Tausende Demonstranten, Menschenketten und die Symbolfarbe Weiss: Die Protestbewegung in Belarus gegen Staatschef Alexander Lukaschenko bekommt immer mehr Zulauf.
Demonstranten an einer Strasse in Minsk
Demonstranten an einer Strasse in Minsk - AFP
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • EU-Aussenminister beraten am Freitag über Sanktionen.

In der Hauptstadt Minsk protestierten die weiss gekleideten Demonstranten am Donnerstag in langen Menschenketten gegen den angeblichen Sieg Lukaschenkos bei der Präsidentenwahl sowie das gewaltsame Vorgehen der Polizei. Am Freitag wollen die EU-Aussenminister in Brüssel über Sanktionen gegen das osteuropäische Land beraten.

Seit der Wahl am vergangenen Sonntag gehen die Demonstranten in Minsk und vielen anderen Städten des Landes täglich auf die Strasse. Nach Angaben des Innenministeriums wurden bislang mindestens 6700 Menschen festgenommen, zwei Demonstranten getötet und Dutzende verletzt.

Die Polizei gab zu, in der Stadt Brest nahe der Grenze zu Polen am Dienstag mit scharfer Munition auf Demonstranten geschossen zu haben. Mindestens ein Mensch wurde dabei verletzt. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug, die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja musste nach Litauen fliehen.

Am Donnerstag kamen tausende Menschen, unter ihnen zahlreiche Frauen, im Zentrum von Minsk zusammen und bildeten Menschenketten, wie AFP-Reporter berichteten. Viele waren in Weiss gekleidet - der Farbe der Opposition - und hatten Blumen dabei. Anders als bei den abendlichen Demonstrationen ging die Polizei zunächst nicht gegen die Demonstranten vor.

Scharfe Kritik am Vorgehen der belarussischen Sicherheitskräfte kam aus den USA, von Seiten der EU und Deutschlands - Russland kritisierte hingegen eine Einmischung von aussen. Bei einer Videokonferenz am Freitag wollen die EU-Aussenminister über die Sanktionen gegen Belarus beraten.

Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) sprach sich für mehr «Druck auf die Machthaber» in Belarus aus. Das «brutale Vorgehen» und die Inhaftierung friedlich Demonstrierender sei «im Europa des 21. Jahrhunderts nicht akzeptabel», sagte Maas am Donnerstag in Berlin.

Sein US-Kollege Mike Pompeo zeigte sich optimistisch, dass Brüssel und Washington in dieser Sache «zusammenarbeiten» könnten. «Ich glaube, die EU und die USA teilen dieselben Sorgen über das, was in Belarus passiert», sagte Pompeo während eines Besuchs in Slowenien.

Fünf UN-Experten, darunter der UN-Sonderberichterstatter zu Menschenrechten in Belarus, verurteilten das Vorgehen der Sicherheitskräfte in einer gemeinsamen Erklärung. Die Behörden seien offenbar «nur daran interessiert, Proteste schnell aufzulösen und so viele Menschen wie möglich festzunehmen», hiess es in einer Stellungnahme.

EU-Parlamentspräsident David Sassoli äusserte sich «zutiefst besorgt» über die Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Der Italiener forderte Lukaschenko auf, die Festgenommenen unverzüglich freizulassen und die Gewalt zu beenden.

Das russische Aussenministerium hingegen warf «ausländischen Kräften» vor, das Land «destabilisieren» zu wollen. Es gäbe «klare Versuche einer Einmischung von aussen».

Die belarussische Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch verurteilte die Polizeigewalt gegen Demonstranten. Die Regierung habe «den Krieg gegen ihr eigenes Volk» erklärt, sagte sie dem Sender Radio Liberty/Radio Free Europe.

Den seit 26 Jahren mit harter Hand regierenden Lukaschenko forderte Alexijewitsch zum Rücktritt auf. «Geh, bevor es zu spät ist, bevor Du Menschen in einen fürchterlichen Abgrund geworfen hast, den Abgrund des Bürgerkrieges», sagte die langjährige Kritikerin des Staatschefs.

Dem amtlichen Wahlergebnis zufolge hatte Lukaschenko am vergangenen Sonntag mehr als 80 Prozent der Stimmen geholt. Tichanowskaja, zu deren Wahlkampf-Auftritten tausende Menschen gekommen waren, soll demnach nur auf rund zehn Prozent gekommen sein. An dem offiziellen Wahlergebnis gibt es auch im Ausland erhebliche Zweifel. Die EU nannte die Wahl «weder frei noch fair».

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

EUOppositionHeiko MaasMike PompeoGewaltKriegRegierungWahlkampf