Angriffe an Street Parade: Ist Needle Spiking nur soziale Panik?

Mehrere Personen sollen an der Street Parade Opfer von Spritzen-Attacken geworden sein. Ein Soziologe glaubt vor allem an eine soziale Panik.

Eine Besucherin der Street Parade. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • An der Street Parade wurden mehrere Fälle von Needle Spiking gemeldet.
  • Für Sozialwissenschaftler Marko Kovic handelt es sich dabei vor allem um soziale Panik.
  • Dass seine Ansicht die heimlichen Attacken verharmlost, findet Kovic aber nicht.

Spätestens seit der Street Parade ist das Needle Spiking, das heimliche Spritzen von Drogen, auch hierzulande ein Thema. Acht Personen sollen dort nach Angaben der Stadtpolizei Zürich Opfer von Needle Spiking geworden sein.

Vorher habe man im Kanton Zürich nie etwas davon gehört, bestätigt die Polizei gegenüber Nau.ch. Anders bei der Kantonspolizei Genf, bei der bisher drei Fälle eingegangen sind.

Brisant: «In keinem der Fälle konnte die Verwendung einer Spritze nachgewiesen werden», so Sprecher Silvain Guillaume-Gentil auf Anfrage. Auch die K.O.-Tropfen-Droge GHB wurde nie gefunden.

Wunden an Street Parade, «die Nadelstichen ähneln»

Für den Soziologen und Verschwörungstheorie-Experten Marko Kovic ist das Needle Spiking vor allem eines: soziale Panik.

Auf Twitter argumentiert er: «Trotz dieser vermeintlichen internationalen Welle an Needle Spiking konnte bisher kein einziger Fall von Needle Spiking bestätigt werden.»

Auch, dass Täter «haufenweise Menschen mit Spritzen angreifen», hält Kovic für unwahrscheinlich. Denn Substanzen einzuspritzen würde dauern und wäre spürbar.

Marko Kovic, Soziologe und Experte für Verschwörungstheorien, äussert sich zum Ukraine-Krieg. - zVg

Dementsprechend kritisch sieht der Experte die Berichte über mutmasslichen Spritzen-Attacken an der Street Parade. Er sagt: «Es wäre statistisch überraschend, wenn es bei einem Grossevent im Freien mit 900'000 Menschen keine Wunden, die Nadelstichen ähneln, gäbe.»

Die «verwirrende Situation» mit Needle Spiking erklärt sich Kovic daher mit einem «psychogenen Massenleiden». Bedeutet: Symptome verbreiten sich als Reaktion auf soziale Ängste. In diesem Fall also die Sorge vor dem Needle Spiking.

Opfer leiden – aber vielleicht nicht wegen Needle Spiking

Doch werden die gemeldeten Fälle von Spritzen-Attacken mit dieser Annahme nicht einfach verharmlost? «Nein», meint Kovic gegenüber Nau.ch.

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Denn: «Ich beschreibe, mit Verweis auf wissenschaftliche Quellen, Dynamiken sozialer Panik und psychogenen Massenleidens.» Gleichzeitig aber betone er, dass die Personen auch wirklich leiden. «Nur sind die Ursachen nicht immer jene, die vermutet werden.»

Obwohl Kovic an den berichteten Spritzen-Attacken zweifelt, bekräftigt er: «Wir müssen die Opfer von Needle Spiking ernst nehmen und Angriffe polizeilich aufarbeiten.»

Es spreche vieles dafür, dass die Explosion an Needle-Spiking-Fällen eine psychosomatische Komponente habe. Diese wiederum dürfte durch mediale Berichterstattung verstärkt werden.