AKP-Abgeordneter Yeneroglu erklärt Austritt aus türkischer Regierungspartei
Der türkische Abgeordnete Mustafa Yeneroglu hat auf Druck von Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Austritt aus der Regierungspartei AKP erklärt.

Das Wichtigste in Kürze
- Deutsch-türkischer Politiker behält zunächst sein Parlamentsmandat.
Der in Deutschland aufgewachsene Politiker begründete die Entscheidung am Mittwoch mit langwährenden Differenzen über den Kurs der islamisch-konservativen Partei Erdogans. Yeneroglu ist regelmässig Gast in deutschen Talkshows gewesen und bemühte sich bei Konflikten mit Deutschland wiederholt um Vermittlung.
In dem live auf Twitter übertragenen Auftritt sagte Yeneroglu, dass er die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) auf Aufforderung ihres Vorsitzenden Erdogan verlasse. Er habe seit zwei oder drei Jahren Bedenken hinsichtlich der Politik der Partei und diese auch öffentlich geäussert, sagte der Politiker, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. So erwähnte er «die Beschädigung unserer demokratischen Institutionen und die Verletzung der Menschenrechte».
Er habe sich insbesondere zu den «Schwierigkeiten» geäussert, welche die Türkei unter dem Ausnahmezustand nach dem Putschversuch von Juli 2016 erlebt habe. «Ich erwarte von den politischen Parteien in der Türkei, dass sie pluralistisch und offen für Partizipation sind», sagte er. Eine konservative Partei dürfe sich Aleviten und Kurden nicht verschliessen. Er wünsche sich eine Partei wie zu Zeiten der Gründung der AKP, sagte er.
Möglicherweise werde er auch sein Mandat als Abgeordneter niederlegen, sagte Yeneroglu, der seit 2015 für die AKP im Parlament sitzt und dort zeitweilig dem Menschenrechtsausschuss vorstand. Er wolle später entscheiden, ob er sich einer geplanten neuen Partei des früheren Wirtschaftsministers Ali Babacan oder Ex-Ministerpräsident Ahmet Davutoglu anschliessen werde, sagte der Sohn türkischer Gastarbeiter aus Köln.
Der Jurist gehörte vor seinem Wechsel in die Politik zur Leitung der islamistischen Bewegung Milli Görüs. In den vergangenen Jahren setzte er sich wiederholt als Vermittler bei Konflikten mit Deutschland ein - etwa dem Entzug der Akkreditierung von Journalisten. Als Gast in deutschen Talkshows verteidigte er regelmässig die Politik Erdogans. Scharfe Kritik übte er immer wieder an Rassismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland.
Zuletzt trat der kurdischstämmige Politiker aber auch vermehrt mit Kritik an der Politik der Regierung hervor. Im Fall eines Mannes, der mutmasslich von den Sicherheitskräften verschleppt wurde, sprach er von einer «Schande» für den Rechtsstaat. Als ein alter Mann kürzlich angegriffen wurde, vermutlich weil er Kurdisch gesprochen hatte, verurteilte Yeneroglu dies auf Twitter als «Barbarei» und sprach ihm auf Kurdisch sein Mitgefühl aus.
Seine zunehmenden Probleme mit der AKP begründete Yeneroglu nun auch damit, dass er in Deutschland gross geworden sei. «Dies ist eine Frage der Sozialisation», sagte er. «Ich bin nicht in einem autoritären Bildungssystem aufgewachsen.» Vielmehr sei er in einem individualistischen, anti-autoritären Umfeld dazu erzogen worden, die Wahrheit zu sagen und für sie zu kämpfen.