Sozialpartnerkompromiss zur Sicherung des Lohnschutzes steht
Nach über 80 Verhandlungsrunden einigten sich Sozialpartner und Kantone auf ein Lohnschutz-Paket. Ob es im EU-Gesamtpaket Bestand hat, bleibt offen.

Nach über achtzig Gesprächsrunden haben sich Sozialpartner und Kantone auf ein Paket zur inländischen Absicherung des Lohnschutzes verständigt. Ob dieser Kompromiss als Teil des EU-Gesamtpakets die weiteren Etappen im Parlament und an der Urne übersteht, bleibt offen.
Ziel der innenpolitischen Massnahmen zum Lohnschutz ist es einerseits, die mit der EU ausgehandelten Prinzipien «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort», die damit einhergehenden Lohnkontrollen und die Halbierung der Voranmeldefrist für Entsendebetriebe aus dem EU-Raum abzusichern.
Andererseits soll der von der EU gewährte Spielraum bei der Spesenfrage genutzt werden, damit ausländische Dienstleistungsbetriebe ihren Angestellten Spesen nach Schweizer Recht entrichten und es zu keinem Lohndumping kommt.
Paket von 14 Massnahmen
Mehrheitsfähig sind solche Schritte – und damit auch das ganze Paket der neuen EU-Verträge – nur mit der Zustimmung der wichtigsten Akteure. Mitte Februar, über zwei Jahre nach Aufnahme der Gespräche, hatten die Sozialpartner und die Kantone angekündigt, sich geeinigt zu haben. Jedoch war damals vieles noch offengeblieben.
Nach rund zwanzig weiteren Gesprächsrunden im Auftrag des Bundesrats und unter der Leitung der zuständigen Staatssekretärin für Wirtschaft, Helene Budliger Artieda, scheint ein Kompromiss gefunden. Auf dem Tisch liegt ein Paket von vierzehn Massnahmen – auf dreizehn davon haben die Sozialpartner und die Kantone verständigt.
Diese Massnahmen seien in den vergangenen Wochen «erfolgreich konkretisiert» worden, sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Freitag in Bern vor den Medien. Es gebe eine Lösung, die den Lohnschutz sichere. «Wir haben die Mission erfüllt – nicht mehr und nicht weniger.»
Fokus auf Baugewerbe, keine neuen Regeln für Inlandbetriebe
Die Massnahmen fokussieren sich hauptsächlich auf die sensiblen Branchen des Baugewerbes und richten sich in erster Linie an Betriebe aus dem EU-Raum. Für inländische Betriebe werden laut dem Bundesrat keine wesentlichen neuen Regeln geschaffen. Der flexible Arbeitsmarkt werde nicht unverhältnismässig eingeschränkt.
Die Massnahmen lassen sich in drei Kategorien einteilen. Zur ersten gehören Schritte dort, wo mit Brüssel keine Einigung erzielt werden konnte. Darunter fällt etwa die Spesenregelung für in die Schweiz entsandte Arbeitnehmer. «Wir haben eine gute Lösung gefunden, damit über die Spesen kein Lohndumping geschehen kann», sagte Budliger Artieda.
Zur zweiten Kategorie gehören Massnahmen für die direkte Kompensation von Zugeständnissen an die EU. Eines davon ist die von acht Kalendertagen auf vier Arbeitstage verkürzte Voranmeldefrist für entsandte Betriebe.
Erhalt der Dienstleistungssperre
Massnahmen, die mit Befürchtungen aufräumen sollen, dass die Dienstleistungssperre als Sanktionsmöglichkeit im Entsendegesetz unter Druck kommen könnte, bilden den dritten Block. Diese Sperre ist laut dem Bundesrat eine wichtige Massnahme. 2023 wurde sie über 600 Mal verhängt.
Weitere Massnahmen sollen die sozialpartnerschaftlichen Strukturen beim Lohnschutz und bei allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen gewährleisten. Letztere sollen bestehen bleiben. Zudem soll der Rechtsschutz für inländische Betriebe verbessert werden, die einem allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrag unterstellt werden.
Besserer Kündigungsschutz für Arbeitnehmervertreter
Zusätzlich will der Bundesrat einen weiteren Punkt in die Vernehmlassungsvorlage für das Gesamtpaket mit der EU aufnehmen. Er schlägt einen verbesserten Kündigungsschutz vor für gewählte Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter, für Mitglieder eines Organs einer Personalvorsorgeeinrichtung und für Mitglieder nationaler Branchenvorstände, die im Rahmen eines allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsvertrages tätig sind.
Der Bundesrat reagiert damit auf eine Rüge der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Konkret wird der Schweiz vorgeworfen, die Menschenrechte beim Kündigungsschutz von gewerkschaftlich aktiven Arbeitnehmenden zu verletzen.
«Für die Gewerkschaften braucht es diese vierzehnte Massnahme, damit für sie das Gesamtpaket stimmt», sagte Budliger Artieda. Wenn die Schweiz internationale Verpflichtungen eingehe, sei es schon wichtig, dass diese auch eingehalten würden.
Neue Massnahme des Bundesrats sorgt für gemischte Reaktionen
Für die Arbeitgeberseite ist die neue Massnahme des Bundesrats eher ein Dorn im Auge. «Uns ist es gelungen, ein Paket zu schmieden, das alle etwas glücklich macht und alle etwa im gleichen Mass unglücklich macht», sagte die Staatssekretärin dazu.
Wirtschaftsminister Parmelin äusserte sich ebenfalls vorsichtig optimistisch. Ziel sei es, bis zum Ende der Vernehmlassung im Herbst alle wichtigen Player mit an Bord zu haben. «Es ist ein fragiler Kompromiss.» Die Zukunft werde zeigen, wie nachhaltig dieser sei.