Nach der von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl in Kirgistan überschlagen sich die Ereignisse in dem zentralasiatischen Land: Ministerpräsident Kubatbek Boronow trat am Dienstag zurück, wie der parlamentarische Pressedienst mitteilte.
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Protest gegen Dscheenbekow in Bischkek. - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Parlament wählt aus Gefängnis befreiten Politiker zum neuen Regierungschef.

Zum Nachfolger wurde der zuvor von Demonstranten aus dem Gefängnis befreite nationalistische Politiker Sadyr Schaparow gewählt. Nachdem das politische Lager von Staatschef Sooronbai Dscheenbekow zum Wahlsieger erklärt worden war, war es zu massiven Protesten gekommen. Daraufhin wurde das Wahlergebnis annulliert.

«Schaparow wurde zum amtierenden Ministerpräsidenten der Kirgisischen Republik gewählt», hiess es in einer Erklärung. Die Entscheidung sei auf einer ausserordentlichen Sitzung des Parlaments getroffen worden. Die Wahl fand demnach in einem Hotel statt, nachdem Demonstranten das Parlament besetzt hatten. Schaparow gilt als Kritiker des Präsidenten.

Den Gegnern des Präsidenten war es in der Nacht zu Dienstag auch gelungen, den wegen Korruption inhaftierten Ex-Staatschef Alsambek Atambajew aus dem Gefängnis zu befreien. Atambajew war von 2011 bis 2017 Präsident. Nach seiner Festnahme im August 2019 hatte es heftige Ausschreitungen in Kirgistan gegeben. Seine Anhänger hielten das Vorgehen gegen Atambajew für politisch motiviert.

Den Befreiungsaktionen waren am Montag Demonstrationen mit tausenden Menschen vor allem in der Hauptstadt Bischkek vorausgegangen. Die Menschen forderten einen Tag nach der Parlamentswahl den Rücktritt von Präsident Dscheenbekow sowie Neuwahlen. Dabei lieferten sich die Demonstranten auch gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden bei den Ausschreitungen mehr als 600 Menschen verletzt, ein Mann kam ums Leben. In der Nacht zum Dienstag stürmten und besetzten die Demonstranten schliesslich das Parlamentsgebäude, in dem auch Dscheenbekow seinen Amtssitz hat. Der zurückgetretene Boronow ist ein Unterstützer Dscheenbekows.

Nach den Protesten erklärte der Präsident noch am Dienstagmorgen, die Lage unter Kontrolle zu haben. Der Staatschef «kontrolliert die Situation und drückt sein Vertrauen aus, dass alle politischen Kräfte das Interesse des Landes über ihr eigenes stellen werden», hiess es in einer vom Präsidialamt veröffentlichten Erklärung. Dscheenbekow habe Anweisung erteilt, nicht auf die Demonstranten zu schiessen und «kein Blut zu vergiessen».

Die Wahlkommission des Landes annulierte unter dem Eindruck der Proteste das Wahlergebnis, wonach vier Parteien den Einzug ins Parlament schafften, von denen drei Präsident Dscheenbekow nahestehen. Die wichtigsten Oppositionsparteien Bir Bol und Ata Meken scheiterten demnach an der Sieben-Prozent-Hürde.

Die Opposition in dem zentralasiatischen Land warf dem Präsidenten Wahlbetrug vor und rief zu Protesten auf. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von «glaubwürdigen» Berichten über Stimmenkauf.

Russland zeigte sich besorgt über das Eindringen von Demonstranten in Regierungsgebäude. «Wir sind sicherlich besorgt», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow noch vor dem Rücktritt von Ministerpräsident Boronow. Die russische Regierung hoffe, dass die Politiker in Kirgistan so schnell wie möglich eine gesetzmässige Lösung für die Unruhen fänden.

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