Wahlen: «Smartvote» ringt um Antworten von Regierungsräten

Immer mehr Regierungsratsmitglieder verweigern das Ausfüllen von «Smartvote»-Fragebögen vor Wahlen. Sie argumentieren, das verletze das Kollegialitätsprinzip.

Regierungsrat Martin Neukom, Regierungsrätin Jacqueline Fehr und Regierungsrat Mario Fehr (alle aus Zürich) im Oktober 2022. Im Vorfeld der kantonalen Wahlen haben sie nicht beim Ausfüllen der Smartvote-Fragebögen mitgemacht. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor Wahlen können Politiker auf «Smartvote» Fragen beantworten.
  • Mit dem so erstellten Profil können sich Wählende ein Bild der Kandidierenden verschaffen.
  • Nun weigern sich vermehrt Regierungsräte, mitzumachen – wegen des Kollegialitätsprinzips.

Wer politisch interessiert ist, kommt an «Smartvote» nicht vorbei. Die Plattform sorgt seit bald 20 Jahren für mehr Transparenz in der Schweizer Politik: Wählende und Kandidierende für Wahlen können Fragebögen ausfüllen, die ihre politische Ausrichtung klarstellen sollen. Mit diesem Polit-Tinder wissen Herr und Frau Schweizer, wer am ehesten ihre Werte und Ansichten vertreten könnte.

Smartvote dient als Hilfe für Wahlen auf kantonaler und nationaler Ebene. - Keystone

Smartvote steht aber seit ein paar Jahren vor einem Problem: Amtierende Regierungsratsmitglieder in den Kantonen verweigern vermehrt das Ausfüllen der Fragebögen. So zum Beispiel im Kanton Bern, vor den Wahlen im vergangenen März. Das lokale Online-Medium «Hauptstadt» berichtete, die amtierenden Exekutivmitglieder hätten auf Kollegialitätsprinzip und Amtsgeheimnis verwiesen.

Sich ausbreitendes «Phänomen»

Die Berner Magistratinnen und Magistraten sind hier nicht alleine, wie Michael Erne von Smartvote beschreibt. «In den letzten Jahren hat sich das Phänomen etwas ausgebreitet», sagt Erne. Vor mehreren kantonalen Wahlen habe Smartvote Absagen erhalten: Schwyz, Zug, Obwalden, Basel-Stadt, Waadt und nun auch in Zürich. In Basel-Landschaft hätten nur die bürgerlichen Regierungsratsmitglieder verzichtet.

Einen Röstigraben gibt es nicht. In Graubünden, Freiburg, Solothurn, Neuenburg, Uri, Thurgau, St.Gallen und im Jura machten die Regierungsratsmitglieder mit, hebt Erne hervor.

Gemäss einer Untersuchung aber wären die Smartvote-Fragen und das Kollegialitätsprinzip sowie die Wahrung des Amtsgeheimnisses miteinander vereinbar. Rechtsanwalt Micha Herzog und Student Damian Wyss von der Universität St.Gallen haben das gegenüber der «Hauptstadt» bestätigt. Die meisten Fragen hätten die Berner Regierungsratsmitglieder problemlos beantworten können.

Wenn es sich um kurz bevorstehende oder gerade abgeschlossene Geschäfte der Regierung handle, sei es aber tatsächlich heikel. Die Gefahr bestehe, mit der eigenen Meinung den Regierungsrat zu schwächen – indem der kollektive Entscheid nicht vertreten werde.

Fragebögen anpassen nicht möglich

Könnten die zur Wiederwahl stehenden Politikerinnen und Politiker also einfach ein paar Fragen auslassen? Nein, sagt Michael Erne von Smartvote. «Kandidierende müssen alle Fragen beantworten. Sie können aber ihre Antworten mit einem Textkommentar versehen», so der Forscher. Und damit die Antwort als Position ihres Gremiums kennzeichnen.

Fragen von Smartvote für eine Wahlempfehlung im Rahmen der Regierungratswahlen des Kantons Zug. Auch hier haben sich die amtierenden Mitglieder der kantonalen Exekutive geweigert, diese Fragen zu beantworten. - Screenshot Smartvote

Allgemein sei es keine Option für Smartvote, die Fragebögen abzuändern: Die Plattform wolle interessante und wichtige kantonale Anliegen abdecken, sagt Projektleiter Erne. «Allenfalls ist es möglich, bei der Formulierung etwas sensibler vorzugehen», fügt er noch hinzu. Ob dies das Problem entschärfen würde, sei aber unklar.

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Für die Regierungsratsmitglieder entstünden wohl keine Nachteile, wenn sie die Fragebögen nicht ausfüllen. Alle «Bisherigen» hätten die Wahlen ohne grossen Schwierigkeiten geschafft, sagt Erne. Nachteile gibt es eher aus der Sicht der Wählenden, die keinen «transparenten Überblick» mehr hätten. Aus Sicht von Smartvote sei es «natürlich sehr schade», diesen Service nicht anbieten zu können.