Truppenabzug aus Afghanistan begonnen
Mit dem offiziellen Abzug der internationalen Truppen in Afghanistan bleibt die Lage angespannt. Am Wochenende wurden Zwischenfälle und Gefechte gemeldet.

Das Wichtigste in Kürze
- Nach 20 Jahren Einsatz beginnt der Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan.
- Die Lage im Land bleibt angespannt. Auch am Wochenende kam es zu Unruhen.
Für die allermeisten Afghanen kam die Ankündigung über einen Abzug der Amerikaner aus heiterem Himmel. Mitte April hatte US-Präsident Joe Biden erklärt, er werde ab 1. Mai die Truppen nach Hause holen, endgültig und ohne Bedingungen.
Rund 10'000 Nato-Soldaten der Ausbildungsmission «Resolute Support» werden nun bis spätestens 11. September das Land verlassen. Das Datum markiert den 20. Jahrestag der Terroranschläge in den USA von 2001, die der Anlass für den Einsatz waren.

Faktisch hat der Abzug bereits vor Samstag begonnen. Schon seit Wochen wird Material aus dem Land gebracht. Am Himmel über Kabul waren regelmässig Hubschrauber zu sehen, die Container herumflogen. Soldaten aus dem Nato-Hauptquartier erzählten, dass sie immer öfter auch alleine durch die einst belebten Strassen des Camps wandeln.
Afghanische Militärs berichteten, die ausländischen Truppen hätten sich bei ihnen verabschiedet und in ihre hochgesicherten separaten Camp-Teile zurückgezogen. Das sei teils hochemotional abgelaufen.
Anhaltende Unruhen im Land
Während die internationalen Truppen packten, dauerte die Gewalt im Land auch am Wochenende an. Einem Sprecher des US-Militärs in Afghanistan zufolge wurde bei dem Beschuss des Flugplatzes in Kandahar am Samstag niemand verletz.
Es habe auch keine Schäden gegeben. Man habe den Vorfall mit einem «Präzisionsschlag» beantwortet. Dabei seien zusätzliche Raketen zerstört worden, die auf den Flugplatz gerichtet gewesen seien.
Schwere Gefechte wurden aus dem westlichen Herat gemeldet. Auch rund um die Provinzhauptstadt Kalat wurde zwei Nächte lang um Kontrollpunkte der Regierung gekämpft. In der Provinz Gasni überrannten die Taliban Samstag einen Kontrollposten.
Am Sonntag war noch nicht klar, was mit den rund 30 Soldaten passiert ist. Bei weiteren Vorfällen in mehreren Provinzen kamen mehrere Zivilisten und Sicherheitskräfte ums Leben.

In grossen Teilen der afghanischen Bevölkerung herrscht Sorge vor dem, was nun kommen könnte. Afghanische Soldaten berichten von Unruhe in den eigenen Reihen und davon, dass Munitions- und Waffenbestände der Armee zunehmend «verschwinden». Manche Kameraden würden sich offenbar schon auf einen Bürgerkrieg vorbereiten.
Bei wieder anderen löst der Abzug blanke Angst aus. Vor allem finanziell gut situierte und liberale Afghanen wollen das Land verlassen. Versicherungsmakler in Kabul sagen, sie hätten viele neue Objekte zum Verkauf bekommen, aber niemand wolle nun etwas kaufen.
Viele Menschen versuchen, ihre Autos und andere Habseligkeiten zu verkaufen, um Bargeld zuhause zu haben, «für alle Fälle». Manche drückten aber auch Freude über den Abzug aus.