Das Wiener Derby ist ein Warnschuss für den Schweizer Fussball
Das Wichtigste in Kürze
- Das Wiener Derby zwischen Rapid und der Austria wird von einem Skandal überschattet.
- Zwischen den Fan-Lagern kommt es auf dem Platz zu einer Massenschlägerei.
- Es sind die Folgen jahrzehntelanger Nachlässigkeit – und ein Warnschuss. Ein Kommentar.
Es sind bedrückende, erschütternde Szenen, die in den sozialen Medien nach dem Wiener Derby die Runde machen: Hooligans der Wiener Austria provozieren die Rapid-Ultras mit Böllerwürfen in den Familien-Sektor. Es kommt zur Massenschlägerei auf dem – den Rapid-Fans einst heiligen – Rasen in Hütteldorf.
Die Bilanz ist erschütternd – insgesamt 27 Verletzte werden gemeldet, darunter zehn Einsatzkräfte. Mehr als fünfhundert Anzeigen hat die Polizei aufgenommen, mehr als ein Fünftel davon nach dem Strafgesetz. Eine Person wurde wegen schwerer Körperverletzung festgenommen, so die Landespolizeidirektion Wien.
Müssen die Vereine nach den Fan-Krawallen beim Wiener Derby hart bestraft werden?
Was bleibt, ist – nicht zum ersten Mal – ein skandalbehaftetes Wiener Derby. Da waren die homophoben Schmähgesänge im letzten Februar, bei denen auch Rapid-Profis mitmachten. Weiter zurück in der Geschichte findet man den Spielabbruch nach einem Platzsturm 2011. Oder den Böllerwurf 2008, der die Karriere von Rapid-Torhüter Georg Koch beendete.
Ein Versagen der Fan-Arbeit an allen Fronten
Niemand ist davon überrascht, dass ein Wiener Derby ein enormes Eskalationspotenzial mitbringt. Es hat seine Gründe, dass die Polizei im Grossaufgebot vor Ort war. Trotzdem haben alle Seiten nach Strich und Faden versagt. Die Polizei reagierte zu zögerlich, die beiden Klubs lassen ihren «Fans» zu viel durchgehen.
Angesichts der schieren Menge an Pyrotechnik ist klar, dass Einlasskontrollen im Allianz-Stadion ein Fremdwort waren. Auch Rapid-Sportchef Markus Katzer stellt klar, dass das in Zukunft nicht mehr passieren dürfe. Sogar über Risiko-Begegnungen gänzlich ohne Auswärtsfans soll nun diskutiert werden.
Das Versagen der Vereine, der Behörden und der Liga geht aber viel weiter zurück. Bei jedem neuen Eklat kommen die Chaoten in den Fan-Kurven als Kollektiv ungeschoren davon. Einzelpersonen mag der Justiz-Apparat zwar belangen, die Hooligan-Kultur lässt sich davon aber nicht beeindrucken. Der Platzsturm-Skandal 2011 blieb ohne nachhaltige Konsequenz.
Es sind ganz ähnliche Entwicklungen, die ich als «gebranntes Kind» heute auch in der Schweiz erkenne. Das soll mitnichten eine General-Verurteilung der Fan-Szenen sein – im Gegenteil! Aber in vielen Kurven machen es sich die Chaoten bequem und warten auf ihre Chance, ihren Gewalt-Trieb auszuleben.
Ein Warnschuss für die Schweizer Liga?
Viel zu einfach wäre es, über das Ziel hinauszuschiessen, Kollektivstrafen zu verhängen, eine «Sippenhaft» anzustrengen. Das trägt nicht zur Entschärfung dieser Konflikt-Potenziale bei, es steigert sie nur zusätzlich. Es braucht mehr Unterstützung, auch finanziell, für die Fan-Arbeit – Zürich macht es vor.
Aber es gilt, den schmalen Grat zwischen Nachsicht und Konsequenz zu beschreiten. Die Schweizer Liga, die Schweizer Behörden, aber auch die Vereine müssen aus dem Wiener Derby sorgsam Lehren ziehen. Wer nicht frühzeitig Grenzen setzt und diese mit gebotener Härte verteidigt, steht früher oder später selbst vor Platzstürmen.
Und das braucht niemand – weder Spieler, noch Fans, noch Vereine, noch der Fussball selbst.