Auch ohne Putin: Erdogan als wahrer Gewinner des Istanbul-Treffens
Durch sein Fernbleiben macht Wladimir Putin einen Durchbruch beim Istanbul-Treffen unwahrscheinlich. Für Recep Tayyip Erdogan ist es dennoch ein Erfolg.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Teilnahme an den Ukraine-Verhandlungen in Istanbul kurzfristig definitiv abgesagt. Stattdessen entsendet er lediglich Berater aus der zweiten Reihe, wie die «Tagesschau» berichtet.
Auch US-Präsident Donald Trump bleibt dem Treffen fern, was die Erwartungen an einen diplomatischen Durchbruch zusätzlich dämpft. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan empfing dennoch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj persönlich in Istanbul.
Handel mit Putin – Drohnen für Selenskyj
Erdogan nutzt die Bühne, um sich als zentraler Vermittler im Ukraine-Konflikt zu präsentieren. Experten sehen ihn laut «Focus» als eigentlichen Gewinner des aktuellen diplomatischen Tauziehens zwischen Putin und Selenskyj.

Erdogan hat sich in den letzten Jahren als einziger Staatschef etabliert, dem beide Konfliktparteien Vertrauen zu schenken scheinen. Der Politikberater Sinan Ülgen betont gegenüber der ARD, Erdogan gelte als «ehrlicher Makler» für beide Seiten.
Die Türkei pflegt weiterhin enge Handelsbeziehungen mit Russland. Zeitgleich beliefert sie die Ukraine mit Drohnen, wie «Focus» darlegt.
Erdogans Rolle im Ukraine-Konflikt
Erdogan profiliert sich als pragmatischer Vermittler und Gastgeber wichtiger Gipfeltreffen. Bereits 2022 brachte er einen von den Vereinten Nationen unterstützten Getreidedeal zustande, der der Ukraine weitere Exporte ermöglichte.

Auch der grösste Gefangenenaustausch seit dem Kalten Krieg wurde unter seiner Vermittlung organisiert. Im Sommer 2024 wurden 26 Personen aus den USA, Deutschland, Polen, Slowenien, Norwegen, Russland und Belarus freigelassen.
Prestige und Deals für die Türkei
Obwohl Putin nicht persönlich erscheint, bleibt Erdogan im engen Kontakt mit dem Kreml. Die Tatsache, dass Delegationen aus Russland und der Ukraine in der Türkei verhandeln, gilt als diplomatischer Erfolg für Erdogan.
Erdogan nutze die internationale Aufmerksamkeit laut «Focus», um seine Position auf der Weltbühne zu stärken. Nato-Generalsekretär Mark Rutte lobte seine Rolle und forderte mehr Rüstungsaufträge für die Türkei, was dem Land geopolitische Vorteile verschafft.
Kritische Beobachter sehen darin einen Prestigegewinn für die Türkei, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die wirtschaftlichen Vorteile sind beträchtlich: Neue Rüstungsaufträge aus der EU und der Ausbau des internationalen Handels stärken die Position der Türkei.
Zeichen nach innen und aussen
Erdogan sendet ein klares Signal: Die Türkei ist bereit, Gastgeber für weitere Friedensgespräche zu sein. Sein Angebot, sowohl Putin als auch Selenskyj zu empfangen, unterstreicht die zentrale Rolle Ankaras in der aktuellen Krise.
Zudem gelingt es Erdogan, aussenpolitische Stärke in innenpolitisches Kapital umzuwandeln. In einer Zeit, in der er innenpolitisch unter Druck steht, verschafft ihm die Vermittlerrolle breite Anerkennung.