Stadt Zürich

«Fadegrad»-Kolumnist: Darum lese ich keine Corona-News mehr

Reda El Arbi
Reda El Arbi

Zürich,

«Fadegrad»-Kolumnist Reda el Arbi weiss: Banken-Bschiss, private Stasi-Überwachung, Flüchtlingskrise – alles verschwindet im Corona-Lärm.

Reda el Arbi
Arroganter Zürcher in seinem natürlichen Habitat. - arianepochon-fotografie.com/

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda el Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda el Arbi erlangte als Blogger beim «Tagesanzeiger» Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.

«Wer mit 50 Pack Nudeln vor Nachbarn und Corona flieht, sollte vielleicht nicht Flüchtlingen empfehlen, doch in Kriegsgebieten oder unmenschlichen Sammellagern zu bleiben.» – diesen Satz hab ich auf Twitter gesehen. Und er zeigt exemplarisch auf, wie unsere Prioritäten zurzeit gesetzt werden.

Die Aufmerksamkeitsökonomie lässt nicht mehrere grosse Ereignisse zu. Aber es sagt viel über uns, welche wir am Stärksten gewichten. Nicht nur, dass die Angst vor Corona gerade Medien und Politik beherrscht, sie verdrängt andere, wichtigere Themen völlig aus dem Fokus.

Der Autokrat Erdogan erpresst zum Beispiel Europa mit dem Flüchtlingsleid von einigen Tausend Menschen. Natürlich schreien einige rechte Tastatur-Taliban Zeter und Mordio, weil 520'000'000 Europäer noch ein paar Tausend Flüchtlinge aufnehmen sollen. Das würde uns an der Rand des Untergangs bringen! Ich schwör! /Ironie off.

Lesbos Flüchtlinge Krise
Flüchtlingskrise an der griechischen Grenze. - Keystone

Die humanitäre Katastrophe, die sich gerade in Griechenland und der Türkei abspielt, die Angriffe Rechtsextremer auf Helfer und Journalisten - alles kommt auf «Seite 3» und findet im Alltag wenig Gehör. Aber eigentlich sollte ich hier der Corona-Panik dankbar sein. Dadurch haben die rechten Hetzer, die gerade wieder gegen Flüchtlinge heisslaufen, einfach keine Bühne. Also: Danke, Corona.

Aber das ist nur mal die internationale Ebene. In der Schweiz hat das Parlament gerade entschieden, dass Banken, die im Ausland wegen krimineller Handlungen zu Bussen verurteilt werden, diese hier in der Schweiz von der Steuer absetzen können. Muss man sich mal vorstellen: Wenn ich als Privatperson im Ausland ein Verbrechen begehe, und in der Schweiz dafür vom Staat mit Steuererleichterung belohnt werde.

PARLAMENT, NATIONALRAT, SESSION,.FRUEHLINGSESSION,
Der Nationalrat debattiert waehrend der Fruehlingsession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 4. Maerz 2020 im Nationalrat in Bern. - keystone

Kann man sich nicht ausdenken. Ah ja, die Steuerausfälle durch diese abgezogen Bussen bezahlen übrigens Sie. Und ich. Der Wirtschaftsfilz aus Lobbypolitikern der FDP, SVP und CVP hat hier ein klares Zeichen gesetzt: Die Freiheiten von Unternehmen stehen weit über den Freiheiten des einzelnen Bürgers. Besonders «liberal» ist das nicht.

Eine weitere kleine Nachricht informiert mich, dass das Parlament den Unternehmen erlaubt, exakte Datenprofile aller Kunden herzustellen und zu verwenden, ohne uns, also die Kunden, darüber zu informieren. Hallo? Würde der Staat solche Informationen – darunter zum Beispiel Bewegungsdaten – sammeln, würden wir von Stasi-Methoden sprechen.

Wenns aber Unternehmen tun, ist alles in Ordnung. Da fragt man sich schon, welche Schafe die eigenen Metzger nach Bern gewählt haben. Aber eben, neben der Corona-Panik ist das nur eine kleine Schlagzeile.

So geht es weiter: Wo wir uns Sorgen machen, ob wir uns noch die Hand geben dürfen, oder ob wir genug Desinfektionsmittel gehamstert haben, finden in anderen Ecken die wirklich wichtigen Sachen statt, die auch lange nach Corona noch Auswirkungen auf das Leben in unserem Land haben. Nur waren wir zu abgelenkt, um es zu bemerken. Und es ist nicht mal eine Verschwörung zur Ablenkung.

leeres Regal
Hamsterkäufe wegen Coronavirus im Coop. - Nau

Wir sind ganz alleine dafür verantwortlich, welchen Themen wir welches Gewicht geben. Ich persönlich lese keine Corona-News mehr, wenns nicht um einen Impfstoff oder andere wissenschaftliche Beiträge geht.

Dafür lese ich alle Nachrichten etwas genauer, die in den unteren Spalten gemeldet werden. Also, nehmen Sie sich mal bei der Nase, scrollen Sie runter, zu den leiseren Nachrichten, und schauen Sie doch dort mal, was Ihnen vielleicht WIRKLICH Angst machen sollte.

Hinweis: Alle Kommentare, die gegen Flüchtlinge hetzen, werden konsequent gelöscht.

Zum Autor: Reda el Arbi ist 50-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.

Weiterlesen

reda el Arbi
225 Interaktionen
«Chillets emal!»
svp
270 Interaktionen
«Fadegrad»-Kolumnist
Reda el Arbi
237 Interaktionen
«Fadegrad»-Kolumnist
Rechtsschutz
2 Interaktionen
Gewusst?

MEHR AUS STADT ZüRICH

3 Interaktionen
2000 Kontrollen
Brian Keller
99 Interaktionen
«Kein Mafiapate»
Brian Keller
99 Interaktionen
Prozess in Zürich
Stau im Milchbucktunnel
11 Interaktionen
Zürich