«USA würden Zweifrontenkrieg mit China und Russland verlieren»

Ex-US-Aussenminister Henry Kissinger warnt vor einem Krieg zwischen den USA und Russland und China. USA-Experten sehen ebenfalls grosses Konfliktpotenzial.

Ein Schiff der US-Marine im Südchinesischen Meer. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die USA stehe «am Rande eines Krieges» mit China, so Ex-US-Aussenminister Kissinger.
  • Auch ein USA-Experte schliesst eine militärische Konfrontation nicht mehr aus.

Zwischen Ukraine-Krieg und der Taiwan-Krise ist die weltpolitische Lage derzeit extrem unsicher. Das sieht auch der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger so. Die USA stehe «am Rande eines Krieges» mit Russland und China, erklärte er im Interview mit dem «Wall Street Journal».

Diese Warnung Kissingers erfolgt nur wenige Tage nach dem Besuch von Nancy Pelosi, der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses in Taiwan. Dieser hatte die Spannungen zwischen China und den USA weiter angeheizt.

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Josef Braml bezeichnet den Besuch Pelosis in Taipeh als «symbolisch, gleichwohl aussenpolitisch brandgefährlich.» Der USA-Experte ist Autor des Buches «Die transatlantische Illusion», das beim Verlag C. H. Beck erschienen ist. Ausserdem betreibt er einen Blog.

Konfrontation zwischen USA und China nicht ausgeschlossen

Gemäss Braml «schliessen amerikanische Nachrichtendienste mittlerweile eine ‹heisse›, sprich militärische Konfrontation mit China nicht mehr aus.»

Das ist gefährliches Terrain für die Regierung in Washington. Braml warnt: «Bereits heute wären die USA nicht mehr in der Lage, einen Zweifrontenkrieg gegen Russland in Europa und gegen China in Asien, zu gewinnen.»

Ein Bündnis zwischen Russland und China sei also für die USA «ein sehr bedrohliches Szenario», erklärt der Experte. Ein solches werde aber durch die Sanktionen im Ukraine-Krieg immer wahrscheinlicher. Denn diese «zwingen Russland gewissermassen, sich noch stärker nach Asien zu orientieren», so Braml.

Um diese Bedrohung abzuwenden ist laut Braml eine Annäherung der USA zu Russland nicht abwegig: «Es könnte aus Sicht der Geostrategen in Washington ratsam sein, das im Ukraine-Krieg geschwächte Russland künftig wieder zu umgarnen. Um dem aufsteigenden und für die USA immer bedrohlicher werdenden China zu begegnen.»

Krieg mit Russland «in niemandes Interesse»

Auch gemäss Claudia Franziska Brühwiler von der Universität St. Gallen ist eindeutig China die grössere Bedrohung. Wegen Russland hat sie weniger Bedenken, wie sie gegenüber Nau.ch folgendermassen klarstellt: «Krieg zwischen Atommächten ist in niemandes Interesse – vor allem nicht in deren eigenem.»

Interkontinental-Raketentest in einer Anlage in Plesetsk im Nordwesten Russlands (Symbolbild). - dpa-infocom GmbH

«Gegenüber Russland werden die USA kaum ohne ihre NATO-Bündnispartner handeln», fügt sie hinzu. Im Fall China sei jedoch ein Krieg durchaus möglich – in Brühwilers Augen jedoch eher ein wirtschaftlicher, als ein militärischer. Einzeln seien nämlich «die US-Streitkräfte jenen Chinas und Russlands nach wie vor überlegen».