Historischer Entscheid für die Kinderrechte

Viele Kinder erfahren Gewalt in der Erziehung. Jetzt will das Parlament gewaltfreie Erziehung ins Gesetz schreiben.

Christine Bulliard-Marbach ist Mitte-Nationalrätin aus dem Kanton Freiburg. Die ausgebildete Primarlehrerein ist Präsidentin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete, verh - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Parlament hat entschieden, dass gewaltfreie Erziehung künftig im Gesetz stehen muss.
  • Die Änderung wirkt als Appell an alle Eltern und führt langfristig zu einem Sinneswandel.
  • Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR) erklärt den «historischen Entscheid».

Fast die Hälfte aller Kinder in der Schweiz wurde schon Opfer von Gewalt. In jeder Schulklasse gibt es durchschnittlich ein Kind, das zu Hause regelmässig körperlich gezüchtigt wird. Beinahe 1700 Kinder im Jahr müssen sogar im Spital behandelt werden, weil sie Opfer von Gewalt in der Erziehung wurden.

Fast 50 Prozent der Kinder in der Schweiz wurden bereits Opfer von psychischer oder physischer Gewalt. Jedes Jahr müssen annähernd 1700 Kinder im Spital behandelt werden, weil sie Opfer von - Keystone

Diese Zahl ist in den letzten Jahren in der Schweiz wieder angestiegen. Das zeigt auf schmerzliche Art und Weise, dass Gewalt in der Erziehung leider nicht der Vergangenheit angehört. Die Zahlen müssen uns auch alarmieren, wenn wir an die gesellschaftlichen Folgen denken. Denn Gewalterfahrungen in der Kindheit wirken ein Leben lang nach, Depressionen, Ängste oder neue Gewalt und Aggressionen sind die Folgen.

Klarer Entscheid im Ständerat

Das Parlament setzte in der Wintersession ein wichtiges Zeichen für eine Stärkung der Kinderrechte. Mit 27 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen stimmte der Ständerat meiner Motion für die explizite Verankerung der gewaltfreien Erziehung im Zivilgesetzbuch (ZGB) zu. Der Nationalrat hatte bereits zuvor so entscheiden.

Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR) hatte die Motion zur Verankerung der gewaltfreien Erziehung am 20. Dezember 2019 eingereicht. Nach dem Nationalrat hat am 14. Dezember 202 - Keystone

Es ist ein historischer Durchbruch, wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahrzehnten bereits mehrere politische Versuche gescheitert waren, die gewaltfreie Erziehung im Schweizer Recht zu verankern. Zwar ist die körperliche Unversehrtheit der Kinder in der Bundesverfassung geregelt, aber auf Gesetzesstufe fehlte die Verankerung dieses Prinzips. Das wird sich jetzt ändern.

Eltern nicht kriminalisieren

Es ist zu betonen, dass es im Zivilgesetzbuch nicht darum geht, die Eltern zu büssen oder anzuzeigen. Fehler sollen nicht kriminalisiert werden. Schon heute regelt das Strafgesetzbuch massive Übertretungen im Bereich Körperverletzung.

Bereits heute sind massive Übertretungen im Strafgesetzbuch im Bereich der Körperverletzung geregelt. Doch die Verankerung im Zivilgesetzbuch hat hohe Signalwirkung und führt längerfristig z - Keystone

Das ZGB gibt aber die Regeln und Gebote unseres Zusammenlebens vor – in der Gesellschaft, aber auch in der Familie. Und genau hier wird der Bundesrat jetzt nachbessern müssen. Künftig soll im Gesetz das Gebot stehen, dass alle Eltern ihre Kinder ohne systematischen Einsatz von körperlicher oder psychischer Gewalt erziehen müssen.

Appell an alle Eltern

Ich bin überzeugt, dass der Entscheid des Parlaments Signalwirkung hat. Die explizite Verankerung der gewaltfreien Erziehung ist ein Appell an alle Erziehungsberechtigten. In der EU haben heute 23 von 27 Staaten eine gesetzliche Regelung der gewaltfreien Erziehung. Und die Erfahrungen in unseren Nachbarstaaten sind durchwegs positiv: In Deutschland, Österreich oder Frankreich ging die Gewalt an Kindern mit der gesetzlichen Regelung massgebend zurück.

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Soll die Norm der gewaltfreien Erziehung ins Zivilgesetzbuch verankert werden?

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Die Änderung hat also eine präventive Wirkung. Bei den Eltern steigt das Bewusstsein, dass die Anwendung von Gewalt falsch und kontraproduktiv ist. Ausserdem ist es auch ein wichtiges Zeichen an die Kinder: Der Gesetzgeber hat sie nicht vergessen und nimmt den Schutz ihrer Recht ernst.