Rechtsabbiegen bei Rot: Das Velo-Privileg nimmt Fahrt auf

Velofahrer sind seit Jahresbeginn an roten Ampeln im Vorteil: Sie dürfen teilweise rechts abbiegen. Ein Augenschein in Zürich.

Velo Verkehr
Seit Jahresbeginn dürfen Velofahrer bei signalisierten Kreuzungen bei Rot rechts abbiegen. - Drone Air Media

Das Wichtigste in Kürze

  • Velofahrer dürfen seit Jahresbeginn bei Rot rechts abbiegen, falls dies signalisiert ist.
  • Die Stadt Zürich und der TCS sind bisher zufrieden, die Fussgänger-Vertretung skeptisch.
  • Ab Montag ist das Abbiegen bei Rot auch an ersten Berner Ampeln erlaubt.

Die Tage werden länger, wärmer und die Veloketten geölt. Alles fährt Velo – die Corona-Pandemie hat den Fahrrad-Boom sogar noch mehr befeuert. Mit dem Frühlingswetter macht sich das auf den Strassen und Landwegen bemerkbar.

Nicht einmal vor der roten Ampel machen die Velofahrer Halt – und das ist seit Beginn des Jahres auch vielerorts erwünscht. Seit dem 1. Januar ist das Rechtsabbiegen bei Rot an ausgeschilderten Ampeln erlaubt. Das gilt nicht nur für Velos, sondern auch E-Bikes, E-Trottis und Mofas.

Abgesehen vom Kanton Basel-Stadt, der das Rechtsabbiegen bereits seit 2013 per Pilotprojekt testet, hat Zürich das Projekt am schnellsten umgesetzt. An rund 80 Ampeln müssen Velofahrer bei Rot nicht mehr die Bremse ziehen, wenn danach eine Rechtskurve folgt.

Ab Montag ist dies erstmals auch in Bern möglich.

Stadt und TCS frohlocken – Fussgänger und SVP bocken

Die Stadt Zürich zieht ein erstes vorsichtiges Fazit: «Wir haben bislang wenige Rückmeldungen erhalten, doch diese waren eher positiv», so Nadja Häberli von der Dienstabteilung Verkehr.

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Die Stadt Zürich beobachtet das Rechtsabbiegen laufend, erklärt Nadja Häberli von der Dienststelle Verkehr. - Drone Air Media

Noch beobachte man die Kreuzungen, an denen die Velofahrer rechts abbiegen dürfen. «Der Velofahrer muss eine gute Sicht haben, genug Platz, um anzuhalten und der ganze Verkehr sollte verflüssigt werden.» Doch das Ziel ist klar: Die Stadt Zürich will auch weitere Ampeln mit dem Velo-Symbol ausstatten.

Der Zürcher SVP-Nationalrat Mauro Tuena beobachtet die abbiegenden Velofahrer mit Argusaugen. «Ich stelle einfach fest, dass es ganz gefährliche Situationen gibt.» Die Velofahrer würden zu wenig Rücksicht auf Fussgänger nehmen, gar «durch sie durch» fahren, ärgert sich Tuena.

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SVP-Nationalrat Mauro Tuena fordert, dass auch Autofahrer bei Rot rechts abbiegen dürfen. - Drone Air Media

So oder so glaubt der Politiker, würden Velofahrer zu sehr bevorzugt.

Dem widerspricht Daniel Graf vom TCS: «Es ist eine Win-win-Situation. Da die Velos besser abfliessen können, profitiert auch der restliche rollende Verkehr von besserem Verkehrsfluss.»

Ein Pilotprojekt in Basel habe gezeigt, dass das Rechtsabbiegen nicht zu mehr Unfällen führe. Auch seit der schweizweiten Einführung ist dem TCS keine Häufung von Unfällen bekannt, zumal die Velosaison nun erst richtig los geht.

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Daniel Graf vom TCS zeigt sich zufrieden über die neue Regelung. - Drone Air Media

Der Verein «Fussverkehr Schweiz» hatte schon im Vorfeld gewarnt, dass die Sicherheit der Fussgänger gefährdet werden könnte. Die Skepsis ist geblieben, sagt Monika Litscher heute. Denn teilweise befindet sich vor der Rechtskurve gleich ein Fussgänger, der bei roter Ampel auf Grün geschaltet wird.

«Gerade bei älteren Menschen löst es grosse Unsicherheit aus, wenn sie über den Fussgängerstreifen gehen wollen, ein Velofahrer ihnen aber den Weg abschneidet.» Den Velofahrern müsse bewusst sein, dass die Fussgänger Vortritt haben.

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Auch beim Bürkliplatz dürfen Velofahrer trotz roter Ampel rechts abbiegen. - Drone Air Media

«Auch befürchten wir, dass Velofahrer nicht mehr unterscheiden können, wo sie nun rechts abbiegen dürfen und wo nicht.» Es sei ein generelles Problem, «dass die Fussweg-Netze immer mehr beschnitten werden». Ebenfalls seit Anfang Jahr ist es Kindern bis 12 Jahren nämlich erlaubt, auf dem Trottoir Velo zu fahren, wenn kein Veloweg vorhanden ist.

Biegen bald auch Autofahrer bei Rot rechts ab?

Zürich ist punkto Rechtsabbiegen mit 80 Ampeln die mit Abstand velofreundlichste Stadt der Schweiz. Pionier Basel-Stadt hat mittlerweile rund 40 Ampeln entsprechend signalisiert.

Auch weitere Städte ziehen nach, so hat zum Beispiel die Stadt St. Gallen das Abbiegen Anfang Monat an 30 ausgewählten Ampeln zugelassen.

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Meinrad Furrer radelt täglich durch die Stadt Zürich. - Drone Air Media

Die «Velohauptstadt» Bern hingegen hinkt hintendrein. Ursprünglich wäre die Lancierung für Februar geplant gewesen. Doch erst ab kommendem Montag dürfen die Berner teils rechts abbiegen, wenn die Ampel auf Rot schaltet. Bis im Sommer will die Stadt 80 Ampeln mit der entsprechenden Tafel ausstatten.

Mit der schweizweiten Einführung stellt sich die Frage: Kommen bald auch Autos in den Genuss des Rechtsabbiegens bei Rot? Die Forderung ist nicht neu, welche auch SVP-Nationalrat Tuena erneut ins Spiel bringt. «Es gibt keinen Grund, dass in einem Versuchsbetrieb nicht auch mit Autos zu testen.»

Was halten Sie davon, dass Velofahrer bei Rot rechts abbiegen dürfen?

Der TCS hält sich diesbezüglich zurück. Könne man damit den Verkehrsfluss erhöhen, sei man natürlich dafür. «Es darf aber nicht passieren, dass die Verkehrssicherheit leidet.»

Auch Häberli von der Stadt Zürich winkt ab, ein entsprechendes Postulat im Herbst 2020 wurde vom Gemeinderat abgelehnt. Auch der Bundesrat hat in den vergangenen Jahren mehrere Vorstösse zum Thema abgelehnt.

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