«Respektlos»: Lehrer kritisiert Hochdeutsch-Rüffel an Schüler

Andrea Schüpbach
Andrea Schüpbach

Bern,

Ein Lehrer kritisiert, dass viele Kollegen Schüler ständig ins Hochdeutsche korrigieren. Eine Diskussion entfacht. Nun spricht die oberste Lehrerin der Schweiz.

Lehrer Schüler Hochdeutsch
In Schweizer Klassenzimmern gilt nach dem Lehrplan 21: Es wird Standardsprache gesprochen. Viele Lehrer nehmen es aber zu genau, findet ein Oberstufen-Lehrer. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Lehrer Sammy Frey findet, einige Kollegen übertreiben es mit Hochdeutsch-Korrekturen.
  • «Gerade nach persönlichen Aussagen find ich es respektlos», sagt er.
  • Es entsteht eine hitzige Diskussion. Bei Nau.ch schaltet sich die oberste Lehrerin ein.
  • Überraschend: Auch Dagmar Rösler sagt, dass Lehrer mal ein Auge zudrücken dürfen.

«Ich muss hier mal was loswerden», schreibt Sammy Frey in einem LinkedIn-Post. Der Oberstufenlehrer einer Sonderschule ist auch als Schulpraxisberater unterwegs. Ihm gefällt nicht, was er erlebt.

«Kaum ein Unterrichtsbesuch, ohne dass Schüleraussagen nicht mit ‹Und jetzt noch auf Hochdeutsch!› oder ‹Kannst du das noch auf Deutsch sagen› quittiert werden.»

Frey geht das Verhalten vieler Kollegen, «aus jeder Aussage gleich eine Sprechübung zu machen», zu weit.

«Ich finde dieses unerbittliche, ja fast schon zwanghafte Auf-Hochdeutsch-sprechen-Bestehen unverhältnismässig. Gerade nach persönlichen Aussagen finde ich es respektlos, als Erstes so zu reagieren.»

sammy frei schule hochdeutsch
«Und jetzt noch auf Hochdeutsch!», hört man in Schweizer Klassenzimmern zu oft, findet Schulberater Sammy Frey. - keystone

Viel besser wäre laut Frey ein unverkrampfter Umgang, «statt Kinder blosszustellen».

Zum Beispiel könnten Lehrer die Aussage selbst auf Deutsch wiederholen. Etwa: «Wisst ihr, wie man ‹go poschte› auf Deutsch sagt?»

Seine Kritik löst ein grosses Echo aus. Zahlreiche Akteure aus der Unterrichtswelt kontern vehement.

Sollten Lehrer Schüler bei Antworten auf Schweizerdeutsch in jedem Fall korrigieren?

«Dann kriegen wir das nicht aus den Schweizer Köpfen raus»

Heinz Wohnlich, stellvertretender Direktor bei der Weiterbildungsanbieterin Agogis, kommentiert:

«Gänzlich falsch finde ich, wenn, wie im Post, Mundart quasi als Erholung für das ach so mühsame Hochdeutsch bewertet wird. Dann kriegen wir diese unliebsame Gewichtung nicht aus den Schweizer Köpfen raus.»

Auch die Lehrerin Franziska Blöchlinger Rohrbach entgegnet Frey: «Da bin ich anderer Meinung – wir haben nun mal die Schriftsprache Hochdeutsch. Und den Bildungsauftrag, im Unterricht Hochdeutsch zu sprechen.»

Zudem würden in jeder Klasse mehrere fremdsprachige Kinder sitzen. «Sie lernen Hochdeutsch und verstehen dann im Unterricht nichts? Geht gar nicht.»

Wie hast du in der Schule lieber gesprochen?

Frey selbst findet manche Reaktionen «beängstigend». So seien nach seinem Post auch «plötzlich Deutsche angegriffen» worden.

In die aufgeheizte Debatte schaltet sich nun die oberste Lehrerin der Schweiz ein.

Dagmar Rösler: Es gilt Standardsprache, aber ...

Bei Nau.ch stellt Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer, klar: Gemäss Lehrplan 21 seien Lehrpersonen angewiesen, im Unterricht «konsequent» Standardsprache (also Hochdeutsch) zu sprechen. In jedem Fach.

dagmar rösler
Dagmar Rösler, Präsidentin des Dachverbands Lehrer und Lehrerinnen Schweiz, findet: Standartsprache ja, «aber man kann auch mal ein Auge zudrücken». - keystone

Es gibt aber Spielraum. «Natürlich kann man auch mal ein Auge zudrücken und eine Fünf gerade sein lassen. Manchmal vergisst man sich und man beantwortet etwas in Schweizerdeutsch. Dann kann man auch darüber hinwegsehen.»

«In persönlichen Gesprächen kann man auf Schweizerdeutsch wechseln»

Bei «persönlichen» Aussagen liege es im Ermessen der Lehrperson, einzugreifen oder nicht. «Es kommt auch auf die Zusammensetzung der Klasse an.» Wenn es etwa Schüler gebe, die kein Schweizerdeutsch verstehen, müsse man dies berücksichtigen.

Und wie würde es Rösler selbst handhaben? «Ich finde, in persönlichen Gesprächen, in einem Spiel oder im Sport kann man auch auf Schweizerdeutsch wechseln.»

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Kommentare

User #5442 (nicht angemeldet)

Wer die ersten Schuljahre schreiben und sprechen kann, wie er mag, wird das später nie richtig lernen. Dieser Stolperstein ist im Bildungssystem verankert und müsste dort bekämpft werden. Man könnte auch Hochdeutsch als "Fremdsprache" im Lehrplan als Pflichtsprache verankern und sonst nur Heimatdialekt in der Schule unterrichten

User #1140 (nicht angemeldet)

In Deutschland sprechen viele Menschen auch Dialekte und kein richtiges Hochdeutsch ☝️👩‍🎓

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