Ein Rechtsrutsch! Die Wahlen 2023 sind vorbei und die Schweiz ist nicht mehr wiederzuerkennen. Oder doch? Ein Kommentar.
Thomas Stettler Wahlen 2023
Thomas Stettler, Nationalratskandidat der SVP im Kanton Jura, wird von seiner Frau und einem bunten Blumenstrauss beglückwünscht. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wahlen 2023 haben uns einen Rechtsrutsch beschert.
  • Wird nun alles anders?
  • Eins ist sicher: Wir werden das gemeinsam stemmen. Ein Kommentar.
Ad

Endlich! Endlich, das sagen nicht nur Nicht-Wähler, sondern wohl auch viele aktive Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Endlich dominiert nicht mehr Wahlwerbung die Plakattafeln, sondern endlich wieder die Krankenkassen- und Auto-Leasing-Angebote. Ein kollektives Aufatmen geht durch das Land.

Aber halt, da war ja noch dieser Rechtsrutsch am Sonntag: Endlich, sagen da ebenfalls die einen, während andere den Weltuntergang befürchten, wenn nicht sogar das Ende der Schweiz, wie wir sie kennen.

Wahlen 2023: Rutsch, Rütschli & Stemmbogen

Ja, es gab überraschende Resultate und auch ein überraschendes Gesamtergebnis. Es gab Freudentränen und tragische Einzelschicksale. Beim alle vier Jahre stattfindenden nationalen Stühlerücken sind tatsächlich ein paar Sitze von der einen zur anderen Partei gerutscht. Aber die Schweiz gleitet deswegen noch lange nicht in eine völlig andere Richtung.

Wahlen 2023 Nationalrätinnen Basel-Stadt
Die wiedergewählten Nationalrätinnen für den Kanton Basel-Stadt, Katja Christ (GLP), Sibel Arslan (Grüne), Patricia von Falkenstein (FDP) und Sarah Wyss (SP), von links, feiern gemeinsam mit einem bunten Blumenstrauss. - keystone

Gerutscht wird immer mehr oder minder schräg zur Falllinie. Ausgerechnet in der Schweiz sollte man solches eigentlich am besten wissen, schliesslich sind wir Rutschexperten, speziell auch auf schlüpfrigem Untergrund.

Denn erstens waren wir schon immer eher gemütlich unterwegs, sozusagen im politischen Stemmbogen. Und zweitens saust man wegen ein wenig Gewichtsverlagerung nicht gleich davon, sondern dreht eine sanfte Kurve in Richtung Bergski. Vor allem aber wird danach der unbelastete Talski wieder herangezogen, schliesslich will man die Abfahrt weiterhin gemeinsam fortsetzen.

Klare Resultate, unklare Ausgangslage

Das Verdikt des Stimmvolks mag klar sein, aber keine Partei kann für sich in Anspruch nehmen, jetzt von ebendiesem Stimmvolk einen klaren Auftrag erhalten zu haben. Sondern nur von einer Minderheit. Niemand kann sich allein durchsetzen, niemand allein die politische Arbeit blockieren. Der Rutsch nach rechts erreicht nicht einmal die Verhältnisse von 2015. Weder damals noch vier Jahre später mit der Klimawahl war die Schweiz plötzlich komplett anders.

Nationalrat Zusammensetzung Wahlen 2023
Die parteipolitische Zusammensetzung des neuen Nationalrats. - keystone

Denn die Grünen durften nicht nur über Klima-Gesetze abstimmen und die Mitte nicht nur über Individualbesteuerung. Die SVP wird die nächsten vier Jahre nicht einzig und allein Migrations-Bestimmungen verschärfen. Alle werden auch über die AHV, Kriegsmaterialexporte, Medienpolitik und Fortpflanzungsmedizin befinden müssen.

Nicht umsonst sind wir die Könige des Diminutivs. Wir haben das Müesli erfunden und können nicht verstehen, warum das Chuchichäschtli kein weltweit gebräuchliches Fremdwort ist. Während in anderen Ländern Wahlen tatsächlich einen Rutsch nach links, rechts oder mittendurch auslösen, war das hierzulande wohl eher ein Rütschli.

Hauptsache gut ankommen

Entsprechend gibt es keinen «Machtwechsel» und es werden keine Gesetze gekippt oder ins Gegenteil verkehrt, nur um bei der nächsten Gewichtsverlagerung wieder angesteuert zu werden. Das Parlament ist zu bunt zusammengewürfelt dazu und so gezwungen, miteinander auszukommen und mit wechselnden Mehrheiten sanfte Schwünge Richtung Tal hinzubekommen.

Nationalratspräsident Candinas Nussbaumer Riniker
Das (noch) aktuelle Präsidium des Nationalrats mit Martin Candinas (Mitte, links), Eric Nussbaumer (links, Mitte) und Maja Riniker (rechts, rechts). - Screenshot parlament.ch

Und das ist gut so. Im Gegensatz zu den USA könnte die Absetzung des Ratspräsidenten nicht einen vollständigen Stillstand des Ratsbetriebs verursachen. Denn wir wissen bereits jetzt, wer im Dezember neuer Nationalratspräsident wird (Eric Nussbaumer von der SP). Ja, wir wissen sogar jetzt schon, wer im Dezember 2024 neue Ratspräsidentin wird (Maja Riniker von der FDP).

Welche Partei haben Sie gewählt?

Weil sich die Parteien einigen, einigen müssen, wenigstens in der Mehrheit. Weil es so keine abrupten Richtungswechsel gibt und ein Einfädler höchstens etwas Rückstand bei der zweiten Zwischenzeit einträgt. Das mag nicht immer zur Goldmedaille reichen. Eigentlich nie – aber immerhin kommen wir unverletzt unten an, alle vier Jahre wieder.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

KrankenkassenGrüneParlamentAbfahrtAHVSVPWahlen 2023