Der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj war zweifellos eine Ehre. Ein Fazit.
Selenskyj
Was bringt Selenskyjs Besuch in der Schweiz? Ein Kommentar. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, war in der Schweiz.
  • Das brauchte einigen Aufwand und bescherte uns einen Friedensgipfel.
  • War es das wert? Ein Kommentar.
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Zuerst war es ein Gerücht, dann mehr so ein Weder-bestätigen-noch-dementieren (zwinker, zwinker), dann stand er am Montag leibhaftig da: Wolodymyr Selenskyj, oberster Händeschüttler und Umarmer, Fashion Icon extraordinaire und ausserdem Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine. Neben ihm stand die Bundespräsidentin Viola Amherd und sie verkündete: Wir (also die Ukraine und die Schweiz) werden sofort mit der Planung eines Friedensgipfels beginnen.

Das haben wir jetzt davon

Derweil war die Bundesstadt abgeriegelt, mit Sicherheitskosten von «mehreren Hunderttausend Franken» für die Steuerzahlenden. Von den Umwegen, die für ÖV, Fussgänger und individuelle Zwei- bis Vierräder nötig wurden, ganz zu schweigen. Postwendend dafür die Kritik: Friedensgipfel ohne Russland, das ist ja eh für die Füchse, und selbst die wollen das nicht. Gratis wird das dann sowieso auch kaum zu haben sein.

Viola Amherd Wolodymyr Selenskyj
Bundespräsidentin Viola Amherd begrüsst den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kehrsatz BE, am Montag, 15. Januar 2024. - keystone

Ist das jetzt, wie man im Volksmund so sagt, «gut»? Oder wie es ein ausländischer Analyst formulierte: Ist Friede nun in Reichweite? Um sich die Antwort gleich selbst zu geben, mit «Update: Ist er nicht». Also ausser Spesen – und 15 Minuten im Rampenlicht der Weltpolitik – nichts gewesen?

Begrüssen Sie den Besuch von Wolodymyr Selenskyj am Rande des WEF?

Das wäre zu kurz und etwas eindimensional gedacht. Denn es gibt mehrere Ebenen, die hier zu betrachten wären, was auch die ausländische Presse anerkennt – wenn auch nicht neidlos. So hat man sehr wohl bemerkt, dass da nicht nur der Auftritt Selenskyjs in Bern war, sondern tags zuvor auch das Friedensformel-Treffen in Davos.

Selenskyj schreibt Geschichte

Tags darauf folgte der Auftritt des ukrainischen Präsidenten am WEF mit einer Rede, die WEF-Präsident Børge Brende als «historisch» bezeichnete. Gut, als WEF-Präsident ist er da leicht voreingenommen, als ehemaliger norwegischer Aussenminister hat er aber immerhin einige Kompetenz in solchen Angelegenheiten.

Wolodymyr Selenskyj WEF 2024
Präsident Wolodymyr Selenskyj während seiner Rede am 54. Jahrestreffen des Welwirtschaftsforums (WEF) in Davos, am 16. Januar 2024. - keystone

Immerhin lobte Selenskyj das «produktive Treffen mit der Präsidentin der Schweiz». Es bleibt zu hoffen, dass Brende nicht darauf anspielte, «produktiv» sei «historisch«, denn dann kennt er unsere stets produktiven Politiker schlecht, imfall, nämlich.

All dies verleiht der Schweiz Prestige. Brauchen wir das? Das ist eine andere Frage, aber es ist uns, gerade im Rahmen des Ukraine-Kriegs, einiges Prestige bereits abhandengekommen. In Sachen Friedensvermittlung drohen uns andere Länder wie Norwegen den Rang abzulaufen. Die vorübergehende Möglichkeit, ukrainisches Getreide zu exportieren, fädelte die Türkei ein, die weder als besonders demokratisch noch, als Nato-Land, besonders neutral gilt.

Ukraine-Gipfel: Ein «kleiner Coup» oder ein Witz?

Aber jetzt: Friedensformel-Treffen, Friedensgipfel, historische Rede – und wo wird dereinst dieser Gipfel stattfinden? In Norwegen vielleicht? Hallooo, Update: Nicht, wenn wir es verhindern können. Ein «kleiner Coup», den Viola Amherd hier ankündigen konnte, schreibt die «Süddeutsche Zeitung».

Jens Stoltenberg Wolodymyr Selenskyj
Präsident Wolodymyr Selenskyj (2. von links) im Gespräch mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (mit dem Rücken zur Kamera) während dem WEF 2024.
Antony Blinken Wolodymyr Selenskyj
Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj (rechts) schüttelt die Hände von US-Aussenminister Antony Blinken (Mitte) und US-Sicherheitsberater Jake Sullivan (links), vor ihrem Gespräch am WEF 2024.
Selenskyj von der Leyen
Spass muss sein: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht mit dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, während dem «CEO für Ukraine»-Treffen am WEF 2024.
Selenskyj Burkart Glättli Trede
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird von Vertretern des Schweizer Parlaments begrüsst (v.l.n.r.): FDP-Präsident Thierry Burkart, Grünen-Präsident Balthasar Glättli und Aline Trede, Fraktionspräsidentin der Grünen, am 15. Januar 2024 im Bundeshaus.

Ein anderer Fall sind natürlich die realen Erfolgsaussichten eines solchen Friedensgipfels. Wenn schon von Anfang an klar sei, dass Russland nicht mit am Tisch sitzen werde, verkomme der Gipfel zu einer Art Witz, heisst es. Wenn das der Plan sei, verkomme das Treffen zu einem Vorwand für Staats- und Regierungschefs, zusammenzukommen und Schweizer Gastronomie zu geniessen.

Dabei sein ist alles – Hauptsache, es gibt was zu essen

Mag sein – aber immerhin findet ein Gipfel statt. Oder: Wird zumindest geplant, und der Weg ist bekanntlich das Ziel, auch wenn der Weg in Davos schon endet (und nicht in Oslo). Wie wir alle wissen, ist der Genuss Schweizer Gastronomie nicht die dümmste aller diplomatischen Ideen. Fragen Sie nur mal Frau Amherd und Herrn Rösti.

Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, stellt im Gespräch mit WEF-Präsident Børge Brende fest: Spass muss (auch) sein. - X/@wef

Ein Gipfel, auch wenn mit wenig Erfolgschancen, aber immerhin ein Schweizer Gipfel: Das ist ja auch schon mal was. Abgesehen davon: Wir sprechen hier zwar über ernste Angelegenheiten. Aber manchmal muss auch Raum für Witze sein. Merken Sie sich das, denn es sind Worte, die unmittelbar nach der bald schon berühmten «historischen Rede von Davos» geäussert wurden – von Wolodymyr Selenskyj.

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