Coronavirus: Normalisierung verschoben – Bürgerliche sauer

Der Beginn der «Normalisierungsphase» dürfte sich weiter verzögern. Das BAG sagt, es seien nicht alle Impfwilligen geimpft. Bürgerliche stellen das in Frage.

Das Spitzenpersonal des Bundesamts für Gesundheit bedankte sich mit Kuchen bei geimpften Personen. Doch nun soll die Normalisierungsphase verschoben werden. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das BAG sagt, dass noch nicht alle Impfwilligen zweimal gepikst sind.
  • Deshalb hat der Bundesrat die vorgesehen Konsultation zur Öffnung abgeblasen.
  • Bürgerliche wie Marcel Dobler (FDP) pochen nun auf ein rasches Ende der Massnahmen.

Seit Wochen befindet sich die Schweiz in der «Stabilisierungsphase». Dabei gelten Einschränkungen wie Maskenpflicht, Zertifikatspflicht für Anlässe und Kapazitätsbegrenzungen. Damit sollte es eigentlich bald vorbei sein.

Sobald alle impfwilligen geimpft sind, will der Bundesrat in die «Normalisierungsphase» übergehen. Das dürfte Ende Juli der Fall sein – so lautete jedenfalls der Plan der Landesregierung. Nun zeigt sich: Obwohl viele Impfzentren praktisch leer bleiben, dürfte sich die Öffnung verzögern.

Covid-Zertifikat wohl länger als geplant im Einsatz

Die geplante bundesrätliche Konsultation der Kantone, welche in diesen Tagen hätte beginnen sollen, ist abgeblasen. Das berichten die Tamedia-Zeitungen. Grund gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG): Noch seien nicht alle impfwilligen Personen gepikst.

Bundespräsident Guy Parmelin, rechts, und Bundesrat Alain Berset unterhalten sich an einer Medienkonferenz zum Coronavirus. - keystone

Die Impf-Kampagne werde demnach auch nach den Sommerferien andauern, so das BAG. Die Verschiebung der geplanten Öffnung bedeutet konkret etwa: Das Covid-Zertifikat wird länger als ursprünglich geplant im Einsatz bleiben.

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Befürworten Sie eine Verschiebung der Normalisierungsphase?

Ja, es sind zu wenige geimpft, eine Öffnung ist zu riskant.
40%
Nein, die Leute hatten nun genügend Zeit, sich impfen zu lassen.
60%

Der Bundesrat trifft sich am 11. August zur ersten Sitzung nach den Ferien. Weitgehende Lockerungen sind aufgrund der ausbleibenden Konsultation nicht zu erwarten.

Das sorgt vor allem im bürgerlichen Lager für Ärger. Im Interview forderte etwa SVP-Präsident Marco Chiesa, dass die Landesregierung die nach wie vor geltende «besondere Lage» aufhebt.

FDP-Dobler: «Wer Macht hat, nutzt sie auch»

Ähnlich äussert sich auf Anfrage von Nau.ch FDP-Nationalrat Marcel Dobler. «Wenn der Bundesrat bei derart wenigen schweren Erkrankungen nicht öffnet, glaube ich nicht, dass wir zur Selbstverantwortung zurückfinden.» Für den Anwärter auf das FDP-Präsidium ist klar: «Wer Macht hat, nutzt sie auch.»

FDP-Nationalrat Marcel Dobler plädiert dafür, dass Kantone rasch die Corona-Massnahmen abbauen dürfen, sobald genügend Personen geimpft sind. - Keystone

Der Bundesrat müsse Massnahmen von den schweren Verläufen abhängig machen, so Dobler, der in der nationalrätlichen Gesundheitskommission sitzt. Er staunt ob der Aussage, dass noch nicht alle Impfwilligen geimpft sein sollen. «Das betrifft sicher nicht alle Kantone. Wenn dem so ist, sollen die Kantone öffnen, welche mit dem Impfen durch sind.»

Überhaupt fordert der St. Galler, dass die Landesregierung das Impfziel anpasst und die Genesenen miteinbezieht. In Genf etwa habe jeder dritte Bürger Antikörper, ohne geimpft zu sein. So oder so soll die besondere Lage am 11. August beendet werden.

Hat Delta-Variante Einfluss auf Bundesratsentscheide?

Wie es aussieht, wird der Bundesrat damit zuwarten, bis die Impfquote höher ist als im Moment. Das Problem: Die Quote steigt nur äusserst langsam. Alain Berset und seine Kollegen sind zwar der Ansicht, dass Massnahmen für Geimpfte nicht länger verhältnismässig sind. Allerdings ist nicht klar definiert, ab wann alle Impfwilligen geimpft sind.

Unklar bleibt auch, wie die Landesregierung mit der Delta-Variante umgeht, die in der Schweiz seit einiger Zeit dominiert. Zwar steigen die Fallzahlen weiterhin leicht an, doch das Tempo hat sich drastisch verlangsamt.

In Ländern wie Grossbritannien, die vor der Schweiz mit Delta-Ausbrüchen kämpften, gehen die Fallzahlen teilweise sogar zurück. Die Zahl von Spitaleinweisungen und Todesfällen bleibt auch hierzulande tief. Hoffnung auf ein Ende der Corona-Massnahmen ist also erlaubt, doch es dürfte noch etwas Geduld brauchen.