Marc Girardelli weiss wie man am Lauberhorn gewinnt
Marc Girardelli kennt die Geheimnisse des Lauberhorns. Und auch, warum ein Sieg in Wengen BE mit Wimbledon vergleichbar ist.

Das Wichtigste in Kürze
- Marc Girardelli feierte von 1985 bis 1995 in Wengen 6 Weltcup-Siege in 4 Disziplinen.
- Er sagt, welcher Streckenteil ihm den Schweiss auf die Stirne getrieben hat.
- Das A und O für ein erfolgreiches Lauberhornrennen: Streckenkenntnis büffeln.
Der für Luxemburg gestartete Österreicher Marc Girardelli hat am Lauberhorn als einziger in vier Weltcup-Disziplinen (Abfahrt, Super-G, Slalom und Kombination) gewonnen. Der sechsfache Sieger von Wengen über die Besonderheiten der längsten Weltcup-Abfahrt.
Marc Girardelli, wenn Sie an Wengen und an ihre aktive Zeit als Rennfahrer an den Lauberhornrennen denken, was kommt Ihnen in den Sinn?
Das traditionelle Flair von Wengen. Dieser Ort ist einzigartig, mit keinem andern Weltcup-Ort vergleichbar. Wengen und die Lauberhornrennen haben den Charakter der vergangenen Zeit beibehalten können. Mir kam es damals in den 1980er-Jahren vor, als hätte man mich in der Zeit in die 1950er- oder 1960er-Jahre zurückversetzt. Das war ein wunderbares Gefühl. Schon nur die Bahnreise ins Skigebiet, das Warten auf den Zug am Bahnhof und dann die Durchsage «ohne Halt bis Wengernalp» – einfach grossartig.
Finden Sie es richtig, dass versucht wird, diesen Charakter weiterhin in grossen Teilen beizubehalten? Oder müsste die Moderne in Wengen Einzug halten?
Es ist eine gute Sache, was und wie es in Wengen gemacht wird. OK-Präsident Urs Näpflin, gegen den ich früher Rennen gefahren bin, macht einen guten Job und führt das genau richtig weiter. Aber es ist kein leichter Job. Das Herrichten der Rennpiste ist durch die doch unkonventionelle Erreichbarkeit der Piste mit der Wengernalp-Bahn eine Herausforderung.

Was, ausser dass die Lauberhorn-Abfahrt die längste Weltcup-Abfahrt ist, zeichnet dieses Rennen sonst noch aus?
Der Haneggschuss ist nicht zu unterschätzen. Diese Stelle war für mich immer die schwierigste. Da bist du schon zwei Minuten unterwegs und hast die schnellste Passage des gesamten Skiweltcups noch vor dir. Und diese liegt komplett im Schatten und du siehst als Fahrer, der aus dem Sonnenlicht kommt, so gut wie nichts. Und in der Kompression fährst du wieder in die Sonne rein. Vor dem Haneggschuss hatte ich wirklich Schiss.
Kann es am Lauberhorn einen Zufallssieger geben?
Möglich ist es, wenn die Piste plötzlich schneller wird. Bill Johnson hat 1984 die Abfahrt etwas glücklich gewonnen und sich erst hinterher zu einem wirklichen Spitzenfahrer entwickelt. Normalerweise ist das Lauberhornrennen sehr fair und die Rhythmuswechsel machen es für alle schwierig.

Ist es nachvollziehbar, wenn ein Schweizer Abfahrer sagt, dass ihm ein Sieg am Lauberhorn mehr bedeutet als ein Olympiasieg?
Ja, absolut. Das Lauberhorn ist wie Wimbledon, dort gibt es auch keine Olympiamedaille. Wer am Lauberhorn gewonnen hat, der bleibt den Menschen in Erinnerung. Wenn du sagst, ich habe in Val d’Isère die Abfahrt gewonnen, dann wird das zur Kenntnis genommen. Wenn du aber sagst ich habe das Lauberhorn gewonnen, dann erntest du Anerkennung. Der Lauberhornsieg ist ein Qualitätssiegel für einen Abfahrer.
Was empfehlen Sie einem Fahrer am Vorabend seiner ersten Fahrt am Lauberhorn?
Er soll unbedingt die Abfahrt auswändig lernen. Jede Kurve, jede Welle, jeden Buckel. Als ich zum ersten Mal in Wengen gefahren bin, habe ich drei Trainingsfahrten gebraucht, bis ich zum ersten Mal korrekt im Ziel angekommen bin. Ich habe Tore ausgelassen oder bin plötzlich neben der Piste gestanden. Also: Streckenkenntnis büffeln.