Urteil zu Beleidigungen von Künast im Netz schlägt hohe Wellen

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Deutschland,

Das Urteil des Landgerichts Berlin, mit dem beleidigende Äusserungen gegen die Grünen-Politikerin Renate Künast für zulässig erklärt wurden, schlägt hohe Wellen.

Grünen-Politikerin Renate Künast
Grünen-Politikerin Renate Künast - dpa/dpa/picture-alliance

Das Wichtigste in Kürze

  • Schäuble: Politischen Wettstreit vor Gewalt schützen.

Grünen-Chef Robert Habeck kritisierte die richterliche Entscheidung. «Das sind übelste sexualisierte Gewaltaufrufe gewesen», sagte er am Freitag dem Sender RTL/n-tv. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte dem «Tagesspiegel» (Samstagsausgabe), «wenn uns an der Demokratie gelegen ist, muss der politische Wettstreit vor Gewalt geschützt werden».

Weiter sagte Schäuble, dazu reiche der Appell an den gesunden Menschenverstand und zu Anstand allein nicht aus. «Es braucht auch das Vertrauen in einen Rechtsstaat, der gegen menschenfeindlichen Hass und Hetze als Nährboden von Gewalt konsequent vorgeht, auch in der digitalen Welt.» Die Grenze zwischen zulässiger zugespitzter Meinungsäusserung und Hassbotschaft sei nicht immer einfach zu ziehen, aber es gebe «diese Grenze - das zeigen nicht zuletzt die Reaktionen auf die Gerichtsentscheidung», fügte der CDU-Politiker hinzu.

«Wenn das alles hinzunehmen ist, also wenn das normaler Diskurs ist, den man ertragen muss, dann frage ich mich, wo die Grenze des Unnormalen beginnt», sagte Habeck. Er glaube, dass «energischer, klarer gegen die Verrohung der Sprache im politischen Raum, aber auch im gesellschaftlichen Raum» vorgegangen werden müsse.

Das Landgericht Berlin hatte am 9. September entschieden, auf Künast gemünzte Kommentare bei Facebook wie «Drecks Fotze» bewegten sich «haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch Hinnehmbaren».

Auch Äusserungen wie «Knatter sie doch mal einer so richtig durch, bis sie wieder normal wird» wurden von dem Gericht zwar als «geschmacklose Kritik» gesehen, es sei aber «mit dem Stilmittel der Polemik sachliche Kritik» geübt worden. Den Betreffenden sei es «erkennbar nicht darum» gegangen, Künast «als Person zu diffamieren», heisst es in dem Beschluss des Berliner Landgerichts.

Künast wollte vor dem Landgericht erreichen, dass Facebook die personenbezogenen Daten der Urheber herausgibt, um zivilrechtliche Schritte einleiten zu können. Dies lehnte das Gericht ab. Die Grünen-Politikerin zeigte sich darüber «sehr irritiert».

Grünen-Chef Habeck warnte: «Wir wissen inzwischen, dass aus gewaltbereiter Sprache wirkliche Gewalt wird, also dass aus dem Appell zu jagen wirkliche Jagd auf Menschen wird.» Menschen würden ermordet, weil die Sprache dazu einlade, das zu tun, fügte Habeck hinzu.

Die Organisation HateAid kritisierte das Urteil ebenfalls scharf und kündigte an, das Beschwerdeverfahren der früheren Bundesministerin für Verbraucherschutz zu finanzieren. Die Entscheidung des Landgerichts, Künasts Klage gegen Facebook wegen zahlreicher Beleidigungen im Netz abzulehnen, «hat uns mehr als irritiert», erklärte die Geschäftsführerin von HateAid, Anna-Lena von Hodenberg.

Für ihre Organisation stehe in diesem Fall ausser Frage, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit in diesem Fall «weit überschritten» wurden. Die Entscheidung setze «ein fatales Zeichen für alle, die sich in unserem Land für Demokratie und einen zivilisierten Umgang im Netz einsetzen».

Der Deutsche Richterbund (DRB) äusserte sich zurückhaltend. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagte AFP, zu noch laufenden Verfahren äussere sich der Bund grundsätzlich nicht. Durch die Beschwerde von Künast werde eine Überprüfung der in Rede stehenden Rechtsfragen durch das Kammergericht ermöglicht, fügte er hinzu.

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