In einem verworrenen Fall rund um den mutmasslichen Sterbenswunsch eines Alkoholabhängigen hat ein Berner Gericht eine Frau zu 34 Monaten Freiheitsstrafe unbedingt verurteilt. Es sprach die bald 27-jährige Drogenabhängige der fahrlässigen Tötung schuldig.
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Wie Gerichtspräsident Jürg Christen am Mittwoch bei der Urteilsverkündigung bekanntgab, wird diese Strafe zugunsten einer stationären Suchtbehandlung und einer ambulanten therapeutischen Behandlung aufgeschoben. Die Frau muss also nicht ins Gefängnis, sofern sie sich der Behandlung unterzieht.

Das Gericht ging laut den Worten Christens davon aus, dass sich im November 2016 ein alkoholabhängiger Mann mit dem Wunsch an die Beschuldigte wandte, Drogen zu beschaffen. Er wolle sich mit einer Überdosis den sogenannten «goldenen Schuss» setzen und aus dem Leben scheiden.

Unbestrittenermassen beschaffte sich die Frau die Drogen und bereitete zwei Spritzen vor. Dann setzte sie nach eigenen Angaben sich selber und dem Mann unterhalb der Berner Kirchenfeldbrücke je eine Spritze.

Das Gericht geht davon aus, dass sie dabei die beiden Spritzen verwechselte. Sich selber spritzte sie die geringere Dosis, die eigentlich für den Mann gedacht war, dem Alkoholabhängigen die höhere Dosis. Er starb kurze Zeit später am Alkohol-Drogen-Gemisch. Fast zwei Promille Alkohol hatte er intus.

Etliches rund um dieses Geschehen sei unklar geblieben, sagte Richter Christen vom Regionalgericht Bern-Mittelland. Das sei unbefriedigend. In diesem Fall bleibe nichts anderes übrig, als im Sinn des Grundsatzes «im Zweifel für die Angeklagte» zu richten und der Version der Beschuldigten zu folgen.

Die Frau wurde auch wegen weiterer Delikte verurteilt. Die Freiheitsstrafe ist teilweise eine Zusatzstrafe zu einer früher ausgesprochenen Sanktion.

Frau rief Sanität

Der Staatsanwalt hatte am Montag auf vorsätzliche Tötung plädiert. Die Frau habe den Tod des Mannes mindestens in Kauf genommen, sagte er. Eine Freiheitsstrafe von 45 Monaten sei angemessen. Gegen die Aufschiebung der Strafe zugunsten einer Therapie hatte er nichts einzuwenden.

Laut dem Gerichtspräsidenten findet das Gericht aber, die Frau habe zwar die Drogen bereitgemacht, letztlich den Mann aber nicht töten, sondern ihn täuschen wollen. Nur eben: Sie habe die Spritzen verwechselt und so ihre «Sorgfaltspflicht eklatant verletzt».

Das Gericht stützt diese Überzeugung unter anderem auf die Aufzeichnung eines Telefonanrufs, mit der die Frau nach dem Zusammenbruch des Mannes die Sanitätspolizei avisierte. Sie nannte ihren echten Namen. «Das Telefon zeigt, dass sie das nicht wollte oder so richtig erwachte», sagte Gerichtspräsident Christen.

Keine Hilfe für das Gericht war die einzige, indirekte Zeugin des Geschehens: Eine Kollegin der Frau, welcher die Beschuldigte die Ereignisse schilderte. Diese Kollegin machte in der wesentlichen Frage, ob die beiden Spritzen verwechselt worden seien, widersprüchliche Aussagen.

Am Todestag Abonnement gekauft

Zur Sprache kam in der Urteilsbegründung auch ein Element, auf das die Anwältin der Familie des Opfers am Montag hingewiesen hatte: Der alkoholabhängige Mann kaufte sich am Morgen des Todestags ein Abonnement des öffentlichen Verkehrs. Das tue niemand, der Suizid begehen wolle, sagte die Anwältin.

Das Gericht ging aber davon aus, dass sich der Mann umbringen wollte. «Es gab klare Hinweise: Herrn X. ging es nicht gut», sagte der Gerichtspräsident. «Ein Suizid ist nicht immer rational erklärbar und wird nicht immer von langer Hand geplant.«

-Mitteilung der SDA (mis)

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