Die Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider hat am Mittwoch mit ihrer Wahl zur neuen SP-Bundesrätin für eine Überraschung gesorgt.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider wird im Progr von Parteimitgliedern gefeiert.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider wird im Progr von Parteimitgliedern gefeiert. - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Selbst der Politologe und Parlamentsmitglieder haben dies nicht so erwartet. Für den Berner Politologen Adrian Vatter ist die Wahl von Baume-Schneider «eine grosse Überraschung». Dass die Ständerätin mit 123 Stimmen eine Punktlandung gemacht habe, zeige, dass in den letzten Tagen vor der Wahl bei vielen Parlamentsmitgliedern noch Bewegung in den Entscheidungsprozess gekommen sei, sagte Vatter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Vatter machte den Überraschungserfolg an drei Punkten fest: Baume-Schneider sei als Vertreterin eines ländlichen Kantons offen für die Anliegen der Landwirtschaft. Weiter habe es taktische Überlegungen gegeben von SP-Männern, die ein Interesse daran haben, dereinst Alain Berset zu beerben. Ausserdem habe Baume-Schneider wohl mit ihrer offenen, sympathischen, unkomplizierten Art gepunktet, dies als Gegenpol zu Eva Herzog aus Basel mit ihrer eher distanziert-kühlen Art.

Nicht nur eine Überraschung, sondern auch eine grosse Freude war die Wahl von Baume-Schneider für ihren Kanton Jura, der nun zum ersten Mal in der Landesregierung vertreten ist. Dieser 7. Dezember 2022 werde als ein historischer Tag in Erinnerung bleiben, schrieb der Staatsrat in einer Medienmitteilung. Die Wahl sei ein Ereignis, auf das der gesamte Jura stolz sei und das seine junge Geschichte seit 1979 präge.

Überrascht wurden viele von den zahlreichen Stimmen für den Zürcher Daniel Jositsch. Er habe im ersten Wahlgang überraschend viele Stimmen geholt, hörten Reporterinnen und Reporter von Keystone-SDA in der Wandelhalle im Bundeshaus.

SP-Co-Präsident Cédric Wermuth ärgerte sich im Kurznachrichtendienst Twitter darüber. «Der Mini-Macho-Aufstand von SVP, FDP und Mitte bei den Bundesratswahlen war von kurzer Dauer. Offenbar hat es dort noch zu viele Männer, für die eine Frau in einer Machtposition immer noch eine Provokation ist», schrieb Wermuth.

Weniger überraschend war die Wahl Röstis zum Nachfolger für den SVP-Sitz von Ueli Maurer. Im Gegensatz zur SP habe es bei dieser Wahl keine Proteststimmen gegeben, die zu einem zweiten oder dritten Wahlgang geführt hätten, sagte dazu Politologe Vatter. Rösti gewann gegen den Zürcher alt Nationalrat Hans-Ueli Vogt.

Protest kam aber postwendend von den Klimaschützern. Die Umweltorganisation Umverkehr zeigte sich enttäuscht über die Wahl von Rösti. Mit ihm sei «ein veritabler Öllobbyist» in den Bundesrat gewählt worden. Das sei «ein fatales Signal für die nationale und internationale Klimapolitik», so der Tenor in einer Mitteilung. Umverkehr hoffe, dass der Noch-Präsident von Autoschweiz nicht das Umwelt- und Verkehrsdepartement übernehmen werde.

Auch die Operation Libero, die mit der SVP oft über Kreuz liegt, meldete sich zu Wort. «Soeben wurde ein neuer Vertreter der Rechtsaussen-SVP in den Bundesrat gewählt», schrieb die Organisation. Sie wandte sich direkt an den neuen Bundesrat: «Rösti, wir fordern von Ihrer Partei mehr Respekt für Andersdenkende und weniger Verhinderungspolitik.»

Mit der Wahl der Jurassierin Baume-Schneider aus der Ortschaft Les Breuleux und des Berner Oberländers Rösti, aufgewachsen in Kandersteg, kam auch die Diskussion um die Vertretung von Stadt und Land in der Landesregierung auf. «Leider haben wir es heute nicht geschafft, mindestens eine Vertretung einer urbanen und wirtschaftsstarken Region zu wählen», twitterte dazu Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte/BL). Auch der Tenor in den Medien-Kommentaren ging in diese Richtung.

Ausserdem sitzen nun vier Lateiner im Bundesrat. Für die FDP soll diese Mehrheit aber nur «eine kurze Übergangszeit» lang dauern. Die Fraktion erinnerte daran, dass die Bundesverfassung eine gerechte Verteilung der Sitze im Bundesrat auf die verschiedenen Regionen und Sprachgemeinschaften verlange. SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann sagte dazu, dass die Schweiz wegen dieser Mehrheit jetzt nicht untergehen werde.

Dass dadurch jetzt Alain Berset als französischsprachiger SP-Bundesrat unter Druck gerät, glaubt der Waadtländer SP-Nationalrat und Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard nicht. Berset sei noch jung, er könne noch einige Jahre im Amt bleiben. «Ich denke, es gibt keinen Druck für einen raschen Rücktritt von Alain Berset», sagte er zu Keystone-SDA.

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