KI braucht in der Schweiz bald Strom eines ganzen AKWs
Immer mehr Datencenter für immer mehr KI-Berechnungen: Der Stromverbrauch bringt die Energiewende in Gefahr.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz werden im Zuge des KI-Booms immer mehr Rechenzentren gebaut.
- Gemäss einer Studie werden sie bis 2030 etwa 15 Prozent des Schweizer Stroms verbrauchen.
- Das entspricht der Produktion eines ganzen AKWs.
Der rapide Anstieg des Energiebedarfs von Datenzentren könnte bald die Kapazität eines ganzen Atomkraftwerks (AKW) erreichen. Experten mahnen: Es braucht wohl neue Lösungen, um den unerwarteten Mehrbedarf zu decken.
Zum Beispiel in Volketswil ZH, wo gerade ein neues Rechenzentrum entsteht. Äusserlich wirken die beiden nebeneinanderstehenden Gebäude unscheinbar. Doch im Inneren wird mit 600 GWh jährlich eine enorme Menge an Energie verbraucht. Das ist mehr als die Stadt Winterthur mit ihren 122'000 Einwohnern jährlich benötigt.

Das neue Zentrum steht sinnbildlich für einen Trend, der seit der Einführung von Chat-GPT 2022 in den USA Fahrt aufnimmt. Nun erfasst er auch die Schweiz. Die Zahl der Rechenzentren ist dort innerhalb eines Jahres um 25 Prozent gestiegen.
Schweizer Stromverbrauch: Ein AKW nur für Rechenzentren?
Eine noch unveröffentlichte Studie des Bundesamtes für Energie (BFE) zeigt alarmierende Zahlen. Der Stromverbrauch von Datenzentren hat sich bereits von 2019 auf 2024 fast verdoppelt. Er macht aktuell sieben Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Schweiz aus.
Bis 2030 könnten Rechenzentren sogar zwischen 10 und 15 Prozent des gesamten Schweizer Stromverbrauchs ausmachen. So lautet die Prognose von Adrian Altenburger, Professor für Gebäudetechnik und Energie an der Fachhochschule Luzern. «Das entspricht etwa der Jahresproduktion eines Kernkraftwerks», sagt er. Altenburger hat die Studie im Auftrag des BFE verfasst und die Ergebnisse vorab «Tamedia» zur Verfügung gestellt.

Die Situation könnte sogar noch extremer werden: In Laufenburg AG plant die Firma Flexbase ein grosses Technologiezentrum mit einem KI-Rechenzentrum und einem riesigen Batteriespeicher. Sollte dieses Projekt realisiert werden, wäre es das grösste Rechenzentrum in der Schweiz.
Zürich: Hotspot für neue Datenzentren
Der Kanton Zürich entwickelt sich zum Zentrum für neue Datenzentren. In den letzten fünf Jahren sind «über 100 Anfragen für neue Anschlüsse von neuen Rechenzentren eingegangen», so ein Sprecher. Auch die beiden grössten Stromkonzerne Alpiq und Axpo spüren den Trend zur künstlichen Intelligenz (KI). Sie verzeichnen eine steigende Nachfrage nach Strommengen durch Datenzentren.

Dieses rasante Wachstum hat seine Schattenseiten. Die Umweltorganisation Greenpeace warnte schon im Mai: «Energiehunger von künstlicher Intelligenz gefährdet Energiewende». Greenpeace befürchtet, dass der Stromverbrauch von Datenzentren bis 2030 weltweit elfmal so hoch sein wird wie im Jahr 2023.
Mehr Stromproduktion – oder Stopp beim Rechenzentrums-Bau
Experte Altenburger kritisiert: Die steigende Nachfrage nach Strom durch Rechenzentren sei in den bisherigen Szenarien zur Entwicklung der Energieversorgung nicht ausreichend berücksichtigt worden. «Die Schweiz muss sich etwas einfallen lassen, wie sie den riesigen unvorhergesehenen KI-Mehrbedarf in Rechenzentren deckt. Oder sie wird den Zubau von neuen Rechenzentren zwangsläufig limitieren müssen», sagt er.
Diese Begrenzung ist keine neue Idee: Städte wie Amsterdam und Singapur haben bereits Moratorien für neue Datenzentren verhängt, um eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern.
Trotz des hohen Energieverbrauchs gibt es auch positive Aspekte: Die in den Rechenzentren verwendete Energie wird zu 99 Prozent in Wärme umgewandelt. Via Fernwärmenetz kann diese zum Heizen von Wohngebäuden oder Brauchwasser verwendet werden.
Doch Kritiker warnen davor, sich auf diese scheinbare Nachhaltigkeit zu verlassen. Gerade auch angesichts des wachsenden Drucks auf die Energiewende durch den Boom der künstlichen Intelligenz.