Der Vertreter der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) in der Türkei und zwei weitere Aktivisten für Pressefreiheit sind am Mittwoch in Istanbul vom Vorwurf der «Terrorpropaganda» freigesprochen worden.
Erol Önderoglu
Erol Önderoglu - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht lässt Vorwürfe gegen Önderoglu und andere Angeklagte fallen.
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Erol Önderoglu hatte 2016 die später geschlossene prokurdische Zeitung «Özgür Gündem» unterstützt. Mit ihm wurden auch die Menschenrechtsaktivistin Sebnem Korur Fincanci und der Autor Ahmet Nesin freigesprochen.

In einem symbolischen Akt hatten sie für jeweils einen Tag die Chefredaktion der Zeitung übernommen. Wegen der Aktion sind dutzende weitere Menschen angeklagt. Das Urteil in dem Prozess wurde von den Zuschauern im Gericht mit Applaus begrüsst, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Den Angeklagten drohten wegen «Propaganda für eine Terrororganisation» mehr als 14 Jahre Haft.

Financi, die als einzige persönlich an dem Prozess teilnahm, sagte AFP nach dem Urteil, sie sei «sehr überrascht». «Ich weiss gar nicht, wie ich reagieren soll!», sagte sie. «Leider haben wir unnötig Zeit in Haft verbracht, es ist eine Schande.» Der Freispruch sei im Grunde die einzige zulässige Entscheidung gewesen, doch hätte es von vornherein keinen Prozess geben dürfen.

Financi sagte, es sei «das erste Mal seit Langem», dass nicht eine Verurteilung, sondern ein Freispruch zu feiern sei. Allzu oft würden Leute wegen Verbrechen verurteilt, die sie nicht begangen hätten. Önderoglu dankte in einer Botschaft seinen Unterstützern. «Der Kampf geht weiter für all' unsere ungerechtfertigt verfolgten und inhaftierten Kollegen», betonte er.

Der RSF-Generalsekretär Christophe Deloire sprach von einem «aussergewöhnlichen Sieg der Gerechtigkeit und der Pressefreiheit in einem Land, wo die eine wie die andere jeden Tag verletzt werden». Die Türkei steht auf der RSF-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 157 von 180. Laut der Plattform für Pressefreiheit P24 sind derzeit 138 Journalisten und Medienschaffende in Haft.

Der RSF-Vertreter Johann Bihr, der den Prozess verfolgt hatte, sagte, in die Erleichterung über den Freispruch mische sich Bitterkeit, «weil Erol drei Jahre vor Gericht verbracht hat für ein Verbrechen, das nicht existierte». Es müsse noch viel mehr geschehen zur Verbesserung der Pressefreiheit in der Türkei. Sie bleibe weiter «das grösste Gefängnis für Journalisten in der Welt».

«Özgür Gündem» war im August 2016 unter dem Vorwurf von Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) geschlossen worden. Die drei Angeklagten wurden im Juni 2016 festgenommen. Das Gericht sprach ihnen nun ein Recht auf Entschädigung zu. Wegen der Solidaritätsaktion für «Özgür Gündem» laufen noch eine ganze Reihe weiterer Prozesse.

Ein Verfahren gegen die Aktivisten Eren Keskin, Hüseyin Akyol und Reyhan Capan wegen Unterstützung der Zeitung wurde am Mittwoch auf den 21. November vertagt. Die drei waren bereits am 21. Mai zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Auch der Hauptprozess zu «Özgür Gündem», in dem unter anderen die Schriftstellerin Asli Erdogan angeklagt ist, wird im November fortgesetzt.

Auch für Financi und Önderoglu bedeutet der Freispruch noch nicht das Ende ihrer Probleme mit der Justiz. Financi muss sich in einem weiteren Prozess wegen Unterzeichnung der Petition «Wir werden nicht Teil dieses Verbrechens sein» verantworten. Auch Önderoglu muss am 7. November vor Gericht erscheinen, weil er die Unterzeichner der Petition zum Kurdenkonflikt unterstützt hatte.

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