Im Umgang mit Wladimir Putin hat der ehemalige Bankmanager Joe Ackermann viel Erfahrung. Er hält «gar nichts» von einer Enteignung russischer Oligarchen.
ackermann
Joe Ackermann bei einem Symposium in St.Gallen. - Keystone
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Ex-Bankmanager Joe Ackermann hat viel Erfahrung mit Oligarchen und Wladimir Putin.
  • Von Beschlagnahmungen russischer Vermögenswerte hält er wenig: «Eine Büchse der Pandora.»
  • Putin lege wenig Wert auf wirtschaftliche Interessen und höre nicht auf Wünsche der Elite.

Joe Ackermann feierte gestern seinen 75. Geburtstag – vorgestern Abend war der ehemalige Chef der Deutschen Bank zu diesem Anlass im «EcoTalk» zu Gast. Neben der Karriere des Bankmanagers standen im Gespräch mit Reto Lipp auch aktuelle Themen aus Politik und Wirtschaft im Fokus. Für reichlich Gesprächsstoff sorgte insbesondere die Enteignung von Vermögenswerten russischer Oligarchen.

Die Kosten für den Wiederaufbau schätzt das ukrainische Wirtschaftsministerium schon heute auf mehr als tausend Milliarden US-Dollar. Für die Ukraine steht fest: Kremlnahe Oligarchen sollten zur Kasse gebeten werden, um diese Kosten zu decken.

Ukraine-Krieg Zerstörung
Das Ausmass der Zerstörung in der Ukraine ist enorm: Das ukrainische Wirtschaftsministerium schätzt die Kosten für den Wiederaufbau bereits jetzt auf mehr als tausend Milliarden US-Dollar. (Archivbild) - Keystone

Die Vereinigten Staaten, zahlreiche ehemalige Sowjetrepubliken sowie linke Politiker sprechen sich seit geraumer Zeit für eine Enteignung dieser Vermögenswerte aus. Am Freitag hat US-Justizminister Merrick Garland eine erste Überweisung von beschlagnahmten Vermögen genehmigt.

Kremlnahe Oligarchen als kriminelle Organisation?

Aussenminister Ignazio Cassis hatte diese Forderung jüngst anerkannt – betont allerdings, dass die rechtlichen Grundlagen dafür erst geschaffen werden müssten. Doch Korruptionsexperte Mark Pieth ist anderer Ansicht: Der nötige Rechtsrahmen bestehe schon heute, erklärt er bei «SRF». Die Schweiz könne den russischen Machtzirkel als kriminelle Organisation einstufen, um die Vermögenswerte zu beschlagnahmen.

Mark Pieth
Korruptionsexperte Mark Pieth ist überzeugt: Die Schweiz könnte den russischen Machtzirkel als kriminelle Organisation einstufen, um die Oligarchen zu enteignen. (Archivbild) - Keystone

Dabei verweist der emeritierte Rechtsprofessor auf Artikel 72 im schweizerischen Strafgesetzbuch: Demnach könnten Gerichte Vermögenswerte einziehen, welche «der Verfügungsmacht einer kriminellen oder terroristischen Organisation unterliegen». Ein entsprechender Präzedenzfall existiere bereits: Im Februar 2005 hatte das Bundesgericht entschieden, rund 700 Millionen US-Dollar des Abacha-Clans an die nigerianische Regierung zu überweisen.

Sani Abacha
Der nigerianische Militärdiktator Sani Abacha ( † 8. Juni 1998 in Abuja) und seine Gefolgsleute haben mehr als zwei Milliarden US-Dollar staatlicher Gelder gestohlen. (Archivbild) - Keystone

Der nigerianische Militärdiktator Sani Abacha und seine Gefolgsleute hatten während ihrer brutalen Herrschaft nachweislich staatliche Gelder in Milliardenhöhe veruntreut. Ein Teil dieser Gelder tauchte nach dem Sturz des Autokraten auf Schweizer Bankkonten auf. Dort wurden sie zuerst blockiert, später enteignet und an die Regierung in Abuja überwiesen.

Joe Ackermann hält nichts von der Idee

Joe Ackermann hält jedoch wenig von dem Vorschlag: Im Gegensatz zum Abacha-Clan handle es sich bei der russischen Wirtschaftselite keineswegs um eine bandenmässige, kriminelle Vereinigung. Personen, die auf einer Sanktionsliste stehen, hätten ihr Vermögen nicht automatisch mit illegalen Machenschaften aufgebaut, so Ackermann. Die Enteignung russischer Oligarchen basierend auf Artikel 72 StGB sei deshalb nicht rechtmässig.

Zusätzlich greift der Finanzexperte auf seine persönliche Erfahrung mit russischen Oligarchen und Wladimir Putin zurück: «Wer glaubt, die Regierung in Moskau richtet sich nach den Wünschen der Oligarchen, der irrt sich gewaltig.»

Joe Ackermann
Joe Ackermann hält nichts von der Enteignung russicher Oligarchen. (Archivbild) - Keystone

Putin zeichne sich gerade dadurch aus, dass seine persönlichen Interessen eher in der Macht- als in der Wirtschaftspolitik anzusiedeln seien. Vor diesen Hintergründen würde der wachsende Druck auf Grossindustrielle keineswegs dazu beitragen, den Ukraine-Krieg schneller zu beenden.

Die Schweiz muss «Rückgrat» zeigen

Schliesslich verweist der Finanzexperte auch auf die Eigeninteressen der Schweizer Eidgenossenschaft: Eine willkürliche Enteignung von Einzelpersonen, die für völkerrechtswidrige Handlungen ihrer Staaten verantwortlich gemacht werden, sei eine «Büchse der Pandora». Für Joe Ackermann steht deshalb fest: «Das wäre ein verheerender Schaden für den Finanzplatz Schweiz.»

Paradeplatz Zürich
Der Paradeplatz in Zürich ist der Dreh- und Angelpunkt der Schweizerischen Finanzbranche. (Symbolbild) - Keystone

«Ich hoffe sehr, dass die Schweiz selbstbewusst genug ist, um nicht immer nur nach Brüssel und Washington zu schielen.» Die Eidgenossenschaft müsse für ihre eigenen Interessen einstehen und «ein bisschen mehr Rückgrat zeigen».

Sanktionen sind keine Strafmassnahmen

Tatsächlich stimmt der Bundesrat der Einschätzung von Joe Ackermann über weite Strecken zu. Im August 2022 hatte sich die Landesregierung noch klar gegen eine Enteignung russischer Oligarchen ausgesprochen – mit guten Gründen: Eine Einziehung der Vermögenswerte könne gar kontraproduktiv wirken, so die Erklärung der Landesregierung.

Sollten Oligarchen-Gelder zum Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden?

Sanktionen seien vorübergehende Zwangsmassnahmen, die einen Staat zur Rückkehr zu einem völkerrechtskonformen Verhalten bringen sollen. Folglich dürften Sanktionen keineswegs als Strafmassnahmen verstanden werden. Mit einem Einzug der Vermögenswerte würden die betroffenen Privatpersonen und Unternehmen nämlich jeglichen Anreiz für eine Verhaltensänderung verlieren.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Wladimir PutinIgnazio CassisBundesgerichtUkraine KriegGeburtstagBundesratRegierungDollarKriegStaatSRF