«Die Welt ist nicht mehr in Ordnung», erklärte die Bündner BDP-Regierungsrätin Barbara Janom Steiner an der nationalen Delegiertenversammlung ihrer Partei. Zum Thema Bündner Baukartell hat die Politikerin klare Worte gefunden. Doch wie sehr ist die Welt der BDP durch den Skandal tatsächlich ins Wanken gerückt? Eine Einschätzung.
Sie hätten das Zweierticket der BDP-Graubünden für in die Regierung sein sollen: Jon Domenic Parolini (links) und Andreas Felix (rechts).
Sie hätten das Zweierticket der BDP-Graubünden für in die Regierung sein sollen: Jon Domenic Parolini (links) und Andreas Felix (rechts). - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Vergangene Woche hat die Wettbewerbskommission Bussen gegen das bisher grösste Baukartell ausgesprochen.
  • Verschiedene Politiker sind mit dem Baukartell in Zusammenhang gebracht worden, allen voran BDP-Politiker Andreas Felix.
  • Bündner Politexperte Clau Dermont wagt für Nau eine Einschätzung, welchen Schaden die BDP vom Skandal genommen hat.

Verschiedene Bündner BDP-Politiker sind in den Strudel des bisher grössten Baukartells geraten. Öffentlich Prügel einstecken musste bisher aber vor allem einer: Andreas Felix. Der BDP-Kantonalpräsident und Geschäftsführer des involvierten Graubündnerischen Baumeisterverbandes zog noch am vergangenen Freitag die Konsequenzen. Felix gab den Rücktritt seiner Regierungsratskandidatur bekannt und auch gleich sein Präsidium ab.

Sechs Wochen vor den Regierungsratswahlen steht die BDP Graubünden nun in einem ihrer drei «Gründer-Kantone» nur noch mit einem Kandidaten da und wird somit den zweiten Sitz in der Bündner Regierung verlieren. Was nun – fragt sich die Partei, die heute offenbar Entscheidungsschwierigkeiten hatte. Nau-Reporterin Lara Marty hat die Frage an den Bündner Politexperten Clau Dermont weitergeleitet:

Herr Dermont, die BDP Graubünden tut sich offenbar schwer mit dem Entscheid, wie viele Kandidaten sie nun tatsächlich ins Rennen um einen Sitz in der Regierung schicken will…

Clau Dermont: Die BDP Graubünden wurde von der ganzen Geschichte überrumpelt. Die Medien wollen Antworten, diese versucht die Partei so schnell wie möglich zu geben. In diesem Tumult ist das schwierig. Die Partei hätte Tempo rausnehmen und klar kommunizieren müssen, statt widersprüchliche Signale zu senden.

In einer ersten Mitteilung wurde bekannt gegeben, es werde ein Ersatzkandidat für Andreas Felix gesucht. Etwas später dann die Nachricht, dass Jon Domenic Parolini als einziger Kandidat der BDP Graubünden die Wahlen in die Regierung bestreiten wird. Warum dieser Rückzieher?

So kurz vor den Wahlen und nach so einer Geschichte ist es extrem schwierig eine Person zu finden, die einspringen will und die Verantwortung übernehmen kann. Leute, die noch eine politische Karriere machen wollen, werden sich hüten in dieser Zeit in den Vordergrund zu treten. Die BDP Graubünden steht derzeit in einem schlechten Licht, davon möchte man lieber nichts abbekommen.

Wie schätzen Sie die Wahlchancen des amtierenden Volkswirtschaftsdirektors Jon Domenic Parolini ein? Immerhin sickerte auch sein Name im Zusammenhang mit dem Baukartell immer wieder durch.

Jon Domenic Parolini hat weiterhin intakte Chancen, er ist bereits in der Regierung drin – das ist ein Vorteil. Man kann ihm zwar vorwerfen nicht gehandelt zu haben, aber er ist keiner der «direkten Übeltäter». Wenn es ihm gelingt glaubwürdig zu kommunizieren, dass er nicht in schlechter Absicht untätig geblieben ist, denke ich, dass er weiterhin in der Regierung bleiben wird.

Mit dem Entscheid, nur mit einem Kandidaten ins Rennen zu gehen, verliert die BDP Graubünden einen Sitz in der Bündner Regierung. Was bedeutet das national gesehen für die Partei, wenn sie in einem ihrer drei Gründer-Kantone schwächelt?

Für die BDP ist das langfristig gesehen natürlich ganz schlecht. Sie kann im Kanton das Bild einer Partei, die Regierungsverantwortung übernimmt, nicht mehr so gut aufrechterhalten, wie mit zwei Sitzen. Das wird auch in den Rest der Schweiz ausstrahlen. Warum sollten Leute nach Bern geschickt werden, deren Partei bereits im eigenen Kanton wenig Gestaltungsraum hat?

Wie gross schätzen Sie den Schaden ein, den die BDP durch den Baukartell-Skandal genommen hat?

In erster Linie wird der Skandal in sechs Wochen bei den Regierungsratswahlen Einfluss haben. Die Wahlen in Graubünden sind sehr personenbezogen. Auch im Grossen Rat wird die BDP sehr wahrscheinlich Sitze verlieren. Einerseits wegen vielen Rücktritten, andererseits aber auch wegen verlorenem Vertrauen. Der Baukartell-Skandal wird wohl insbesondere bei Wechselwähler dazu führen, nicht unbedingt die BDP zu unterstützen.

Die BDP-Regierungsrätin Barbara Janom Steiner tritt in sechs Wochen zurück. Dann wird es keine Frau mehr in der Bündner Regierung geben und auch nicht mehr aufgestellt. Wäre es jetzt nicht ein kluger Schachzug gewesen, wenn die BDP hier in die Bresche gesprungen wäre?

Das wäre in dem Moment tatsächlich ein interessanter Schachzug gewesen. Das Problem ist nur, welche Frau? Die BDP hat sehr wenig Frauen die politisch aktiv sind, dementsprechend wäre das sehr schwierig geworden.

Sechs Wochen vor den wichtigen Regierungsratswahlen befindet sich die BDP Graubünden in grossen Turbulenzen. Wer lacht sich nun wohl ins Fäustchen?

Die SVP will dieses Jahr so viele Sitze wie möglich dazu gewinnen, sowohl in der Regierung wie auch im Parlament, dem Grossen Rat. Tendenziell wird sicher das bürgerliche Lager vom BDP-Schlamassel profitieren.

Aber gerade die bürgerlichen Parteien sind in Sachen Baukartell sehr zurückhaltend, während die SP eine lückenlose Aufklärung fordert. Warum?

Das letzte Kapitel des Bünder Baukartells ist noch lange nicht geschrieben. Es wird noch weitere WEKO-Entscheide geben und es ist unklar, was noch alles ans Licht kommen wird. Die bürgerlichen Parteien sind näher an der Wirtschaft und so auch potentieller mit in den Skandal involvierten Unternehmen verknüpft. Die CVP ist sicher ruhiger, weil ihr Ständerat Stefan Engler im Verwaltungsrat der bestraften Lazzarini AG sitzt. Auch bei der FDP sind solche Verstrickungen möglich. Man will sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn wer weiss, welche Namen in diesem Zusammenhang noch fallen werden.

Auf Twitter muss die BDP Graubünden derzeit ordentlich einstecken:

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