Modus Operandi: Versicherungsbetrug

Daniel Huber
Daniel Huber

Manipulierte Gutachten überhöhen oft Unfallschäden, eine Masche, an der Versicherungsnehmer, Gutachter und Werkstätten beteiligt sind.

Unfall PKW
Im Nachgang eines Verkehrsunfalls geht es leider nicht immer mit rechten Dingen zu. - D.Huber

Die Schweizer Versicherungsbranche ist von Versicherungsbetrug stark betroffen. Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) schätzt, dass hinter jeder zehnten Schadenmeldung im Bereich Motorfahrzeug-, Sach- und Haftpflichtversicherungen ein Betrug steckt.

Die AXA Versicherung verzeichnete im Jahr 2023 über alle Branchen hinweg 7400 Meldungen mit Missbrauchsverdacht, wovon 40% (rund 3000 Fälle) allein die Motorfahrzeugversicherung betrafen. Durch ihre Betrugsbekämpfung konnte die AXA 2023 Einsparungen von gut 45 Millionen Franken an ungerechtfertigten Zahlungen erzielen.

Doch wie genau gehen Betrüger vor? Hier ein Überlick ...

Die Masche «Gutachter treibt Unfallschaden in die Höhe»

Der Kern der Betrugsmasche liegt in der Erstellung eines Kfz-Gutachtens, das den tatsächlichen Schaden an einem Fahrzeug erheblich überbewertet. Diese Manipulation kann auf verschiedene Weisen erfolgen:

Fiktive Abrechnung: Eine zentrale Methode ist die Ausnutzung der fiktiven Schadensregulierung. Hierbei wird ein Unfall – oft vorsätzlich herbeigeführt oder vorgetäuscht – genutzt, um ein hochpreisiges Gutachten zu erstellen, insbesondere bei teuren Fahrzeugen.

Park-Kratzer
Aus «klein» mach «gross». Gerade im Haftpflichtschadenbereich scheinbar verlockend. - Daniel H

Das Fahrzeug muss dabei nicht tatsächlich repariert werden. Dem Versicherten wird so ermöglicht, die Differenz zwischen dem überhöhten Gutachten und den tatsächlichen (oder nicht vorhandenen) Reparaturkosten einzustreichen.

Das Prinzip der Dispositionsfreiheit des Geschädigten, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit sein Fahrzeug nach einem Unfall repariert werden soll, wird dabei missbraucht. Wenn der Gutachter die Kosten aufbläht, steigt der «Gewinn» aus dem Betrug direkt an.

Weitere Verfahren

Einbeziehung von Vor- und Altschäden: Schäden, die bereits vor dem gemeldeten Unfallereignis bestanden, werden fälschlicherweise dem neuen Unfall zugeschrieben, um die Forderung künstlich zu erhöhen.

Verfälschung des Schadenumfangs: Nicht schadenbedingte Positionen oder unnötige Reparaturen werden in die Kalkulation der Reparaturkosten innerhalb des Gutachtens aufgenommen.

Manipulation des Kilometerstands: Der Kilometerstand des Fahrzeugs wird manipuliert, um dessen Marktwert im Gutachten zu erhöhen oder den Wertverlust zu reduzieren.

Tacho
Auch der Kilometerstand spielt beim Versicherungsbetrug mitunter einer Rolle. - Daniel Huber

Grob fehlerhaft kalkulierte Schadenspositionen: Der Gutachter kalkuliert Reparaturkosten bewusst falsch, beispielsweise indem er diese auf der Basis teurer Markenwerkstätten ansetzt, auch wenn günstigere Alternativen existieren.

Wissentlich fehlerhaft gestaltetes Gutachten: Der Gutachter erstellt absichtlich einen fehlerhaften Bericht, etwa durch das Weglassen wichtiger Informationen.

Rollen und Motivationen der Hauptakteure

Versicherungsnehmer: Die Hauptmotivation der Versicherungsnehmer ist der unrechtmässige finanzielle Vorteil. Dies kann bedeuten, mehr Geld zu erhalten, als der tatsächliche Schaden beträgt, nicht versicherte Schäden abzudecken oder sogar einen Kredit- oder Leasingvertrag vorzeitig abzulösen.

Gutachter/Sachverständige: Ihre Motivation ist der finanzielle Gewinn durch die Erstellung von «Gefälligkeitsgutachten». Einige Gutachter, einschliesslich vereidigter Sachverständiger, könnten sich daran beteiligen.

Hagelschaden
Auto nach dem Hagel: Reparatur oder wirtschaftlicher Totalschaden? - Pexels

Werkstätten: Werkstätten sind oft motiviert durch finanziellen Gewinn, der durch überhöhte Reparaturkosten oder die Abrechnung von nicht erbrachten Leistungen erzielt wird.

Indikatoren und Warnsignale

Versicherer und Ermittler achten auf eine Reihe von Warnsignalen, die auf eine Manipulation des Unfallschadens hindeuten können:

- Unlogischer Unfallhergang: Diskrepanzen zwischen der geschilderten Ereignisabfolge und den sichtbaren Schäden am Fahrzeug.

- Alte oder unpassende Schäden: Das Vorhandensein von Kratzern oder Dellen, die nicht zum gemeldeten Unfall passen, was auf die Geltendmachung von Vorschäden hindeutet.

- Widersprüche in Aussagen: Inkonsistenzen in den Angaben der Beteiligten oder Zeugen.

- Routiniertes Auftreten: Der vermeintliche Geschädigte wirkt nach einem Unfall ungewöhnlich ruhig und routiniert, als wäre ein Autounfall für ihn eine alltägliche Begebenheit.

- Plötzliche Zeugen: Das unerwartete Auftauchen von Zeugen, die oft Druck ausüben und die Version des «Opfers» nachdrücklich bestätigen.

- Einsatz hochpreisiger Fahrzeuge: Oft werden in inszenierten Unfällen teure Fahrzeuge eingesetzt, um die potenzielle Auszahlung zu maximieren, insbesondere in Verbindung mit fiktiven Abrechnungen.

- Unmittelbarer Weiterverkauf oder Stilllegung: Das Fahrzeug wird kurz nach dem Unfall schnell verkauft oder stillgelegt, um weitere Inspektionen zu verhindern.

- Diskrepanzen zwischen Gutachten und tatsächlichen Reparaturkosten: Interne Prüfungen der Versicherer oder zweite Gutachten zeigen deutlich niedrigere Reparaturkosten als im eingereichten Gutachten.

- Entfernen von Unfallspuren: Versuche, Beweismittel wie Glasscherben oder Lacksplitter vom Unfallort zu entfernen.

- Mehrere Schäden in kurzen Zeiträumen: Ein deutliches Warnsignal für Versicherer, das eine genauere Prüfung nach sich zieht.

Rechtlicher Rahmen und Konsequenzen

Der Kampf gegen Versicherungsbetrug in der Schweiz stützt sich auf ein robustes rechtliches Fundament, das sowohl straf- als auch zivilrechtliche Bestimmungen umfasst.

Art. 146 StGB (Betrug): Diese Bestimmung ist die zentrale Rechtsgrundlage für Versicherungsbetrug in der Schweiz. Sie stellt betrügerisches Verhalten unter Strafe, das auf eine unrechtmässige Bereicherung auf Kosten des Vermögens eines anderen abzielt.

Ein entscheidendes Element für eine Verurteilung ist die Arglist des Täters. Gemäss etablierter Rechtsprechung (BGE 143 IV 302) gilt eine falsche Schadenanzeige grundsätzlich immer als arglistig.

Die Eigenverantwortung des Opfers (des Versicherers) schliesst Arglist nur dann aus, wenn das Opfer grundlegendste Vorsichtsmassnahmen missachtet hat. Das Bundesgericht hat jedoch klargestellt, dass ein unterlassenes Überprüfen von Vorschäden beim Versicherungsabschluss durch den Versicherer keine Opfermitverantwortung begründet.

Wichtig ist zudem, dass bereits der versuchte Betrug nach Schweizer Recht strafbar ist.

Versicherungsvertragsgesetz (VVG)

Art. 40 VVG (Betrügerische Begründung des Versicherungsanspruches): Wird ein Versicherungsanspruch betrügerisch begründet, ist der Versicherer explizit nicht an den Vertrag mit dem Anspruchsteller gebunden.

Der Vertrag gilt rückwirkend ab dem Zeitpunkt des betrügerischen Verhaltens als aufgelöst. Dies bedeutet, dass der Versicherte jeglichen Anspruch auf Entschädigung verliert, selbst wenn ein Teil des gemeldeten Schadens tatsächlich entstanden ist.

Art. 6 VVG (Verletzung der Anzeigepflicht): Falsche Angaben oder das Verschweigen relevanter Tatsachen beim Abschluss eines Versicherungsvertrages (z.B. über Vorschäden oder die Fahrzeughistorie) können ebenfalls zur Vertragsauflösung und zur Pflicht zur Rückzahlung bereits erhaltener Leistungen führen.

Art. 14 VVG (Absichtliche Herbeiführung des Ereignisses): Der Versicherer haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das versicherte Ereignis absichtlich herbeigeführt hat.

Kommentare

User #4814 (nicht angemeldet)

Nicht zu vergessen … auch der Rechtsbeistand kassiert kräftig mit. Alles in allem wird so aus einem kleinen unbedeutenden Schaden ……

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