Berner Regierungsräte rechnen kleinliche Beträge als Spesen ab. Sie können von ihren Kollegen aus anderen Kantonen lernen.
Spesen Bern
Der Berner FDP-Regierungsrat Philippe Müller hat auch schon einmal eine Banane für 20 Rappen als Spesen abgerechnet. - Screenshot/SRF

Das Wichtigste in Kürze

  • Sogar Bananen haben Berner Regierungsräte als Spesen abgerechnet.
  • Die Geschichte zeigt: Spesenaffären sind ein Spezialgebiet von Kantonsregierungen.
  • Man lernt aber nie aus. Ein Kommentar.
Ad

Die Spesenaffäre im Berner Regierungsrat wirft zahlreiche Fragen auf. Zum Beispiel: Selbst wenn es gerechtfertigt sein sollte, eine Banane für 20 Rappen vom Steuerzahler vergütet zu erhalten – musste das sein?

Haben Berner Regierungsräte aus der «Berner Finanzaffäre» der 80er-Jahre (siehe unten) eigentlich nichts gelernt? Und warum sind es eigentlich – wie ein Blick ins Archiv zeigt – meist Kantonsregierungen, die sich bei Spesen verrennen? Im historischen Vergleich betrachtet sind allerdings die Berner Bananen Peanuts.

Ups, Tausende Franken falsch abgerechnet, sorry!

Aber auch international betrachtet sind die Berner Naturkost-Spesenritter harmlose Anfänger. Zum Beispiel die damalige finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin: Sie hat für sich, Mann und Kleinkind Frühstück und «kalte Speisen» für 845 Euro auf die Spesenrechnung gesetzt. Als «normale staatliche Leistung für das Amt» – und zwar pro Monat.

Marin
SEF: Sanna Marin, die ehemalige finnische Ministerpräsidentin, reist ins Berner Oberland. (Archivbild) - keystone

Spesenaffären mit öffentlichen Geldern gab es in der Schweiz zwar durchaus auch ausserhalb der kantonalen Obrigkeiten. So beim Armeekader, welches Partnerinnen per Helikopter zum Golfen einflog. Oder an einem einzigen Anlass 53 Appenzeller Alpenbitter den Steuerzahlenden aufbürdete.

Oder die Sigriswiler Gemeindepräsidentin Madeleine Amstutz, die Spesen für Sitzungen oder Auskünfte gegenüber Bürgern abrechnete. Also dafür, dass sie ihren Job tat und dafür bereits eine fixe Entschädigung erhielt.

Madeleine amstutz
Madeleine Amstutz, ehemalige Gemeindepräsidentin von Sigriswil, spricht während einer Medienkonferenz über die Gemeindewahlen 2020, am Montag, 10. August 2020, in Sigriswil. - keystone

Oder die Hochschule Sankt Gallen, wo ein Professor unrechtmässige Spesengelder von 120'000 Franken bezogen hat, was lange unbemerkt blieb. Vielleicht hätte man einen Experten beiziehen sollten, zum Beispiel besagten Professor. Dieser war nämlich Direktor des Instituts für Finanzwirtschaft, Finanzrecht und Law and Economics.

Spesenaffären erschüttern Kantonsregierungen

Fast schon kantonales Niveau erreichte die Genfer Stadtregierung 2018. CVPler Guillaume Barazzone konnte die 42'000 Franken Spesen, wovon 17'000 Franken Handy-Kosten, erklären: Er habe manchmal seine private Kreditkarte mit jener der Stadt verwechselt, weil sie gleich aussähen. Andere Regierungsmitglieder verrechneten Champagner, Cocktails und private Taxifahrten. Sie beklagten aber auch, das Handy-Abo sei eben veraltet und die Kosten deshalb so hoch.

Guillaume Barazzone
Die Genfer Stadträte Rémy Pagani (links) und Guillaume Barazzone (mitte) wurden wegen der Spesenaffäre der Stadt als Beschuldigte von der Justiz vorgeladen. - Keystone

Die St. Galler CVP-Regierungsrätin Rita Roos wäre 1999 beinahe Bundesrätin geworden und galt parteiintern als Hoffnungsträgerin. Dann wurde aufgedeckt, dass sie 1600 Franken für den Bundesratswahlkampf mit Steuergeldern berappte. Roos bedauerte den Fehler; sie habe die Rechnung für den Pressedienst Argus schlichtweg «verlauert».

Mitglieder der Berner Kantonsregierung dürfen Kleinstbeträge abrechnen - finden Sie das korrekt?

Keine Glanzleistung vollbrachte die Waadtländer Regierung in den 90er-Jahren, SVP-Staatsrat Pierre-Francois Veillon musste gar sein Amt als Regierungspräsident abtreten. Eine externe Beratungsfirma hatte Spesen unter anderem für Restaurants, Hotels, Blumen und Kosmetik verrechnet. Nebst Honorar von über 4 Millionen kamen so fast eine Million Franken für Blüemli und Crèmli zusammen. Der Beratungsauftrag bestand übrigens darin, ein Sparprogramm durchzuführen.

Im Baselbiet wurden Reisekosten der Regierungsräte von halbstaatlichen Unternehmen als Spesen übernommen. In Appenzell Ausserrhoden stolperte SVP-Regierungsrat Köbi Frei über die Spesenaffäre im Spitalverbund. Den Vogel abgeschossen haben aber eindeutig die Berner mit ihrer Finanzaffäre ab 1984.

Rudolf Hafner Berner Finanzaffäre
Der Berner Finanzrevisor Rudolf Hafner deckte die Berner Finanzaffäre 1984 auf (undatierte Aufnahme). - keystone

160'000 Franken jährlich aus dem Lotteriefonds ins Spesenkässeli der Verwaltungsdirektionen, unter anderem für gesellige Anlässe. Ausflüge der Regierungsräte plus Gattinnen nach Wien oder an den Cup-Final im Wembley-Stadion, bezahlt aus der Spesenkasse. Spesen doppelt bezogen oder für private Auslagen wie Versicherungsbeträge. Die Regierungsräte Werner Martignoni (SVP) und Hans Krähenbühl (FDP) traten nicht zur Wiederwahl an, ihre Sitze gingen an Links-Grün.

Was Housi nicht lernt, lernt der Jean

Die Betroffenen in all diesen Spesen-Skandalen haben aber immerhin auch etwas gelernt. Es war offenbar nicht ganz einfach, Lösungen zu finden, also wurde man innovativ.

Die Stadt Genf hat neue Handy-Abos und hat sich die Spesenreglemente anderer Städte angeschaut – muss man auch zuerst draufkommen. Die Armeeführung hat jetzt – nümenüt – ein Spesenreglement. Baselland beschränkt die Reisen seiner Regierungsräte.

Die HSG gelobte, die neu verbindlichen Regeln für Spesen auch noch zu kontrollieren: Top! Deshalb sind wir zuversichtlich, dass man auch in der Berner Bananenrepublik irgendwann noch aus den Spesenaffären lernt.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

KreditkarteHelikopterRegierungStadionSVPHSGDie Mitte