Sebastian Kurz ist nach eineinhalb Jahren im Amt als österreichischer Regierungschef abgesetzt worden.
Sebastian Kurz nach dem Misstrauensvotum
Sebastian Kurz nach dem Misstrauensvotum - AFP
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Finanzminister Löger zum neuen Interimsregierungschef ernannt.

Das Parlament in Wien stürzte die gesamte Regierung am Montag als Reaktion auf das Ibiza-Video per Misstrauensvotum. Kurz sicherte eine ordentliche Übergabe an die kommende Übergangsregierung zu und gab sich zugleich mit Blick auf die Neuwahl im September kämpferisch. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ernannte zunächst den bisherigen Finanzminister Hartwig Löger von Kurz' ÖVP zum Interimskanzler.

Kurz ist der erste österreichische Kanzler seit 1945, der mit einem Misstrauensvotum gestürzt wurde. Die Mehrheit der Abgeordneten in Wien unterstützte den von der oppositionellen SPÖ vorgelegten Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung, wie Vize-Parlamentspräsidentin Doris Bures verkündete. Als nächstes ist es nun an Bundespräsident Van der Bellen, die Regierung zu entlassen und bis zu den Neuwahlen eine Expertenregierung zu benennen.

Vor der Abstimmung hatte es scharfe Kritik an Kanzler Kurz gegeben. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner warf dem 32-Jährigen einen «schamlosen, zügellosen, und verantwortungslosen Griff nach Macht» vor. Auch der ehemalige Koalitionspartner FPÖ stimmte gegen die Regierung.

Die Koalition zwischen der konservativen ÖVP von Kurz und der rechtspopulistischen FPÖ war nach der Veröffentlichung des sogenannten Ibiza-Videos vor zehn Tagen zerbrochen, für September waren bereits vorgezogene Parlamentswahlen geplant. Durch das Misstrauensvotum geht Kurz nun als der österreichische Kanzler mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte ein.

Die FPÖ hatte zunächst offen gelassen, ob sie gegen Kurz stimmen wird. Am Montag dann kündigte der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer an, dass seine Partei den umfassenden Misstrauensantrag der SPÖ unterstütze. Vor der SPÖ hatte zunächst die kleine Oppositionspartei Jetzt einen Misstrauensantrag eingereicht, der sich nur gegen Kanzler Kurz, nicht aber gegen seine Regierung richtete.

Auslöser der politischen Krise in Österreich war ein Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der inzwischen zurückgetretene Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.

Kurz' Absetzung kommt nur einen Tag nach der Europawahl, bei der seine ÖVP einen grossen Sieg feiern konnte. Vorläufigen Ergebnissen zufolge wurden die Konservativen mit 34,9 Prozent stärkste Kraft und konnten zwei zusätzliche Sitze im EU-Parlament hinzugewinnen. Die FPÖ verlor im Vergleich zur Wahl 2014 zwei Prozentpunkte, büsste aber im Vergleich zu Umfragen vor Bekanntwerden des Ibiza-Skandals massiv ein. Die SPÖ kam auf 23,5 Prozent.

Nach der Absetzung der Regierung Kurz dürften Österreichs Parteien im Wahlkampfmodus bleiben. Kurz gab sich am Montagabend kämpferisch. «Die Veränderung, die hier vor zwei Jahren begonnen hat, die wird mit dem heutigen Tag nicht enden», sagte er vor jubelnden Anhängern in Wien in Anspielung auf seinen Amtsantritt Ende 2017.

SPÖ und FPÖ warf der abgesetzte Kanzler vor, «Kurz muss weg» sei «das einzige Programm dieser beiden Parteien» gewesen. Er habe Bundespräsident Van der Bellen «zugesichert, dass wir zur Verfügung stehen für eine ordentliche Übergabe an die Übergangsregierung und dass wir bedingungslos die Übergangsregierung unterstützen werden, egal wen er aussucht».

Bundespräsident Van der Bellen ernannte später den bisherigen Finanzminister und Vizekanzler Hartwig Löger zum vorläufigen Regierungschef, bis die noch zu bildende Übergangsregierung im Amt ist.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Sebastian KurzParlamentRegierungRegierungschefFPÖAbstimmung