Innenministerin Faeser warnt vor Gefahr durch wachsende Reichsbürger-Szene
Nach der jüngsten Grossrazzia gegen ein Terrornetzwerk hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor einer wachsenden Gefahr durch die Reichsbürger-Szene gewarnt.

Diese erhalte jüngst Zulauf, sagte Faeser der «Bild am Sonntag» unter Verweis auf Zahlen des Bundesamts für Verfassungsschutz. Unterdessen ging die Debatte über ein entschiedeneres Vorgehen gegen Extremisten im Staatsdienst und den Umgang mit der AfD am Wochenende weiter.
Faeser sagte der Zeitung, die Zahl der Menschen, die der Verfassungsschutz aktuell dem Reichsbürger-Milieu zuordne, sei im Vergleich zum Vorjahr um 2000 auf 23.000 Personen angestiegen. Zehn Prozent gelten demnach als gewaltbereit. Im vergangenen Jahr wurden 239 Gewalttaten von Reichsbürgern registriert.
Mit Blick auf den aktuellen Schlag der Behörden gegen ein Netzwerk aus mutmasslichen Verschwörern und Extremisten warnte die Ministerin zugleich vor Verharmlosungen. «Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen, die jetzt allesamt in U-Haft sitzen.» Die Regierung werde das deutsche Waffenrecht «in Kürze weiter verschärfen».
Am Mittwoch waren Polizei und Generalbundesanwalt mit mehreren tausend Einsatzkräften bundesweit gegen ein mutmassliches Terror-Netzwerk aus Reichsbürgern vorgegangen, die einen gewaltsamen Umsturz geplant haben sollen. Es gibt mehr als 50 Beschuldigte; unter den Verdächtigen sind unter anderem auch ein aktiver Soldat und Reservisten sowie die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann.
CSU-Landesgruppenschef Alexander Dobrindt (CSU) forderte «klare» Regelungen, um Extremisten mit Umsturzideen aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen. «Ich glaube, wer einen Staatsstreich plant, der kann nicht für diesen Staat arbeiten», sagte Dobrindt im Deutschlandfunk. Wenn jemand «in einer Reichsbürger-Gemeinschaft diesen Staat vom Grundsatz her ablehnt, das muss ausreichend sein, um ihn dann aus dem Staatsdienst zu entfernen».
Dobrindt sprach sich zugleich für eine stärkere Beobachtung der gesamten AfD durch den Verfassungsschutz auf Bundesebene aus. Es habe schon «immer» die «suspekte Situation» bestanden, dass demokratiefeindliche Tendenzen in der Partei und der Fraktion bekannt gewesen seien, sagte er. Nun sei «noch der eindeutige Beweis» dazu geführt worden. Das müsse «hinreichender Grund sein», um seitens der Sicherheitsbehörden dort «noch genauer» hinzuschauen.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) warnte vor zunehmendem Rechtsextremismus in den Reihen der AfD. «In der Partei tut sich was», sagte er der «Bild am Sonntag». Selbst in den vor einigen Jahren noch relativ gemässigten Landesverbänden der Partei gebe es inzwischen «eine klare Bewegung ins Rechtsextremistische», sagte Pistorius der Zeitung.
Der Zeitpunkt für ein AfD-Verbotsverfahren sei seiner Auffassung nach noch nicht gekommen, fügte der niedersächsische Minister an. «Aber wir müssen hingucken, prüfen und sammeln, damit wir den Zeitpunkt nicht verpassen.»
Pistorius warnte zugleich vor strategisch angelegten Anwerbeversuchen der AfD in den Sicherheits- und Justizbehörden. «Generell versucht die AfD das Gleiche, was die NSDAP Ende der 20er-Jahre auch gemacht hat: in die Sicherheitsorgane, in die Justiz vorzudringen. Das macht die AfD ganz gezielt und strategisch.» Dagegen müsse die Polizei gestärkt werden.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem Radiosender Bayern 2, es sei bekannt, dass die Reichsbürgerbewegung im Sicherheitsbereich für sich werbe. Auch in seinem Bundesland habe es bereits Fälle gegeben, bei denen Anhänger der Reichsbürgerideologie aus dem Polizeidienst entfernt worden seien. Es sei zudem wichtig, dass jeder einzelne Bürger und jede Behörde vom Finanz- bis zum Landratsamt «Reichsbürgeraktivitäten» meldeten.
Die Linke im Bundestag forderte schnelle Auskünfte von der Bundesregierung zum Ausmass der Bedrohung. Faeser müsse den Bundestag «zeitnah» über «die Bedrohung der Demokratie durch Netzwerke von Reichsbürgern und anderen Rechtsextremisten informieren», erklärte Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte am Samstag. Am Montag befassen sich mehrere Bundestagsausschüsse mit dem jüngst aufgedeckten Verschwörungsnetzwerk aus der Reichsbürgerszene.