Wer seine Organe nicht spenden will, soll dies zu Lebzeiten äussern. Am Montag hat der Ständerat der erweiterten Widerspruchslösung zugestimmt.
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Wer keine Organe spenden möchte, soll dies zukünftig festhalten müssen. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wer seine Organe nicht spenden möchte, muss dies künftig festhalten.
  • Der Ständerat hat am Montag der Widerspruchslösung zugestimmt.
  • Es sei ein «quasi automatischer Zugriff» auf den Körper eines Menschen, meinen die Gegner.

Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies künftig explizit festhalten müssen. Angehörige sollen aber eine Organspende ablehnen können. Der Ständerat hat am Montag der erweiterten Widerspruchslösung zugestimmt. Der Ständerat hat sich für den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» ausgesprochen.

Die Volksinitiative empfahl der Ständerat einstimmig zur Ablehnung. Heute gilt in der Schweiz bei der Organspende die Zustimmungslösung: Eine Organspende kommt nur dann infrage, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Spende zugestimmt hat. Liegt keine Willensäusserung vor, müssen die Angehörigen entscheiden.

Systemwechsel nötig

Die Volksinitiative verlangt einen Systemwechsel von der derzeitigen Lösung mit expliziter Zustimmung zur engen Widerspruchslösung. Wer seine Organe nicht spenden will, soll dies zu Lebzeiten äussern. Ansonsten wird davon ausgegangen, dass die Person im Falle ihres Ablebens mit der Entnahme von Organen einverstanden ist.

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Der Ständerat während einer Session. (Archivbild) - Keystone

Der Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung sei ein europäischer Trend, erläuterte Paul Rechsteiner (SP/SG), Präsident der vorberatenden Gesundheitskommission. Die Änderung sei eine konkrete Antwort auf den Organmangel. Respektive auf die Tatsache, dass zu wenig Menschen sich zu Lebzeiten dazu äusserten. Gemäss einer Umfrage wären nämlich viele Menschen bereit, ein Organ zu spenden, würden den Willen aber nie äussern, sagte Rechsteiner.

Zeit, den Schritt zu gehen

Die Forderung der Volksinitiative geht dem Bundesrat und dem Ständerat aber zu weit. Der Bundesrat sieht im indirekten Gegenvorschlag daher ergänzend vor, dass künftig auch Angehörige eine Organspende ablehnen können. So werden wie bisher die Angehörigen befragt, wenn sich kein dokumentierter Wille findet. Sie könnten einer Entnahme von Organen widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht.

Gesundheitsminister Alain Berset sagte: Wenn es keinen geäusserten Willen gäbe und die Angehörigen sich nicht äussern könnten, sei keine Organe-Entnahme möglich. Es sei Zeit, nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre, diesen Schritt jetzt zu gehen.

Trauer vermindert Organspende

Es sei ein guter Gegenvorschlag, sagte Marina Carobbio Guscetti (SP/TI), die auch Präsidentin von Swisstransplant ist. Heute komme eine fehlende Willensäusserung einem Nein gleich. Die Angehörigen würden sich entsprechend in ihrer Trauer kaum für ein Ja zur Entnahme aussprechen. Neu werde die fehlende Willensäusserung als Ja interpretiert.

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Das Komitee «Nein zur Organspende ohne explizite Zustimmung» ergreift das Referendum. - Keystone

Die erweiterte Widerspruchslösung lasse Freiheit sich bewusst dafür zu entscheiden. Jedoch müsse man sich aber nicht damit befassen, sagte Maya Graf (Grüne/BL). In diesem Falle seien es ja eben die Angehörigen, die sich mit dem Entscheid befassen müssten.

Gegner der Widerspruchslösung

Ständerat Josef Dittli (FDP/UR) wehrte sich gegen den Paradigmenwechsel. Es gehe hier um eine grundsätzliche und wichtige staatspolitische Frage, sagte er. Die Änderung komme einer Pflicht zur Organspende sehr nahe. Es sei ein Eingriff in die liberalen Werte des Staats, wenn die Rechte zunächst eingefordert werden müssten.

Auch der Druck auf die Angehörigen werde massiv erhöht. Auch Heidi Z'Graggen (Mitte/UR) sprach sich gegen die Widerspruchslösung aus. Die Organspende sei ein Akt der Solidarität und Nächstenliebe. Mit dieser Änderung gehe es weg von der Solidarität hin zum Zwang.

Organspende: kein freier Akt mehr

Es sei ein «quasi automatischer Zugriff» auf den Körper eines Menschen. Die Organspende müsse ein freier Akt sein, und zwar aufgrund ausreichender Information. Sie sehe die grosse Not der Menschen, die ein Organ bräuchten. Das Geschäft geht zurück an den Nationalrat.

Die Voraussetzungen für eine Spende in der Schweiz werden auch mit einem Systemwechsel gleich bleiben wie heute: Organe spenden können nur Personen, die im Spital einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Verstirbt jemand ausserhalb des Spitals, ist eine Organspende nicht möglich.

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