Tunesiens erster demokratisch gewählter Präsident Essebsi 92-jährig gestorben
Tunesiens erster demokratisch gewählter Staatschef Béji Caïd Essebsi ist im Alter von 92 Jahren gestorben.

Das Wichtigste in Kürze
- Politik-Veteran stand seit 2014 an der Spitze des nordafrikanischen Landes.
Wie das Präsidialamt in Tunis auf Facebook mitteilte, starb er am Donnerstag wenige Stunden nach seiner Einlieferung ins Krankenhaus. Der seit 2014 amtierende Staatschef hatte im April seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im November erklärt. Zum Interimspräsident wurde am Donnerstag Parlamentspräsident Mohamed Ennaceur bestimmt.
Essebsi starb am Jahrestag der Ausrufung der Republik in Tunesien 1957, der üblicherweise mit einer Rede des Präsidenten begangen wird. Das Staatsfernsehen unterbrach sein Programm, um Koranverse auszustrahlen und schliesslich Essebsis Tod zu verkünden. Kurz zuvor hatte sein Sohn Hafedh Caïd Essebsi mitgeteilt, dass sein Vater am Mittwoch in die Intensivstation des Militärkrankenhauses in Tunis eingeliefert worden sei.
Essebsi war bereits Ende Juni mehrere Tage im Krankenhaus behandelt worden. Nach der britischen Queen Elizabeth II. war er das älteste amtierende Staatsoberhaupt der Welt. Das Politik-Urgestein hatte sowohl unter Tunesiens erstem Präsidenten Habib Bourguiba wie auch unter dem langjährigen autoritären Staatschef Zine el Abidine Ben Ali wichtige politische Posten inne.
Essebsi entstammte einer bürgerlichen Familie und war von Haus aus Anwalt. Mitte der 60er Jahre wurde er zum Innenminister ernannt, später leitete er unter Bourguiba auch das Verteidigungsressort und das Aussenministerium.
Zu Beginn der Ära Ben Ali war Essebsi von 1990 bis 1991 Parlamentspräsident, in den folgenden Jahren trat er in der tunesischen Politik in den Hintergrund. Während Ben Alis jahrzehntelanger Herrschaft hat Essebsi jedoch nie gegen den autoritären Staatschef aufbegehrt.
In den unruhigen Zeiten des Arabischen Frühlings wurde Essebsi im Februar 2011 wegen seiner langjährigen politischen Erfahrung zum Übergangsregierungschef bestimmt. Unter seiner Führung fanden in Tunesien im Oktober 2011 die ersten freien Wahlen statt, aus denen die islamistische Ennnahda-Partei als Siegerin hervorging.
2012 war Essebsi an der Gründung der Partei Nidaa Tounes beteiligt, die der Ennahda die Stirn bot und die heute von seinem Sohn Hafedh geführt wird. 2014 wurde Essebsi schliesslich zum Staatschef gewählt.
Im April erklärte der 92-Jährige, dass er sich nicht erneut um das Präsidentenamt bewerben werde. Nun müsse Jüngeren «die Tür geöffnet werden», begründete er seine Entscheidung. Die Präsidentenwahl ist für den 17. November angesetzt, die Parlamentswahl für den 6. Oktober.
Übergangsweise soll nun Parlamentspräsident Ennaceur das nordafrikanische Landes führen, wie Vize-Parlamentspräsident Abdelfattah Mourou am Donnerstag mitteilte. Laut tunesischer Verfassung kann Ennaceur das Präsidentenamt für 45 bis 90 Tage übernehmen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) liess über Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer im Onlinedienst Twitter erklären, Essebsi sei «ein mutiger Akteur auf dem Weg zur Demokratie» gewesen. Die Kanzlerin sprach den Tunesiern ihr Beileid zum Tod dieser «wichtigen Integrationsfigur» aus.
Der aussenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, erklärte in Berlin, Essebsis Tod sei «eine grosse Herausforderung für die tunesische Demokratie». Es sei nun die «Aufgabe Deutschlands und der EU, dem Land in dieser schwierigen Situation noch enger beizustehen».