Antworten des Gemeinderats auf die dringlichen Vorstösse für die SR Sitzung vom 31.01.2019

Stadt Bern
Stadt Bern

Bern,

Dringliche Interfraktionelle Motion GB/JA!, SP/JUSO, AL/GaP/PdA (Franziska Grossenbacher, GB/Timur Akçasayar, SP/Tabea Rai, AL/Luzius Theiler GAP)

Verwaltung (Symbolbild)
Verwaltung (Symbolbild) - Der Bundesrat

Keine Buebetrickli bei den verkehrsintensiven Vorhaben (ViV) – gegen eine Erhöhung der Fahrtenzahl für das Einkaufszentrum Westside

Der Kanton Bern führt bis am 28. November eine Mitwirkung zur Richtplananpassung '18 durch.

Dabei schlägt er Änderungen am Massnahmenblatt B_01 vor «Verkehrsintensive Vorhaben: Verkehr, Siedlung und Umwelt abstimmen». Für den Standort Bern Brünnen (Einkaufszentrum Westside) soll die bewilligte Fahrtenzahl von 6000 auf 8000 Fahrten DTV (durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke in Auto/24h) erhöht werden. Diese Anpassung wird im Erläuterungsbericht wie folgt begründet: Aufgrund fortwährender Überschreitung des geltenden Fahrtenkontingentes seien verschiedene Massnahmen geprüft worden. Dennoch werde das Kontingent mit rund 7600 Fahrten DTV permanent überschritten. Deshalb habe das Controlling-Organ im September 2017 beschlossen, die Erhöhung der zulässigen Fahrtenzahl in die Wege zu leiten.

Dies bedingt einerseits die Anpassung des betreffenden Massnahmenblattes im Richtplan. Da es sich bei der Erhöhung der Fahrtenzahl um eine wesentliche Änderung der Vorgaben eines ViV handelt, muss diese in einem Baugesuch bei der zuständigen Baubewilligungsbehörde beantragt werden Die konstante Überschreitung der bewilligten Fahrtenzahl ist insofern erstaunlich, als dass die Geschäfte im Westside laut Medienberichterstattungen nicht florieren, was auch die häufigen Wechsel belegen. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parkplätze nicht nur von den Gästen des Westsides benutzt werden, sondern auch als Park + Ride genutzt werden. Grundsätzlich ist das Konzept des Park+Rides zu begrüssen. Doch für diesen Zweck wurden die Parkplätze im Westside nicht bewilligt und die Parkgebühren im Westside sind bis zu einer Parkdauer von 0 Stunden massiv tiefer als im Park + Ride Neufeld. So bezahlt man im Westside für 3 Stunden 0.6 Franken gegenüber 6 Franken im Neufeld, für 6 Stunden 5 gegenüber 12.

Die vom Kanton vorgeschlagene Anpassung im Richtplan stellt eine Kapitulationserklärung an das Instrument der Fahrtenzahl-Festlegung dar. Die Fahrtenzahl ist bei einem ViV ein zentrales Element des Gesamtbauentscheides. Die Motionäre befürchten, dass mit der Erhöhung der Fahrtenzahl für das ViV Westside ein Präzedenzfall geschaffen wird und die Wirkung des Instrumentes geschwächt wird. Die Erhöhung der Fahrtenzahl für das Einkaufszentrum Westside widerspricht zudem den städtischen Mobilitätszielen. Sowohl im STEK 2016 wie auch im Parkierungskonzept, welches unlängst in Mitwirkung war, postuliert der Gemeinderat als wichtiges Ziel, die Anzahl Parkplätze auf dem Gemeindegebiet zu reduzieren und den MIV konsequent auf öV und Langsamverkehr zu verlagern.

Der Gemeinderat wird deshalb aufgefordert:

1. Sich im Rahmen der Mitwirkung zu den Richtplananpassungen gegen eine Erhöhung der Fahrtenzahl für das Westside von 6000 auf 8000 DTV auszusprechen.

2. Als zuständige Baubewilligungsbehörde ein entsprechendes Baugesuch nicht zu bewilligen.

3. Zusammen mit dem Controlling-Organ zu eruieren, wie die Parkplätze im Westside genutzt werden.

4. Zusammen mit dem Controlling-Organ wirksame Massnahmen zur Reduktion der Fahrtenzahl auszuarbeiten, insbesondere eine substantielle Erhöhung der Parkgebühren.

Begründung der Dringlichkeit

Die Mitwirkung zur Anpassung des kantonalen Richtplans dauert bis am 28. November 2018. Die Baubewilligung für die Erhöhung der Fahrtenzahl ist im ersten Quartal 2019 zu erwarten.

Erstunterzeichnende: Franziska Grossenbacher, Timur Akçasayar, Tabea Rai, Luzius Theiler

Mitunterzeichnende: Regula Tschanz, Benno Frauchiger, Bernadette Häfliger, Zora Schneider, Angela Falk, Rahel Ruch, Devrim Abbasoglu-Akturan, Ingrid Kissling-Näf, Ladina Kirchen Abegg, Lea Bill, Katharina Gallizzi, Ursina Anderegg, Eva Krattiger, Seraina Patzen, Michael Sutter, Lena Sorg, Barbara Nyffeler, Edith Siegenthaler, Laura Binz, Marieke Kruit, Bettina Stüssi, Katharina Altas, Yasemin Cevik, Peter Marbet, Nadja Kehrli-Feldmann, Mohamed Abdirahim, Lisa Witzig, Ayse Turgul

Antwort des Gemeinderats

Der Inhalt der vorliegenden Motion betrifft inhaltlich einen Bereich, der in der gemeinderätlichen Zuständigkeit liegt. Es kommt ihr der Charakter einer Richtlinie zu. Sollte die Motion erheblich erklärt werden, ist sie für den Gemeinderat nicht bindend. Er hat bei Richtlinienmotionen einen relativ grossen Spielraum hinsichtlich des Grads der Zielerreichung, der einzusetzenden Mittel und der weiteren Modalitäten bei der Erfüllung des Auftrags, und die Entscheidverantwortung bleibt bei ihm.

Für die Umsetzung der Motionsforderungen ist der Gemeinderat zuständig:

- Der Gemeinderat ist für die Mitwirkungseingabe der Stadt Bern zum Richtplan’18 zuständig. Er vertritt die Stadt gegenüber dem Kanton im Richtplanprozess. Die Motionäre konnten sich aber natürlich auch direkt einbringen – die Mitwirkung zum Richtplan stand allen Interessierten offen.

- Gemäss dem kantonalen Baugesetz vom 9. Juni 1985 (BauG, BSG 721.0), Artikel 33 Absatz 4 BauG, ist der Gemeinderat Baubewilligungsbehörde, sofern diese Kompetenz nicht an ein anderes Organ in einem Gemeindereglement delegiert ist. Eine solche Delegation an den Stadtrat gibt es nicht. In Artikel 18 Absatz 5 der städtischen Verordnung über die Organisation der Stadtverwaltung vom 27. Februar 2001 (OV, SSSB 152.01) wird dann auch der Direktor der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie als zuständige Baubewilligungsbehörde bezeichnet. Er ist damit zuständig für das allfällige Baugesuch der Migros Aare Genossenschaft wie auch als Vollzugsbehörde für das bestehende Fahrtencontrolling

Zu Punkt 1:

Der Richtplan und der Gesamtbauentscheid des Westside aus dem Jahr 2003 legen ein Fahrtenkontingent von 6 000 Fahrten durchschnittlicher Tagesverkehr (DTV) fest. Im ersten Jahr konnte die Migros als Eigentümerin das Kontingent einhalten, danach nicht mehr. Die gemessene Fahrtenzahl betrug in den vergangenen drei Jahren rund 7 600 DTV1. Die Migros setzte bereits zahlreiche Massnahmen um (z. B. Anpassung Gebührenmodell, Reduktion der Öffnungszeiten des Parkings). Mit diesen Massnahmen konnte sie die Fahrten zwar plafonieren, nicht jedoch reduzieren. Der Kanton Bern schlägt vor, das Fahrtenkontingent auf 8 000 DTV zu erhöhen. Dies entspricht einer Anpassung an die effektiven Fahrten mit einer kleinen Reserve. Das heisst, dass Mehrverkehr aufgrund künftiger Ausbauvorhaben oder Nutzungsänderungen primär vom öffentlichen Verkehr aufgenommen werden muss. Der Richtplan ist für die Entwicklung der nächsten 10 bis 15 Jahre ausgelegt. Der ÖV-Anteil der Besucherinnen und Besucher beträgt zusammen mit dem Fuss- und Veloverkehr 37 %. Dieser Wert ist im Vergleich zu anderen Einkaufszentren hoch und der guten ÖV-Erschliessung zu verdanken.

Die Migros weist in ihrem Verkehrsgutachten nach, dass auch 8 000 Fahrten DTV die Grenzwerte des Lärmschutzes und der Lufthygiene einhalten und keine Staus verursachen. Auch die städtischen Fachstellen (Verkehrsplanung, Stadtplanung sowie das Amt für Umweltschutz) haben der Erhöhung der Fahrten auf 8 000 DTV als Richtwert zugestimmt.

Der Gemeinderat hat sich im Rahmen der Richtplananpassung ‘18 daher nicht gegen die vom Kanton vorgeschlagene Erhöhung auf 8 000 Fahrten DTV ausgesprochen.

Zu Punkt 2:

Damit das Fahrtenkontingent tatsächlich erhöht wird, muss die Erhöhung zusätzlich in einem Baubewilligungsverfahren bestätigt werden. Im Baubewilligungsverfahren ist dann konkret zu prüfen, ob die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Ein entsprechendes Baugesuch ist noch nicht eingegangen.

Zu Punkt 3:

Bezüglich der konkreten Nutzung der Parkplätze liegen dem Controllingorgan bereits recht detaillierte Angaben vor. Daraus kann entnommen werden, dass das Parking aufgrund der stark progressiv ansteigenden Preise seit der 2014 vorgenommenen Preiserhöhung heute nicht mehr als Park & Ride genutzt wird.

Zu Punkt 4:

Solange nicht mit einem rechtskräftigen Bauentscheid die Fahrten erhöht wurden, wird das bestehende Controlling gemäss dem ursprünglichen Bauentscheid weitergeführt werden.

In diesem Rahmen wurde die Betreiberin, die Migros Aare Genossenschaft, vom Bauinspektorat aufgefordert, weitere Massnahmen zu treffen um die Fahrten zu reduzieren. Die Migros Aare wird die Parkgebühren auf den 1. April 2019 nochmals erhöhen. In den ersten 3 Stunden um 100 % und in der 4. Stunde um 50 %. Damit sind die Gebühren zwar im Vergleich mit Parkhäusern in der Innenstadt immer noch tief aber doch vergleichbar mit anderen Einkaufszentren, wie z.B. das Shoppyland Schönbühl. Im Rahmen des Controllings ist die Entwicklung nach dieser Gebührenerhöhung zu beobachten. Sollten die Fahrten nicht rückläufig sein, werden weitere Massnahmen zu prüfen sein. Aktuelle Daten zeigen aber, dass die Fahrten zurzeit bereits tendenziell rückläufig sind.

Folgen für das Personal und die Finanzen

Keine.

Antrag

1. Der Gemeinderat beantragt dem Stadtrat, die Motion abzulehnen; er ist jedoch bereit, den Vorstoss als Postulat entgegenzunehmen.

2. Die Antwort gilt in diesem Fall gleichzeitig als Prüfungsbericht.

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