Nur zwei Schweizer starten am Samstag an der Tour de France. Einer von ihnen ist der Wiler Stefan Küng, der zum siebten Mal an der Rundfahrt dabei ist.
Tour de France
Für Stefan Küng (29) war die Vorbereitung auf die Tour de France schon einfacher. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Für den Wiler Stefan Küng ist klar: «Velofahren hat schon mehr Spass gemacht.»
  • Er startet an der Tour de France, verarbeitet aber noch den Tod seines Kollegen.
  • Gino Mäder (†26) hätte in diesem Jahr erstmals an der Frankreich-Rundfahrt teilgenommen.

Stefan Küng hat seit 2017 keine Tour de France verpasst. Mit 29 Jahren gehört der Ostschweizer zu den Erfahrensten im Peloton. Vor seinem siebten Tour-Start sagt er: «Diesmal ist alles anders.»

Der Wiler gehört zu jener Sorte Sportler, die in der Regel gerne und ausführlich Auskunft geben. Der Radprofi mit Matura-Abschluss erklärt, ordnet ein und ist volksnah. Aktuell tut sich Küng aber schwer damit, sich unter die Leute zu mischen.

Vor mehr als zehn Tage ist sein Kollege Gino Mäder (†26) seinen Verletzungen nach seinem Sturz am Albulapass erlegen. Der Schmerz sitzt bei Küng, dem Zeitfahr- und Klassiker-Spezialisten, noch immer tief.

Gino Mäder
Die Trauer um Gino Mäder (†26) ist vor dem Start der Tour de France immer noch gross. - keystone

Stefan Küng gehörte zu jenen Fahrern, die sich nach dem tödlichen Drama von der Tour de Suisse zurückgezogen haben. Der Thurgauer sass am Tag nach der Tragödie zwar im Teambus von Groupama-FDJ. Er fuhr auch zum Start der vorletzten Etappe nach Tübach.

Doch dort angekommen merkte er schnell, dass es nicht geht. Die Etappe durch die engere Heimat, wo Familie und Freunde am Streckenrand stehen; im Kopf der Unfall von Gino Mäder. «Das hat mich emotional überlastet», sagt Küng rückblickend im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Ich brauchte Abstand, Zeit für mich.»

Stefan Küng: «Velofahren hat auch schon mehr Spass gemacht»

Der 29-Jährige ging nach Hause zu seiner Frau und dem bald einjährigen Sohn. Dort versuchte er, den «riesigen Schock» zu verarbeiten. Immer im Wissen, dass für ihn bald die Tour de France ansteht.

Doch die Lust aufs Training hielt sich in diesen Tagen in Grenzen. «Das Velofahren hat auch schon mehr Spass gemacht», so Küng.

Stefan Küng
Mit dem Sieg im Zeitfahren sichert sich Stefan Küng an der Tour de Suisse das Leadertrikot. - keystone

Wenige Tage zuvor befand sich Küng noch am anderen Ende der Gefühlsskala. Er gewann das Auftaktzeitfahren und eroberte das Leadertrikot. Damit begann für ihn die Tour de Suisse in Einsiedeln höchst erfreulich.

«Ich war physisch auf einem guten Level», so Küng. «Der Sieg hat mir Selbstvertrauen gegeben. Und in Gelb durch die Heimat zu fahren, ist immer sehr speziell. Ich war mental im Hoch.»

Bis am sechsten Tag die Nachricht von Mäders Tod beim Start in Chur das Fahrerlager erreichte. Küng ist sich bewusst: «Es hätte jeden von uns treffen können». Er würde jedoch sofort wieder Veloprofi werden, weil es «meine Leidenschaft, mein Beruf und mein Leben ist».

Stefan Küng
Nach dem Tod von Gino Mäder steigt auch Stefan Küng (rechts) an der Tour de Suisse aus. - keystone

Auch Küng weiss: Zum Radsport gehört das Risiko dazu. «Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Es zeigt, dass du vor nichts gefeit bist.» Für ihn war der Unfall ein Schicksalsschlag.

Die Kritik an der Streckenführung fand er unpassend. Und er stört sich an jenen Leuten, die «ständig nach Erklärungen suchen.» Er fragt rhetorisch: «Muss man denn immer alles wissen?» Es sind Dinge, die ihm persönlich im Trauerprozess nicht weiterhelfen.

Trauerfeier für Gino Mäder (†26) für Küng «sehr bewegend»

Am Samstag versammelte sich Küng zusammen mit Rennfahrerkollegen, Hobby-Gümmelern und anderen am Start der Schweizer Meisterschaften in Wetzikon. Sie unternahmen eine Gedenkfahrt mit anschliessender Trauerfeier auf der offenen Rennbahn Oerlikon. Dies sei nochmals «sehr bewegend» gewesen, so Küng.

Tags darauf belegte er an den Schweizer Meisterschaften den fünften Rang. Es war für ihn ein erster Schritt zurück in den Rennalltag. Auch wenn es sich für ihn noch nicht so anfühlte, wie zuvor. «Das Emotionale hallt nach», so Küng.

Gino Mäder
Eine Woche vor dem Tour-Start verabschiedete sich die Rad-Szene von Gino Mäder (†26). - keystone

Nun wartet mit der Tour de France das grösste und bedeutendste Radrennen auf ihn. Vor einem Jahr war er nach der Geburt von Sohn Noé und nach einer Covid-Erkrankung schon unter speziellen Umständen angereist.

Dort musste er sich im Auftaktzeitfahren mit dem 14. Rang begnügen. Doch diesmal sei nochmals alles anders, wenn es am Samstag in Bilbao mit der 110. Tour de France losgeht.

Freuen Sie sich auf die Tour de France?

«Ich habe mich noch nicht so intensiv mit der Tour de France befasst wie in anderen Jahren», gesteht Küng. Er hätte sich für die Rundfahrt ein «ultimatives Ziel gewünscht, auf das ich mich fokussieren kann.» Doch das einzige Zeitfahren mit den vielen Höhenmetern sei nicht auf seine Stärken zugeschnitten.

Stefan Küng unterstützt David Gaudu und wartet auf ersten Etappensieg

Als Road Captain, eine Art verlängerter Arm des sportlichen Leisters, steht für Küng bei Groupama-FDJ primär das Team im Zentrum. «Wir werden unseren Leader David Gaudu so gut als möglich unterstützen.»

Der schmächtige Franzose wurde im Vorjahr Gesamtvierter der Tour de France. Nun soll es für den 26-Jährigen, der in seiner Heimat als grosser Hoffnungsträger gilt, aufs Podium gehen.

Tour de France
David Gaudu von Küngs Team Groupama-FDJ peilt an der Tour de France das Podest an. - keystone

Vielleicht bietet sich Küng während der Tour die Chance, als Ausreisser auf einer Etappe mit Klassikerprofil sein Glück zu suchen. «Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten», so Küng. Er wurde an der Tour schon zwei Mal Etappen-Zweiter und drei Mal Vierter.

Zum ganz grossen Coup hat es ihm bislang noch nicht gereicht. Vielleicht klappt es in diesem Jahr. Es wäre ein Sieg für ihn, aber auch für Gino Mäder. Er hätte heuer zum ersten Mal an der Tour de France teilnehmen sollen.

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