Ottmar Hitzfeld: «Grausam, wenn du keine Kraft mehr hast»
Ottmar Hitzfeld (76) berichtet offen wie nie über die Herausforderungen seines Jobs. Mental ging es ihm nicht nur einmal schlecht.
Das Wichtigste in Kürze
- Ottmar Hitzfeld trainiert den BVB, die Bayern und die Schweizer Nati.
- Zu einem Engagement als Bundestrainer kommt es aus mentalen Gründen nicht.
- Der 76-Jährige berichtet von seinen schlechten Phasen im Leben.
Trainerlegende Ottmar Hitzfeld steht unter anderem bei der Schweizer Nati an der Seitenlinie. Doch zum Amt als Bundestrainer beim DFB kommt es nie. Warum eigentlich?
Aus Auszügen des am 18. August erscheinenden Buchs «Mensch Fussballstar» geht hervor: Mentale Probleme und Erschöpfung haben in der Vergangenheit ein Engagement als deutscher Nationaltrainer verhindert. Auszüge aus dem Buch des Schweizer Journalisten Andreas Böni hat die «Bild»-Zeitung veröffentlicht.
«Drei Tage lang liege ich fast nur im Bett und grüble. Es ist brutal. Auf der einen Seite ist das Angebot als deutscher Nationaltrainer verlockend», wird der mittlerweile 76 Jahre alte Hitzfeld zitiert.
Ottmar Hitzfeld: «Grausam, wenn du keine Kraft mehr hast»
«Auf der anderen Seite weiss ich, dass ich keine Kraft habe. Ich hätte am liebsten nur die Decke über den Kopf gezogen und weitergeschlafen.» Hitzfeld berichtet von Rückenschmerzen und Schlafproblemen: «Es ist grausam, wenn du plötzlich keine Kraft mehr hast.»
Für ihn sei wegen der psychisch und körperlich belastenden Situation klar gewesen, «dass ich das Angebot als deutscher Nationaltrainer ablehne. Für einen neuen Job musst du ausgeruht sein. Und ganz ehrlich: Zu jenem Zeitpunkt will ich nie mehr Trainer sein.»
Eineinhalb Jahre zieht sich Hitzfeld nach Engelberg in die Schweizer Berge zurück und nimmt eine bewusste Auszeit. «Erst fast drei Jahre später bin ich wieder so richtig bereit zu arbeiten», berichtet er.
«Seither habe ich übrigens auch das Handy lautlos gestellt. Früher dachte ich immer: Jede Nachricht ist wichtig, ich muss Tag und Nacht erreichbar sein. Das war der grösste Fehler», so die Trainer-Ikone.
Der frühere Trainer von Borussia Dortmund und Bayern München berichtet weiter von einem besonders einprägsamen Moment.
«Da realisiere ich: Ich brauche Hilfe»
«Mein Schlüsselerlebnis habe ich dabei im Auto. Ich habe plötzlich ganz schlimme Platzangst. Ich bekomme Atemnot, alles wird eng, ein furchtbares Gefühl. Erst durch das Runterkurbeln der Scheiben wird es besser», so Hitzfeld.
«Da realisiere ich: Ich brauche Hilfe. Ich brauche einen Psychiater. Dieser verschreibt mir Tabletten, Antidepressiva. Sie helfen mir, mich zu beruhigen.»
Immer wieder habe ihm sein Körper Signale gesendet, dass alles zu viel wird. «Das Problem als Fussballtrainer ist, dass dein Innen- und dein Aussenbild bisweilen weit auseinanderklaffen. In der Öffentlichkeit kannst und willst du keine Schwäche zeigen. Du frisst vieles in dich hinein», erklärt Hitzfeld.
Die Signale ignoriere man. «Weil du denkst: Es ist unmöglich, dass ich jetzt mal drei, vier Wochen nichts mache und mich einfach nur erhole», betont Hitzfeld.
«Du bist im Hamsterrad gefangen. (...) Damals, vor dem Jahr 2004, verlor ich langsam und kontinuierlich die Kraft: Ich schaffe es nicht mehr abzuschalten.»
