Klarer Sieg der ÖVP stärkt Österreichs Kanzler Kurz vor Misstrauensvotum

Das Wichtigste in Kürze
- FPÖ mit deutlichen Einbussen im Vergleich zu Umfragen vor Ibiza-Skandal.
Die Partei kommt auf 34,5 Prozent der Stimmen und liegt mit einem haushohen Vorsprung vor der sozialdemokratischen SPÖ mit 23,5 Prozent und der rechtspopulistischen FPÖ mit 17,5 Prozent, wie Prognosen für österreichische Medien am Sonntag ergaben. Die Grünen kamen auf 13,5 Prozent und die liberalen Neos auf acht.
Die ÖVP holte demnach mehr als sieben Prozentpunkte mehr als bei der Europawahl vor fünf Jahren. In der Parteizentrale erschallten nach Bekanntgabe der Prognosen immer wieder «Kanzler-Kurz»-Sprechchöre, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtete. Generalsekretär Karl Nehammer sprach im ORF von einem «starken Vertrauensvotum» für den Regierungschef.
Der frühere Koalitionspartner FPÖ büsste dagegen im Vergleich zu Umfragen vor Bekanntwerden des Ibiza-Skandals massiv ein. Zeitweise hatte sie in Vorwahl-Umfragen bei 24 Prozent gelegen. Im Vergleich zur Europawahl vor fünf Jahren verloren die Rechtspopulisten gut zwei Prozentpunkte, damals hatten sie 19,7 Prozent erreicht.
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker zeigte sich dennoch zufrieden. Die Partei habe seit Bekanntwerden des Ibiza-Skandals ein professionelles Krisenmanagement betrieben und ihr Ergebnis von 2014 beinahe gehalten, sagte er der Nachrichtenagentur APA. Er sah in den Prognosen auch keinen Trend für die vorgezogenen Parlamentswahlen im September. «Die FPÖ ist dafür bekannt, eine Wahlkampf-Lokomotive zu sein.»
In einem heimlich auf Ibiza gedrehten Video hatte sich der inzwischen zurückgetretene FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 unter anderem bereit gezeigt, als Gegenleistung für verdeckte Wahlkampfgelder öffentliche Aufträge an die angebliche Nichte eines russischen Oligarchen zu vergeben. Zudem hoffte er, mit Hilfe einer Beteiligung der Russin an der auflagenstarken «Kronen Zeitung» Einfluss auf das mächtige Boulevardblatt zu gewinnen und so die Position seiner FPÖ bei Wahlen zu stärken.
Die Veröffentlichung vor rund einer Woche führte zu einem politischen Erdbeben: Strache musste von seinen Ämtern als Vizekanzler und Parteichef zurücktreten, die Koalition aus FPÖ und ÖVP zerbrach.
Kanzler Kurz führt deshalb derzeit eine Minderheitsregierung, der seit dem Rückzug der FPÖ-Minister mehrere Experten angehören. Es ist unklar, ob seine Regierung das für Montag angesetzte Misstrauensvotum im Parlament übersteht. Offen ist, ob die FPÖ und die sozialdemokratische SPÖ dem Misstrauensantrag der Partei Liste Jetzt zustimmen. In dem Fall wäre die Kanzlerschaft des 32-Jährigen nach knapp anderthalb Jahren beendet.
Laut ORF zog die Europawahl mehr Österreicher an die Urnen als vor fünf Jahren. Die Beteiligung könnte erstmals seit 1996 bei mehr als 50 Prozent liegen.
Die am Sonntag veröffentlichten Prognosen zur Europawahl basierten auf Umfragen mehrerer Meinungsforschungsinstitute, bei denen seit Dienstag mehr als 5200 Wahlberechtigte befragt wurden. Die Vorhersagen wurden laut Meinungsforschern von dem vor gut einer Woche veröffentlichten Enthüllungsvideo um Strache erschwert. Sie gaben die Fehlertoleranz mit plus/minus 2,5 Prozent an.