und liegt damit in der NHL an zweiter Stelle hinter Sidney Crosby (5500).
Er hat 55,3% dieser Faceoffs gewonnen und belegt damit Platz 18 von 88 Centern, die in dieser Zeit zu mindestens 2000 Faceoffs angetreten sind.
Der Walliser ist im besten Eishockeyalter angekommen und darum traue ich ihm eine weitere Steigerung auf dem Scoresheet zu. Ein Durchschnitt von einem Punkt pro Spiel liegt in seiner Reichweite.
Pius Suter (29) Stürmer, St. Louis Blues
Er ist ein wertvoller Zwei-Weg-Center. Ein Spieler wie Suter ist der Beweis dafür, dass man nicht immer den Puck am Stock haben muss, um effektiv zu sein. Sein Spiel ohne Scheibe ist erstklassig.
Er schiesst nicht besonders oft, aber wenn er schiesst, dann schnell und direkt. Zudem geht er sehr oft erfolgreich auf den Rebound. Er ist defensiv sehr verantwortungsbewusst, und das macht ihn zu einem Spieler, den man sehr flexibel im «Lineup» einsetzen kann.
Ich denke, dass die Blues einen sehr guten Spieler verpflichtet haben; auf jeden Fall müssen sie sich keine Sorgen mehr machen hinsichtlich der Besetzung der dritten Centerposition.
Es gibt stocktechnisch talentiertere Spieler als Suter, aber wenn er mit solchen Linemates ergänzt wird, dann macht er sie mit seiner smarten Spielweise defensiv besser, als sie grundsätzlich sind.
Ich denke, er wird den St. Louis Blues unspektakulär Freude bereiten, ich erwarte etwas über 0,40 Skorerpunkte pro Spiel von ihm. Dies mit wechselnden Positionen im Lineup.
Philipp Kurashev (25) Stürmer, San Jose Sharks
Nach einer herausragenden Saison 2023/24, in der er mit dem Jungstar Connor Bedard gut harmonierte und 54 Punkte (18 Tore, 36 Vorlagen) für die Chicago Blackhawks erzielte, brach Philipp Kurashev in der letzten Saison auf nur 14 Punkte (7 Tore, 7 Vorlagen) ein.
Er verpasste zwar 31 Spiele, aber auch seine Eiszeit wurde drastisch gekürzt, sie fiel von 19 Minuten auf knapp 14 Minuten Minuten pro Spiel.
Kurashev hat ziemlich guten Hockeysense, vor allem in der Offensive verfügt er über ein gutes Gespür für das Positionsspiel und sein Skill-Level ist auch ganz ok.
Zulegen sollte er noch im Bereich Dynamik, Battle-Level und positive Aggressivität. Nach 0,72 Skorerpunkten fiel seine Quote in der letzten Saison auf 0,27. Bei den Sharks traue ich ihm eine Steigerung auf circa 0,40 Punkte zu.
Timo Meier (29) Stürmer, New Jersey Devils
Er ist ein appenzellisches Kraftpaket, welches betreffend physischer Stärke an Beat Forster erinnert. Er ist die Schweizer Antwort auf die vielen nordamerikanischen Powerforwards.
Ein kraftvoller Flügel, der viele Checks austeilt (mindestens 140 pro Saison). Er gewinnt viele Duelle entlang der Bande, kreiert auch dadurch viele Torchancen und – untypisch für einen Europäer – er wählt sehr oft die Schussoption.
Ich denke, dass er in der letzten Saison etwas unter Wert gespielt hat. Meine These wird von analytischen Daten gestützt.
Vor allem die bescheidenen 9,15 Prozent erfolgreicher Schüsse ist eine Zahl, die sich in aller Regel durch die sogenannte Regression hin zur Mitte in einen zweistelligen Bereich verbessern wird.
Verbesserungspotenzial gibt es im Bereich seines Positionsspiels in der Angriffszone. Er muss versuchen, sich noch mehr so genannt «open» zu positionieren. Ich erwarte von ihm 30 Tore und im Durchschnitt 0,75 Skorerpunkte.
Kevin Fiala (29) Stürmer, Los Angeles Kings
Fiala für Brock Faber war einer dieser Trades, die für beide Teams gut funktioniert haben.
Fiala lag mit Adrian Kempe mit 35 Toren gleichauf an der Spitze der Kings, und obwohl diese Marke einen neuen Karriere-Höchstwert darstellte, sank seine Punkteproduktion im Vergleich zu seinen beiden vorherigen Saisons in LA etwas, in denen er mehr als 70 Punkte realisierte.
Die Entwicklung Fialas zu einem Torjäger trug dazu bei, dass die Kings in der Offensive deutlich gefährlicher wurden. Fiala bringt im Vergleich zu vielen Schweizer Spielern eine positive Frechheit, Mut und viel Selbstvertrauen aufs Eis.
Er ist kein besonders systemtreuer Spieler; dies ist aber nicht wertend gemeint, denn es hat ähnlich viele Vor-, wie auch Nachteile. Ich denke, dass er ungefähr 0,80 Punkte pro Spiel produzieren wird und dies bei einer ähnlichen Torausbeute (35) wie in der letzten Saison.
Nino Niederreiter (33) Stürmer, Winnipeg Jets
Er ist ein robuster Zwei-Weg-Flügelstürmer, der seinen richtigen Platz in der Aufstellung gefunden zu haben scheint und als «Winger» in der dritten Reihe hervorragende Zwei-Weg-Qualitäten zeigt.
In den letzten Spielzeiten haben die Jets mit Niederreiter auf dem Eis im Fünf-gegen-Fünf 95:68 Tore erzielt, dies ist ein eindrücklicher Wert. Als physisch starker Flügel gewinnt der Bündner viele Zweikämpfe an der Bande, was seinen Statistiken zugute kommt.
Aber er ist auch ein cleverer Positionsspieler im Angriffsdrittel und sein Spiel mit dem Puck hinter dem Tor hat sich in den letzten Jahren spürbar verbessert. Nino Niederreiter bringt eine positive Aggressivität, hohe Intensität und viel Kampfkraft aufs Eis.
Er wird auch als Typ allerorts geschätzt und zeigt Vorbildcharakter. Auch im Powerplay steht er seinen Mann und findet sich oft in Positionen wieder, in denen er so genannte «dirty goals» erzielen kann. Ich erwarte von ihm erneut mindestens 20 Tore und ungefähr 0,45 Skorerpunkte pro Spiel.
Janis Jérôme Moser (25) Verteidiger, Tampa Bay Lightning
Er kam im Juni 2024 im Rahmen eines Blockbuster-Trades, bei dem Mikhail Sergachev nach Utah wechselte, vom Utah Hockey Club (ehemals Arizona Coyotes) zu den Tampa Bay Lightning.
JJ ist mit einer Grösse von 1,85 m und einem Gewicht von 84 kg ein vielseitiger Zwei-Weg-Verteidiger und für seine Gelassenheit und Zuverlässigkeit bekannt. Eine seiner grossen Stärken ist, dass er viele gegnerische Zoneneintritte verhindern kann.
Dies dank seiner guten Gap-Control und einem smarten Positionsspiel. Er trifft oft intelligente, risikoarme Entscheidungen mit dem Puck, er hat zudem erstaunliche Qualitäten als Shutdown-Defender.
Sein Skating ist gut, mit überdurchschnittlicher Mobilität. JJ Moser spielt nicht sehr körperbetont, gewinnt aber trotzdem viele Puck-Duelle, dank seiner Fähigkeit, Aktionen antizipieren zu können.
Unter Druck besticht er durch Ruhe und Gelassenheit. In der Offensive hat er noch Steigerungspotenzial. Die Schusskraft ist eher bescheiden und bei seinen offensiven Aktionen fehlt ihm manchmal die letzte Entschlossenheit.
Alles in allem hat er sich bei Tampa bereits als Top-4-Verteidiger etabliert und ich erwarte auch in der neuen Saison mehr als 20 Minuten Eiszeit und circa 0,30 Skorerpunkte pro Spiel.
Akira Schmid (25) Goalie, Vegas Golden Knights
Mit einer Grösse von 1,96 m deckt der Langnauer einen Grossteil des Tores ab und ist eine imposante Erscheinung.
Schmid spielt einen gelassenen Stil, der sich für Situationen mit hohem Druck eignet, wie seine Leistungen in den Playoffs mit den New Jersey Devils im Jahr 2023 zeigen (4:1-Bilanz, zwei Shutouts, 95,1 Prozent gehaltene Schüsse in fünf Spielen).
Er hat gezeigt, dass er in kritischen Momenten zur Höchstform auflaufen kann. Mit 25 Jahren befindet sich Schmid noch in der Entwicklung. Verbessern muss er seine Rebound-Kontrolle, zudem ist er auf der Fanghandseite anfällig auf hohe Schüsse.
Auch die laterale Schnelligkeit gehört noch zu seinen Baustellen, wie auch die Leistungskonstanz. Aber insgesamt ist er ein hoch interessantes Goalie-Projekt.
Akira Schmid hat in dieser Saison nach dem Abgang von Ilya Samsonov die grosse Chance, sich als Nr. 2 hinter Adin Hill zu etablieren. Die kommende Saison wird wegweisend sein für die weitere Karriere von Akira Schmid.
Falls er mit konstant guten Leistungen aufwartet, winkt ihm mindestens eine NHL-Karriere als solide Nr. 2. Falls nicht, liegt seine Zukunft in der AHL oder in der Schweiz. Ich erwarte 20 Spiele bei Vegas und erhoffe mir dabei eine Save-Percentage von über 90 Prozent.
Roman Josi (35) Verteidiger, Nashville Predators
Eine Gehirnerschütterung beendete Roman Josis Saison vorzeitig, aber es wird erwartet, dass er nach der beängstigenden Diagnose des posturalen orthostatischen Tachykardiesyndrom ohne Beschwerden spielen kann.
Alle Neuigkeiten zu seinem Zustand in diesem Sommer waren positiv, was eine gute Nachricht ist, da der zukünftige «Hall of Famer» in diesem Jahr die 1000-Spiele-Marke erreichen dürfte.
Seine offensive Wirkung hat auch darunter etwas gelitten, dass weder Ekholm, noch Carrier und/oder auch Fabbro an seiner Seite abgesichert haben. Der bestgeeignete Defender-Partner wurde noch nicht gefunden.
Es ist nicht nur für Josi, sondern für das ganze Nasvhille-Team entscheidend, dass in der neuen Saison Nic Hague oder Nick Perbix diese erwähnte Position mit gutem Erfolg übernehmen kann.
So oder so denke ich, dass Roman Josi seine letzte Punkteausbeute von 0,72 auf 0,82 steigern wird.
Jonas Siegenthaler (28) Verteidiger, New Jersey Devils
Er ist ein prototypischer Shutdown-Verteidiger, der mit seiner Grösse (189 cm) und Physis (99 kg) die Bandenkämpfe dominiert und das Tor schützt.
Er wurde 2021 von den New Jersey Devils im Rahmen eines Trades vor Ablauf der Frist für einen bedingten Pick in der dritten Runde (ursprünglich aus dem Taylor-Hall-Transfer mit Arizona) verpflichtet, was sich als einer der besten Trades der Devils-Franchise erwiesen hat.
Siegenthaler gilt weithin als einer der besten Shutdown-Verteidiger der NHL, der in der Lage ist, die besten Stürmer des Gegners zu neutralisieren.
Trotz seiner Statur ist Siegenthaler ein guter Schlittschuhläufer mit guter Gap-Kontrolle und der Fähigkeit, den Puck aus der Verteidigungszone zu tragen. Verbessern muss er die Schussqualität; seinem Schuss mangelt es an Power und Schnelligkeit.
Jüngst neigte er auch etwas zu Verletzungsanfälligkeit. Ich hoffe, dass dies vor allem Pech zuzuschreiben ist.
Meine Erwartung ist ein Saisonstart an der Seite von Dougie Hamilton mit gut 18 Minuten Eiszeit. Skorerpunktemässig wird er sich kaum gross steigern. Diese Punkte gehören nicht auf seine Visitenkarte.
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Zum Autor: Thomas Roost ist seit 1995 NHL-Scout für den zur NHL gehörenden Central Scouting Service und seit 2010 Scout für den EHC Biel und seit 2024 Sportchef beim EHC Olten.
Hauptberuflich war er 25 Jahre CHRO und Mitglied der Konzernleitung in einer internationalen Touristikfirma mit weltweit 1500 Mitarbeitenden und berät heute als Consultant Eishockeyspieler, mit dem Ziel, dass sie ihr Potenzial während und nach ihrer sportlichen Karriere voll ausschöpfen können.
