Frauenfussball in Afrika gehört die Zukunft
WM-Neuling Südafrika reist ohne Sieg aus Frankreich ab. Doch der Stolz, das Land würdig vertreten zu haben, bleibt. Der Frauenfussball auf dem schwarzen Kontinent hat ein Riesenpotenzial. Noch mangelt es an Strukturen, Geld und Material, sagt Afrika-Expertin Petra Landers.

Das Wichtigste in Kürze
- Das 0:4 gegen die DFB-Elf war schon nach wenigen Sekunden vergessen.
Lachend, scherzend und fröhlich winkend verabschiedeten sich Südafrikas Fussballerinnen von ihren feiernden Fans im Stade de la Mosson.
Fröhlichkeit statt Frust herrschte auch in den Katakomben des Stadions von Montpellier, als das «Banyana Banyana» genannte Team wie bei einem Karnevalszug durch die Interviewzone zog und feierte, als wäre es gerade sensationell ins Achtelfinale eingezogen.
Unterdessen philosophierte Nationaltrainerin Desiree Ellis über das Riesenpotenzial, das in Afrikas Frauenfussball schlummert. Nur den Auftritt ihres Teams gegen den Weltranglisten-Zweiten kommentierte die 56-Jährige, die Südafrika erstmals zu einer Frauen-WM führte, unter dem Eindruck der klaren Niederlage eher missmutig. «Wir sind insgesamt zufrieden mit unserer Performance bei der WM, aber nicht mit den Ergebnissen. Aber wir haben ein Riesenpotenzial», sagte sie, und fügte auf Englisch an: «The sky is the limit» (deutsch: Nach oben sind keine Grenzen gesetzt.)
In diesem August wird in Südafrika erstmals eine Frauen-Liga den Spielbetetrieb aufnehmen, berichtete Ellis. Das sei ein wichtiger Schritt in eine hoffentlich bessere Zukunft des Frauenfussballs in ihrer Heimat, die fussballverrückt ist, in der sich kickende Frauen jedoch noch immer gegen viele Widerstände durchsetzen müssen. «Frauenfussball in Afrika wächst. Wir haben viele grosse Talente», betonte Ellis: «Viele verfolgen unsere Spiele und sind stolz auf uns. Wir bekommen viele Nachrichten von unseren Familien und Freunden.»
Acht Spiele hat das afrikanische Trio Kamerun, Südafrika und Nigeria in Frankreich bislang absolviert. Der einzige Sieg gelang den «Super Falcons» (Super-Falken), wie sich das nigerianische Frauen-Nationalteam analog zu den Männern («Super Eagles») nennt. Nigeria ist das Land, in dem der Frauenfussball am weitesten entwickelt ist. Das A-Nationalteam und die U-Mannschaften sind seit Jahren Dauergäste bei internationalen Turnieren.
Weiterhin gibt es aber sehr viel zu tun, nicht nur im Heimatland von Nelson Mandela. Afrika-Expertin Petra Landers hat sich vor Jahren der Förderung des Mädchen- und Frauenfussballs in Sambia verschrieben. Die Bochumerin gehörte zur DFB-Elf um die jetzige Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Silvia Neid, die 1989 den ersten EM-Titel gewann - und ein Kaffeeservice bekam.
«Wenn du in Afrika einen Ball besitzt, bist du eine Königin», berichtet Landers der Deutschen Presse-Agentur. Seit fünf Jahren bereist sie das Land regelmässig, organisiert Frauen-Turniere, bietet Fortbildungen für Trainerinnen an. Alles ehrenamtlich und auf eigene Kosten. Unterstützung für ihre Projekte vom DFB, von dem sie enttäuscht ist, erhält die 57-Jährige nicht.
Dafür würdigte die Organisation «Deutscher Fussball-Botschafter» ihr Engagement und nominierte sie gemeinsam mit Liverpools Coach Jürgen Klopp in der Hauptkategorie «Trainer 2019». Mit dem Preis, der vor einigen Wochen in Berlin an Klopp vergeben wurde, werden jedes Jahr Personen ausgezeichnet, die den deutschen Fussball im Ausland leidenschaftlich und in besonderer Weise vertreten.
Inzwischen wird Landers wenigstens von der internationalen Organisation «Street Football World» unterstützt. So oft es geht reist sie nach Afrika, demnächst steht auch ein Projekt in Vietnam an. «Die Mädchen und Frauen haben nichts. Nur ihre Leidenschaft und Liebe zum Sport. Es fehlen Bälle, Fussballplätze, Schuhe», berichtet Landers von Chawama, einem Armenviertel der sambischen Hauptstadt Lusaka. Sämtliches Material nimmt Landers, die mit einem Job in der Bochumer Kinder-Tagespflegeeinrichtung «Rappelkiste» ein paar Euro verdient, immer mit. «Wenn die Mädchen spielen, musst du immer aufpassen, wenn eine den Ball ins Aus schiesst. Da lauern immer Kinder, die nur darauf warten, uns den Ball zu klauen.»
Frauenfussball in Afrika sei «Kampf», es herrsche Sexismus und Armut, erklärt Landers. Das sei der Grund, warum afrikanische Mannschaften wenig technischen Fussball spielen und kombinieren, sondern für ihren aggressiven und körperbetonten Powerfussball berüchtigt sind. «Die Mädchen wachsen damit auf. Sie spielen gegen Jungs und müssen sich durchsetzen. Auf den Plätzen kannst du auch kein Dribbling ansetzen, weil du erstmal über kleine Felsbrocken springen musst. Wie will man da technischen Fussball lernen?»
So ist es kein Wunder, dass Südafrikas Stürmerin Ode Fulutudilu fasziniert vor ihren WM-Erfahrungen in Frankreich berichtete: «Wir werden im Bus herumgefahren und dürfen auf Plätzen trainieren, die in einem Topzustand sind. Man behandelt uns mit Respekt und wie Profi-Spielerinnen.» Das kannte sie bislang nicht, eine bisher unbekannte Welt: «Für uns alle ist ein Traum in Erfüllung gegangen.»