Angst

Frühe Hitzewelle – hat der Sommerspass ausgefeiert?

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Baden, sünnele und Glacé schlecken: Der Juni ist für Sommerfans ein Highlight gewesen. Zur Debatte steht, ob das noch richtig ist.

Hitze
Der heisse Sommer bereitet vielen Menschen Freude – trotz Hitzewelle. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • «Die aktuelle Hitzewelle macht Angst», sagt Cyrill Hermann vom Klimastreik Zürich.
  • Kritiker wünschen ernstere Wetterberichte.
  • Laut einem Umweltpsychologen verdrängen viele Menschen die Sorgen um den Klimawandel.

Die Schweisstropfen nehmen Sommerfans gerne in Kauf. Massenweise strömen sie in die Badi und freuen sich über das mediterrane Klima in der Schweiz. Der Juni geht als zweitheissester seit 1954 in die Geschichte ein. Zudem ist die Nullgradgrenze erstmals im Juni auf über 5000 Meter gestiegen.

Nach Sommerspass ist manchen Menschen aber nicht mehr zumute.

«Die aktuelle Hitzewelle macht Angst», sagt Cyrill Hermann, aktivistisch tätig für den Klimastreik Zürich.

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Cyrill Hermann vom Klimastreik Zürich bereitet die Hitzewelle Sorgen. - zVg.

Dennoch redeten sich viele Menschen die Hitze schön, sagt Hermann. Sie verstünden nicht, dass dies bereits die Klimakrise sei. «Man hat immer noch das Gefühl, die Klimakrise betreffe nur die Eisbären oder den Globalen Süden.»

«Einen Monat lang über 35 Grad?»

Klar dürfe man sich über das schöne Wetter freuen und die Badi geniessen, sagt Hermann. Die Freude darüber verzerre aber die Realität. «Jedes Jahr gibt es in der Schweiz im Sommer Hunderte Hitzetote.»

Im Sommer 2023 schrieb der Bund über 500 Todesfälle der Hitze zu. Rund die Hälfte davon entfiel auf die zweiwöchige Hitzeperiode in der zweiten Augusthälfte.

Machst du dir wegen des heissen Junis Sorgen um das Klima?

Jetzt dauere eine Hitzewelle vielleicht eine Woche an, sagt Hermann. «Was ist aber, wenn es nächsten Sommer einen Monat lang über 35 Grad heiss ist?» Nicht daran zu denken sei, was passiere, wenn sich die Temperaturen künftig den ganzen Sommer über auf diesem Niveau bewegten.

Wetterberichte seien zu positiv

Schon jetzt leiden laut Hermann viele Menschen unter der Hitze. «Meine Grossmutter kann nur noch frühmorgens raus, weil sie ansonsten Kreislaufprobleme bekommt.» Ähnlich gehe es Schwangeren. «Und für Leute, die an der freien Luft arbeiten, ist die Hitzewelle der absolute Horror.»

Reto Knutti ist Klimaforscher an der ETH Zürich. Er versteht, dass viele Leute jetzt Badi und Glacéschlecken statt Klimasorgen im Kopf haben.

Tatsächlich würden hohe Temperaturen noch immer als angenehm und schön empfunden, sagt er. So sei Baden im Sommer auch angenehmer, wenn es warm sei.

«Aber wenn es zu heiss ist, geht es den Menschen schlecht.» Ältere Menschen hätten ein deutlich höheres Sterberisiko. Zudem sinke die Arbeitsproduktivität.

«Feiern auch nicht Fluten zum Surfen»

Auf Social Media melden sich Stimmen, denen der Sommerjubel gegen den Strich geht.

Sie mache es wütend, schreibt eine Userin aus Deutschland. «Wenn bei sonnigen 30 Grad im Radio von ‹schönes Wetter› und ‹geniessen Sie die Hitze!› gesprochen wird.» Ihrer Meinung nach müsste stattdessen auf die Gefahren hingewiesen werden.

Damit reagiert sie auf einen Post des Instagram-Kanals «nachhaltig.kritisch».

Der Post fordert: «Wir müssen anfangen, anders über Hitze zu sprechen.» Ein weiterer Post zitiert Friederike Mayer, Vorsitzende des Vereins «Klima vor acht». «Wir feiern ja auch nicht Fluten als Möglichkeit zum Surfen.»

Zu unkritisch ist der Ton, den die Medien in den Wetterberichten bei Hitze anschlagen, auch für Cyrill Hermann. «Wir bekommen Kinder zu sehen, die im Brunnen plantschen, und fröhliche Menschen beim Glacéschlecken.»

Hermann zufolge sollten die Medien Hitzewellen nicht mit Spass verbinden, sondern mit warnenden Worten.

«Verharmlost Gefahren»

Medial hält Reto Knutti für nachvollziehbar, dass attraktive Sommerbilder in Wetterberichten über Hitzewellen dominieren. Junge hübsche trainierte Frauen und Männer beim Baden seien halt unterhaltsamer als die nüchterne Realität einer Krise.

«Aber es verharmlost die Gefahren von Hitze», so Knutti. Seiner Meinung nach wäre es an der Zeit, die Folgen von Hitze aufzuzeigen.

Der Schweizer Wetterdienste Meteo News AG, setzt auf nüchterne Wetterberichte. «Ob es sonnig ist, regnet oder schneit – wir versuchen möglichst nicht wertend zu formulieren.» Dies steht für CEO Reto Vögeli fest.

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Reto Vögeli, CEO des Schweizer Wetterdienstes Meteo News AG, hält nüchterne Wetterberichte für zentral. - Screenshot meteonews.ch

«Nach einer trockenen Zeit erwähnen wir auch, wie wichtig Regen ist», sagt Vögeli. Genauso drückten sie aber auch mal die Freude aus, wenn nach einer trüben Woche wieder die Sonne scheine. «Gesunder Menschenverstand ist die Devise!»

Die neutrale Formulierung habe nichts mit dem «polarisierenden Thema Klimawandel» zu tun, sagt Vögeli. «Sondern damit, dass nicht jedes Wetter allen passt.» Die einen Menschen blühten bei 35 Grad auf, andere fänden minus zehn Grad im Winter toll.

«Noch kein Beleg für Klimakrise»

Gegen Wetterberichte, die den Spass am Sommer in den Vordergrund rücken, hat Vögeli aber nichts einzuwenden.

Es gebe sonst genug negative Berichterstattungen. «Es ist schön, wenn man sich noch über etwas freuen kann.» Trotzdem sei es wichtig, Hitzewellen historisch einzuordnen. Dazu gehöre, darauf aufmerksam zu machen, ob die Entwicklung für unsere Breitengrade aussergewöhnlich sei oder nicht.

«Eine einzelne Hitzewelle ist noch kein Beleg für eine fortgeschrittene Klimakrise», so der Meteorologe. Der Juni schiesse bei den Temperaturen jedoch mit fast vier Grad Überschuss gegenüber dem Klimanormwert aussergewöhnlich stark oben aus. «Wenn der Juli aber durchzogen wird, wird der Klimawandel allerdings auch schnell wieder infrage gestellt.»

Gewöhnungseffekt sei möglich

Was in den Köpfen der Menschen vorgeht, untersucht Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Victoria University Wellington. «Die hohen Temperaturen im Juni sind absolut besorgniserregend», sagt er. Viele Menschen verdrängten dies jedoch. «Weil man den Klimawandel nicht so leicht mit einzelnen Wetterphänomenen in Verbindung bringen kann.»

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Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Victoria University Wellington, stellt bei den Menschen kein Umdenken fest. - zVg.

Die aktuelle Hitzewelle zeigt laut Reese auch, dass dies bei der Mehrheit der Menschen kein Umdenken auslöst. «Das passiert scheinbar auch dann nicht, wenn wir die Klimakrise am eigenen Leib spüren.» So weit könne es erst kommen, wenn der Sommer nicht mehr als positiv erlebt werde. «Zum Beispiel, wenn die Hitze Strassen aufplatzen und Schienen verbiegen lässt und es noch mehr Hitzetote gibt.»

Aber selbst dies muss die Menschen nicht in Sorgen versetzen. «Es kann auch sein, dass ein Gewöhnungseffekt eintritt», sagt Reese. Noch sei nicht klar, wo der Kipppunkt bei der Hitze liege.

Heisseste Tage verfrüht

Biasca verzeichnet mit 36 Grad am 28. Juni den absoluten Monatshöchstwert. Reto Knutti bestätigt, dass die Hitzewelle für die Jahreszeit «relativ früh» kommt. «Typischerweise sind die heissesten Tage eher im Juli oder August zu erwarten.»

Mit Temperaturen von 30 bis 35 Grad sei es heiss. «Aber noch nicht nahe an den Rekorden.» Diese gingen in der Schweiz gegen 40 Grad und je nach Ort darüber hinaus.

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Reto Knutti, Klimaforscher an der ETH Zürich, rechnet mit Hitzewellen, die alles bisher beobachtete «noch deutlich übertreffen». - keystone

Einzelne Hitzetage und längere Hitzewellen sind laut dem Klimaforscher häufiger und intensiver geworden. Tage über 30 Grad habe es vor 1980 vielleicht ein- bis zweimal pro Jahr gegeben. «Heute in einem heissen Sommer 10- bis 20-mal in tiefen Lagen.»

Seit 1970 hat die mittlere Temperatur um 2,3 Grad zugenommen. Die Hitzewellen sind um 3,8 Grad wärmer geworden. Reto Knutti rechnet mit Hitzewellen, die alles bisher beobachtete «noch deutlich übertreffen».

Kommentare

User #1220 (nicht angemeldet)

Im Sommer wird es warm. Wenn es den ganzen Sommer über regnet - was jedes zweite Jahr vorkommt - dann motzen auch alle.

User #5631 (nicht angemeldet)

Ich freue mich mal mehr mal weniger das tolle Sommerwetter. Muss ich mich nun dafür bei diesem Klimatypen entschuldigen? Wohl kaum.

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