Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat erstmals eine Reichsbürgervereinigung verboten.
Blaulicht auf Polizeiwagen
Blaulicht auf Polizeiwagen - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Razzien in zehn Bundesländern .

Die Gruppe Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt) sowie ihre Teilorganisation Osnabrücker Landmark seien aufgelöst worden, erklärte das Innenministerium am Donnerstag in Berlin. Bei Razzien in zehn Bundesländern durchsuchten insgesamt mehr als 400 Einsatzkräfte zeitgleich die Wohnungen von 21 führenden Vereinsmitgliedern in Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen und Thüringen.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden bei den Razzien Schusswaffen, Baseballschläger, Propagandamaterialien sowie geringe Mengen Betäubungsmittel sichergestellt.

Seehofer versicherte: «Wir setzen den Kampf gegen den Rechtsextremismus auch in Krisenzeiten unerbittlich fort.» Für Rassismus und Antisemitismus sei in unserer Gesellschaft «kein Millimeter Platz». Die nun verbotene Gruppe habe «rassistische und antisemitische Schriften verbreitet und damit unsere freiheitliche Gesellschaft systematisch vergiftet».

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nannte das Verbot einen «wichtigen Schlag». Zugleich warnte sie, die Reichsbürger-Szene sei gross und verfüge über «viel zu viele Waffen». Die Waffenbehörden und die Polizei müssten das jüngst verschärfte Waffenrecht entschieden durchsetzen «und Reichsbürgern konsequent die Waffen entziehen», forderte Lambrecht.

Gesteuert wurde der nun aufgelöste Verein, zu dem etwa 120 Anhänger gezählt werden, von Berlin aus. In der Bundeshauptstadt wurden drei Objekte durchsucht, darunter die Vereinsräumlichkeiten und die Wohnung der Vereinsvorsitzenden, wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte. Das Verbot sei ein «weiteres klares Signal an die Verfassungsfeinde in unserer Stadt und unserem Land». «Wir sehen dem ungeheuerlichen Treiben von Rechtsextremisten und Reichsbürgern nicht tatenlos zu.»

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte, «gerade jetzt, in Zeiten der Coronakrise, müssen wir gegen Leute vorgehen, die Verschwörungstheorien verbreiten und so den Staat unterhöhlen wollen». In NRW wurden fünf Wohnungen unter anderem in Bünde, Preussisch Oldendorf und Gummersbach durchsucht.

In Baden-Württemberg wurden laut Stuttgarter Innenministerium am Morgen vier Objekte in den Regierungsbezirken Karlsruhe und Freiburg durchsucht, Vereinsvermögen beschlagnahmt sowie Beweismittel sichergestellt. In Schleswig-Holstein wurden Durchsuchungen in den Kreisen Segeberg und Steinburg vorgenommen. In Thüringen wurde die Wohnung eines führenden Vereinsmitglieds in Bad Lobenstein durchsucht, wie das dortige Innenministerium mitteilte. In Niedersachsen durchsuchten Sicherheitskräfte laut Landesbehörden ein Objekt im Raum Göttingen.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil begrüsste das Verbot. Für ihn sei auch klar: «Verbote von einzelnen Gruppen aus der Neonazi- oder Reichsbürgerszene sind nur der Anfang». Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) äusserte ebenfalls Zustimmung zu Seehofers Vorgehen. Zugleich forderte er, «dieser gefährlichen Szene» auch in Zukunft mit grosser Aufmerksamkeit zu begegnen «und wo notwendig, weitere Verbote» auszusprechen.

Der FDP-Obmann im Innenausschuss, Benjamin Strasser, nannte das Verbot einen «richtigen Schritt». Allerdings müsse die bisherige «künstliche Trennung» zwischen Reichsbürgern und Rechtsextremisten beendet werden. «Reichsbürger müssen deshalb schneller und konsequent entwaffnet werden», verlangte Strasser.

Der Deutsche Richterbund erklärte, es sei richtig, «dass der Rechtsstaat die zunehmend radikale Reichsbürgerszene genau in den Blick nimmt und auch zum schärfsten Mittel des Vereinsverbots greift». Auch die Justiz zähle zu den Hauptgegnern dieser Staatsverweigerer. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn hob hervor, «Reichsbürger überziehen die Justiz mit Drohschreiben und frei erfundenen Schadenersatzforderungen, beschimpfen Richter, stören Gerichtsverhandlungen und attackieren Gerichtsvollzieher».

In den letzten Jahren war der Verein GdVuSt nach Angaben des Bundesinnenministeriums durch «aggressive Sprache und teils drastische Drohungen» aufgefallen. Die Veröffentlichungen der Gruppe zeigten die «schwerwiegenden Verletzungen der Grundrechte» und besonders der Menschenwürde Anderer. Der Verein bringe durch Rassismus, Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus seine Intoleranz gegenüber der Demokratie zum Ausdruck und verstosse damit gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.

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