Beim G20-Gipfel in Neu Dehli wurde die Afrikanische Union (AU) als vollwertiges Mitglied aufgenommen. Krieg, Klima und andere Debatten führen zu Spannungen.
G20 Gipfel Narendra Modi
Der indische Premierminister Narendra Modi war der diesjährige Gastgeber der G20. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Motto des G20-Gipfels in Neu Dehli lautete «One Earth, one Family, one Future».
  • Der Ukraine-Krieg durfte nicht mehr von der Mehrheit der Länder verurteilt werden.
  • Russland und China liessen dies nicht zu.
  • Man versuchte, gemeinsam Lösungen zu finden – bezüglich Klima kommt man nicht viel weiter.

Man konnte sich auf einem mühsam errungenen Kompromiss zum Ukraine-Krieg einigen: Die Gruppe führender Industrie- und Schwellenländer hat ein Scheitern des G20-Gipfels in Indien verhindert.

Die Staats- und Regierungschefs demonstrierten am Wochenende in Neu Delhi den Willen, weiter gemeinsam Lösungen für Menschheitsprobleme zu suchen. Dazu gehören zum Beispiel Klimawandel und Armut. Die Ergebnisse blieben diesmal jedoch dürftig.

Die Ukraine zeigte sich verärgert, weil der russische Angriffskrieg in der Abschlusserklärung nicht explizit verurteilt wird. Der Westen sieht in dem Text dennoch klare Kritik an Russland. Auch Moskau lobte allerdings das Ergebnis und reklamierte es als Erfolg für sich.

Indien als Anwalt der ärmeren Staaten

Belastet wurde das Treffen auch durch die Absage des chinesischen Staatschefs Xi Jinping. Er liess sich von Ministerpräsident Li Qiang vertreten – für Gastgeber Indien ein Stoss vor den Kopf.

Der indische Premierminister Narendra Modi hatte den Gipfel unter das Motto gestellt: «One Earth, one Family, one Future» (deutsch: «Eine Erde, eine Familie, eine Zukunft»). Er hat sich selbst zum Anwalt der ärmeren Staaten in der Welt – des sogenannten globalen Südens – ernannt.

Der sichtbarste Erfolg seiner Strategie war die Aufnahme der Afrikanischen Union (AU) gleich zu Gipfelbeginn als vollwertiges Mitglied der G20. Die AU vertritt die Interessen von rund 1,3 Milliarden Menschen.

G20-Gipfel von Deutschland und USA positiv betrachtet

Brasilien wird von Dezember an für ein Jahr die G20-Präsidentschaft übernehmen. Das Land will den Kampf gegen Hunger und Ungleichheit ins Zentrum seiner Arbeit im nächsten Jahr stellen. Das sagte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lobte den Geist des Treffens: «Ein neues Miteinander von Nord und Süd, das ist hier beim G20-Gipfel in Neu-Delhi gelungen.» Für US-Präsident Joe Biden bewies der Gipfel, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die G20-Gipfel wichtig sind. «die G20 sind in der Lage, nach Lösungen für unsere drängendsten Probleme» zu suchen.

Russischer Angriffskrieg nicht mehr von der Mehrheit der Länder verurteilt

Der russische Angriffskrieg konnte nun nicht mehr explizit von einer Mehrheit der Länder verurteilt werden. Das war noch anders bei G20 im Vorjahr auf Bali in Indonesien. Russland und sein Partner China waren diesmal nicht bereit, eine solche Formulierung zu akzeptieren. Stattdessen verweist die Abschlusserklärung auf entsprechende Resolutionen der Vereinten Nationen : Allgemein auf die territoriale Integrität, also die Unverletzlichkeit von Grenzen.

Dennoch würdigte Scholz die Passage: Es wurden Entscheidungen getroffen, bei denen «Russland akzeptieren musste, dass die Weltgemeinschaft die gewalttätigen Prinzipien russischer Politik nicht richtig findet».

Über eine mögliche Teilnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin am nächsten G20-Gipfel 2024 in Brasilien wollte Scholz nicht spekulieren. Lula da Silva hatte zuvor gesagt: «Wenn ich Präsident bin und er nach Brasilien kommt, dann wird er auf keinen Fall verhaftet.» Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen Putin wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen.

Westen verliert laut Russland seine «Vormachtstellung»

Russlands Aussenminister Sergej Lawrow, der Putin in Neu Delhi vertrat, war sehr zufrieden mit den Ergebnissen. Der Westen verliere heute seine «Vormachtstellung» in der Welt und eine multipolare Weltordnung gewinne an Gewicht, sagte er. «Der Westen kann kein Hegemon bleiben, wenn man in Betracht zieht, dass objektiv neue globale Zentren entstehen und an Stärke gewinnen.» Es sei dank der Geschlossenheit des «globalen Südens» gelungen, eine «Ukrainisierung» des Gipfels zu verhindern.

In der Ukraine war der Ärger über die Gipfelerklärung gross. Auf Bali hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch per Video zum Gipfel gesprochen, das blieb ihm dieses Mal verwehrt. Mychajlo Podoljak, Berater im Präsidentenbüro, warf Lawrow vor, beim Gipfel Kriegspropaganda verbreitet zu haben. Es brauche mehr internationale Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen wie gegen Putin, um Auftritte von «Subjekten wie Lawrow» zu verhindern.

Nicht viel weiter bezüglich Klimaschutz

Klimaschützer beklagten eine «absurd grosse» Lücke zwischen den Versprechen der G20-Nationen und ihrem tatsächlichen Engagement im Kampf gegen die Erderhitzung. Insbesondere Russland und Saudi-Arabien hätten bei dem Gipfel in Neu Delhi viel verhindert: In der finalen Erklärung wurde kein Ausstieg aus Öl und Gas angekündigt. Dies bilanzierte zum Beispiel Christoph Bals von Germanwatch.

Angesichts der Gefahren durch Künstliche Intelligenz (KI) schlug EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Einrichtung eines neuen globalen Beratungsgremiums vor. Das Organ sollte dem Weltklimarat (IPCC) ähneln: Es könnte sich mit den gesellschaftlichen Risiken, aber auch mit den möglichen Vorteilen der Technologie beschäftigen.

Ein weiterer Konfliktpunkt war, ob der G20-Gipfel im Jahr 2026 in den USA oder anderswo ausgerichtet werden soll. Die USA setzten sich dabei nach Angaben von Diplomaten gegen China durch. Nach Brasilien im kommenden Jahr ist 2025 Südafrika an der Reihe.

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